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Undemokratisch, unprofessionell, unkalkulierbar

  • von
Blumenwiese, Garmisch-Partenkirchen, Zugspitzmassif, Mai 2004
Blumenwiese, Garmisch-Partenkirchen, © Axel Doering/göf

12.7.2010

Wann steigt man endlich aus der Bewerbung „München 2018“ aus?

Eigentlich hätte schon der Ausstieg von Oberammergau zum AUS für die Bewerbung führen müssen, denn der Status “candidate city” für “München 2018″ bezieht sich auf das Konzept mit München, Garmisch-Partenkirchen, Schönau am Königssee und Oberammmergau!

Für 18 Tage Olympische Winterspiele soll wertvolle und kostbare Kultur- und Natur-Landschaft im Oberland geopfert werden – Landschaft, die nicht nur für den Tourismus da ist, von dem man lebt, sondern vor allem auch für die Einheimischen selbst, die ihre Landschaft lieben, pflegen und stolz darauf sind.

Die bisherigen Erfahrungen mit der Bewerbungsgesellschaft zeigen, dass das ganze „olympische“ Vorgehen gegenüber der einheimischen Bevölkerung im Oberland unfair und undemokratisch ist – die Bürgerinitiative und viele Grundbesitzer in Oberammergau haben sich erfolgreich dagegen gewehrt. Vielleicht auch bald in Garmisch-Partenkirchen? Denn Sportfunktionäre und einige Politiker wollen offenbar in Gutsherrenart über die Wirtschaftsgrundlagen der Bauern und Grundbesitzer verfügen.

Die verständliche Weigerung von Landwirten und Grundbesitzern in Garmisch-Partenkirchen, ihre Wiesen und Gründe abzutreten und danach jahrelang nicht mehr bewirtschaften und selbst darüber verfügen zu können, könnte jetzt das gesamte Olympia-Konzept endgültig zur Makulatur machen. Aber die Rote Karte kriegen nicht die Bauern und die Grundbesitzer, sondern die Bewerbungsgesellschaft „München 2018“.

Axel Doering schrieb in der Pressemitteilung der Kreisgruppe des BN-GaP: „Die nötigen ständigen Umplanungen zeigen, dass die Olympischen Winterspiele in unseren Tälern bei weitem nicht so begeistert aufgenommen werden, wie von den Planern immer behauptet. Das liegt zum einen daran, dass die Bewerbungesellschaft absolut intransparent vorgeht. Sie gibt an Informationen immer nur das Allernötigste heraus, oder das was bereits bekannt ist, zudem wird der Umgang der Bewerbungsgesellschaft mit den Betroffenen vor Ort als äußerst arrogant empfunden. Der andere Grund ist, dass die Bürger vor Ort immer mehr begreifen, dass Olympische Winterspiele für unsere Gebirgstäler viel zu groß sind.“

Bewerbungschef Willy Bogner lehnte die Pläne der neun Garmisch-Partenkirchener Verbände und Vereine ab, das Olympische Dorf – statt auf ihren Wiesen – auf dem Gelände des Golfplatzes in Burgrain unterzubringen. Er appelierte an „einzelne Bauern, die ihre hochsubventionierten Wiesen nicht an die olympischen Organisatoren verpachten wollten, ihrer Verantwortung für das Land gerecht zu werden.“ (Bielicki, Jan, München über den Wolken, in: SZ 28.1.2010).

Im Februar verlangt Bogner von den „Staatsbürgern“ noch, sie sollten vor den Volksvertretern kuschen: „Winterspiele sind ein Ereignis von nationaler Bedeutung, die Staatsbürger sollten sich an die Zusagen, die die Volksvertreter einmal gemacht haben, halten.“ Und der Spiegel kommentiert: „Ein harter, drohender Satz.“ (Pfeil, Gerhard, Weiße Krawatten, in: Der Spiegel 8/22.2.2010)

Es gehört aber zu den demokratischen Errungenschaften dieses Landes, dass andere Meinungen akzeptiert – und nicht diffamiert – werden. Das hätte sich auch die Bewerbungsgesellschaft zu eigen machen sollen.

Doch auch Oberbürgermeister Ude schreckt noch in einem Interview vom 3.7.2010 in der Süddeutschen Zeitung nicht davor zurück, den Landwirten eine Pokermentalität zu unterstellen – und nimmt dies einen Satz später wieder zurück:

„SZ: Was hilft Ihnen eine Zweidrittelmehrheit, wenn die Grundeigentümer nicht mitspielen? Unterschätzen Sie das nicht?

Ude: Ich habe das nie unterschätzt. Bei manchen Lösungen muss jeder mitwirken, und dass lange hoch gepokert wird, versteht sich von selbst. Ich habe niemals etwas Negatives gesagt über Menschen, die der Olympiabewerbung skeptisch gegenüberstehen.“ (Stimmt leider nicht, aber darüber berichten wir an anderer Stelle in www.nolympia.de)

In Garmisch-Partenkirchen wollen einige Grundbesitzer die Verträge über die „olympische Nutzung“, die sie zugeschickt bekommen hatten und „unterschrieben im Rathaus” abgeben sollen, unter den gegebenen Umständen nicht unterzeichnen. Denn: „Darin sollen die Grundstückseigentümer unterschreiben, dass sie ihr Land für Parkplätze, Wettkampfstätten, Stadion, olympische Infrastruktur und Zufahrtswege zur Verfügung stellen. Was auf jedem einzelnen Stück Land geschehen soll, wird nicht schriftlich fixiert – für viele Eigentümer ein Grund, warum sie den Vertrag ablehnen.” (SZ, 9.7.2010). Nur ein eingeschworener kleiner Kreis, der entgegen der demokratischen Gepflogenheiten sein Wissen nicht öffentlich machen will, hat bisher die ganze Planung gesehen. Und gebilligt.

Oberammergau wurde wegen “massivem Widerstand” im Passionsspielort aus den Planungen für die Olympischen Spiele 2018 genommen – ein Erfolg der Bürgerinitiative und vieler Grundbesitzer, die der olympischen Nutzung – und damit der längerfristigen Zerstörung – ihrer Grundstücke nicht zugestimmt haben.

Jetzt sind die Biathlon- und Langlauf-Wettbewerbe auf dem staatlichen Grund von Gut Schwaiganger bei Ohlstadt geplant – aber keineswegs gesichert.

Der Widerstand in Garmisch-Partenkirchen mit der Weigerung einiger Grundbesitzer und der Unterschriftenliste der Plattform Nolympia könnte das endgültige Aus für die Bewerbung „München 2018“ bedeuten – und damit könnte man die Grundbesitzer, die Bauern und die übrige Bevölkerung im Oberland und in München nur beglückwünschen.

Denn – wie schon erwähnt: Die Rote Karte kriegen nicht die Bauern und die Grundbesitzer, sondern die Bewerbungsgesellschaft „München 2018“: für ihr undemokratisches, undiplomatisches, unprofessionelles und undurchsichtiges Agieren – und dafür, dass sich „München 2018“ überhaupt für Olympische Winterspiele beworben hat. Wider besseres Wissen.

Jetzt stellt sich nur die Frage: Wann steigt man endlich aus dieser Pannen-Bewerbung aus?

Sylvia Hamberger