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Olympische Hochbunker

  • von

Wolfgang Zängl
20.12.2010

Geplantes Olympisches Dorf 2018: weder umweltfreundlich noch nachhaltig!

Die Bebauung des Parks der Bundeswehr war dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude schon seit langem ein Anliegen – schon lange vor den Plänen für München 2018. Über das zu bauende Olympische Dorf möchte er dieses Anliegen endlich verwirklichen und in den Besitz des Geländes kommen. Von den 36 Hektar gehören nämlich 18 Hektar dem Bund, rund 14,5 Hektar dem Freistaat und nur 3,5 Hektar der Stadt. „Olympia sei eine enorme Chance, auf dem Bundeswehr-Gebiet ein Wohnquartier zu entwickeln, sagte Ude: ‚Manche haben noch nicht verstanden, welche Möglichkeiten sich hier bieten, die Wohnungsnot zu lindern“ (Dürr, Alfred, Athleten im Landschaftspark, in SZ 4.12.2010). Und noch beim Pressegespräch am 28.12.2010 sprach Ude vom „Militärgelände“.

Hauptsache, der Oberbürgermeister hat alles verstanden: Dass nämlich eine preisgekrönte Bürobebauung mit intakten, fragilen Gebäuden einer ziemlich klotzigen Wohn-Architektur weichen würde, dafür mindestens 1280 wertvolle Bäume zu fällen seien, siehe unten und die Bundeswehr in Neubauten für 120 Millionen Euro an der Dachauerstraße umziehen müsste, was wiederum weitere zahlreiche Baumfällungen bedeuten würde. Das übliche Totschlagargument Wohnungsbau zieht hier noch weniger als sonst.

Der Wettbewerb für das Olympische Dorf (und das Mediendorf an der Leonrodstraße) wurde im EU-Amtsblatt 9.6. bis 12.7.2010 ausgeschrieben. In der Jury saßen 16 Architekten und Städteplaner, u. a. Albert Speer, der Planungschef von München 2018 sowie Bernhard Schwank und Jürgen Bühl von der Bewerbungsgesellschaft München 2018, dazu 15 Politiker, u. a. OB Ude, die Grüne Stadträtin Sabine Krieger, Stadtbaurätin Elisabeth Merk, Kommunalreferentin Gabriele Friedrich.

Anfang Dezember 2010 stellte die Stadtspitze stolz den Sieger des Wettbewerbes für das Olympische Dorf 2018 vor: das Berliner Büro Léon Wohlhage Wernik mit den Landschaftsarchitekten ST raum a, Berlin. Sie lieferten ein Modell ab, in dem die Hochhäuser aussehen wie Olympische Hochbunker mit Balkonen. Je drei Hochhäuser mit sieben bis 14 Geschossen und bis zu 50 Meter Gesamthöhe bilden eine der sechs Hochhausgruppen. Der Preisträger kann in keinster Weise an die prämierte Behnisch-Architektur von 1972 anschließen, auch wenn im Erläuterungstext steht: „Auf kongeniale Art und Weise wird das Thema der architektonischen Landschaft neu aufgegriffen, ohne sich an die existierenden Bauten von 1972 anzubiedern“ (Alle Zitate des Preisgerichts aus: competitionline, Erläuterungstext ID 43278).

München, Olympisches Dorf Winterspiele 2018, 1. Preis. Entwurf: Léon Wohlhage Wernik Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin Prof. Hilde Léon, Siegfried Wernik mit ST raum a. Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH, Berlin Stefan Jäckel, Tobias Micke

Der ruhende Verkehr ist in Tiefgaragen zwischen den Hochhäusern vorgesehen. Das Modell zeigt sehr wenig übrig gebliebene Bäume, und das entspricht auch folgender Aussage: „Positiv zu bewerten ist, dass 95 Prozent des als ‚sehr erhaltenswert’ eingestuften Baumbestandes berücksichtigt wurde. Dagegen wird der als ‚erhaltenswert’ eingestufte Bestand zu 80 Prozent beseitigt“ (Zitate Preisgericht, unter: http://www.competitionline.de/wettbewerbe/43278.

Also doch: Dramatische Fällungen!

Zur Erinnerung: Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung führte im Rahmen der Bewerbung München 2018 für das Olympische Dorf und das Mediendorf eine Untersuchung bezüglich des Bewuchses durch. Eine Aufstellung vom 28.9.2010 ergab, dass insgesamt 2630 Bäume gefährdet wären. Dazu zählen 108 sehr erhaltenswerte Bäume und 1.594 erhaltenswerte Bäume, sowie 14.784 Quadratmeter flächige Gehölzbestände (davon 4.652 Quadratmeter erhaltenswerte).

(Vergleiche unter http://www.nolympia.de/chronologie/september-2010/ in der Chronologie den Abschnitt: Olympiapark und Bundeswehrgelände München)

Geplant: mindestens 1280 gefällte Bäume

Es werden fünf Prozent des „sehr erhaltenswerten“ Gesamtbestandes gefällt, pardon, „beseitigt“, das wären sechs Bäume, dazu aber auch 80 Prozent des „erhaltenswerten Gesamtbestandes“ gefällt, also 1275 Bäume! Nach der Baumschutzverordnung der Landeshauptstadt München (Stand 12.4.2010) „sind alle Gehölze (Bäume und Sträucher), die einen Stammumfang von mindestens 80 Zentimeter in 100 cm Höhe über dem Erdboden haben, unter Schutz gestellt“.

„Sehr erhaltenswerte“ (108) und „erhaltenswerte Bäume“ (1594) ergeben zusammen 1702 Bäume. Aufaddiert wurden aber in der Liste des Planungsreferates 2630 Bäume: Hier fehlt der Nachweis, was mit den restlichen 928 Bäumen geschehen sollte: Vermutlich würde auch von ihnen ein beträchtlicher Teil gefällt.

Journalisten übernehmen oft genug unkritisch die offiziellen Presseinformationen der Stadt und der Bewerbungsgesellschaft München 2018, und das liest sich dann so: „Durch die Anordnung der Häuser können auf dem Gelände ein Biotop und 95 Prozent der wertvollen alten Bäume erhalten bleiben“ (Patzig, Johannes, Ein neues Olympiadorf für München, in merkur-online 4.12.2010). Hier wurde übersehen, dass 80 Prozent der „erhaltenswerten Bäume“, nämlich die erwähnten 1275, abgeholzt würden.

München, Olympisches Dorf Winterspiele 2018, 1. Preis. Entwurf: Léon Wohlhage Wernik Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin Prof. Hilde Léon, Siegfried Wernik mit ST raum a. Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH, Berlin Stefan Jäckel, Tobias Micke

„Nachhaltiges“ Bauen?

Kritisiert wird in der Beurteilung durch das Preisgericht: „Die Tiefgarage ist jeweils zwischen den Zeilen organisiert. Das führt zu einer hohen Versiegelung.“ Auch vom vielgerühmten „nachhaltigen Bauen“ würde vermutlich nicht viel übrig bleiben. „Die Konstruktion ist konventionell als Stahlbetonkonstruktion vorgesehen“. – „Nachhaltige Rohstoffe finden keine Verwendung: Die Wärmeverbund-Fassade ist nur bedingt (!W.Z.) dauerhaft“ (Preisgericht, competitionline, Erläuterungstext ID 43278).

Plusenergiestandard?

Und zum Plusenergiestandard heißt es: „Das Projekt bietet die baulichen Voraussetzungen, den Plusenergiestandard in der weiteren Behandlung zu erreichen“ (Preisgericht, competitionline, Erläuterungstext ID 43278).

Das ist eine mehr als schwammige Formulierung! Nun wurde der Plusenergiestandard im Vorfeld von jedem Grünen Münchner Stadtrat und jedem DOSB-Funktionär inflationär in die Debatte geworfen. Ob der Plusenergiestandard – auch angesichts der Kosten – tatsächlich erreicht werden wird, steht in den Sternen.

*

Es gibt einige interessante Parallelen von Stuttgart 21 zu München 2018: Bei Stuttgart 21 geht es um 292 erhaltenswerte Bäume, bei München 2018 um 1300 und mehr. Bei Stuttgart 21 „gehe es um die bestmögliche Verwertung der Flächen in der Innenstadt… Das Verfahren zur Planfeststellung dient in erster Linie dazu, Baurecht zu schaffen“ (Beck, Sebastian, Kopfbahnhof, eingleisig, in SZ 30.11.2010).

Im Fall des Münchner Parks der Bundeswehr, in dem das Olympische Dorf 2018 entstehen soll, schaut es bezüglich des Baurechts nicht anders aus.

Ohne die Spiele steht das Areal nicht zur Verfügung, mahnte Ude. Auch aus diesem Grund: kein München 2018!

Nicht nebenbei:

Alle Zitate zum Modell Olympisches Dorf und die Zahlen zu den verheerenden Baumfällungen sind natürlich nicht in den offiziellen Beschreibungen der Bewerbungsgesellschaft zu finden, sondern versteckt unter http://www.competitionline.de/wettbewerbe/43278, dort unter „Beitrag ansehen“ und „Beurteilung durch das Preisgericht“.

Vergleiche auch: http://www.nolympia.de/2010/11/der-munchner-park-der-bundeswehr/