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Etikettenschwindel München 2022

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21.7.2013
Der Schmäh mit der Tourismus Initiative München

Das offizielle Vereinsziel
In der Satzung des Vereins Tourismus Initiative München (TIM) e.V. vom 28.8.2012 steht unter § 2 Zweck, Aufgaben des Vereins: „Zweck des Vereins ist die Förderung des Tourismus in München“.
„Wie lässt sich München touristisch besser vermarkten? Die Unternehmen der Stadt ergreifen jetzt die Initiative. Sie haben den Verein Tourismus Initiative München (TIM) e.V. gegründet. Er hat die Aufgabe, die Marke München zu definieren und zu vermarkten… Die eigentliche Vermarktung erfolgt über den Tourismusfonds München, den TIM e.V. und die Landeshauptstadt München zu gleichen Teilen finanzieren werden“ (6). Das Ziel ist „Werbe-Ressourcen bündeln, Leistungen und Angebote zu steigern, Touristen anlocken“ (11). Über TIM e.V. soll eine „Konzeption einer stringent zielgruppenorientierten Tourismusstrategie“ entwickeln (10). „Mit der Gründung des Vereins haben die Vertreter der Tourismuswirtschaft die Grundlage für die künftige Zusammenarbeit mit der Stadt München geschaffen. Nach eineinhalb Jahren intensiver Zusammenarbeit mit Wirtschaftsreferent Dieter Reiter haben Vertreter der Wirtschaft (…) das ‚Münchner Modell entwickelt’“ (10). Starke Unterstützung leistete und leistet auch die IHK für München und Oberbayern.
Dem Vorstand gehörten u. a. an: Thomas Muderlak (BMW-Welt), Reinhard Pfeiffer (Messe München), Andreas von Puttkammer (Flughafen München GmbH), sowie Vertreter von Hotels, Handelsverband Bayern, Dallmayr KG, Löwenbräukeller, etc. (14).
In der Beitrittserklärung werden Angaben für die Beitragsbemessung gemacht: z.B. Festzeltbetrieb Oktoberfest: 3.000 €, Große Partnerunternehmen: 25.000 €, Unternehmen über 50 Millionen € Umsatz: 9.000 €, Große Partnerunternehmen (z.B. Messe, Flughafen) 25.000 €.
Zur Erinnerung: Schon bei der Bewerbung München 2018 hatte OB Ude mit Messe München, Flughafen München, Olympiapark GmbH, Stadtwerke München Zwangsverpflichtete als „Sponsoren“ versammelt.

Der Tourismusfonds München
TIM und Stadt zahlen je zur Hälfte ein: „Die Marke München soll im weltweiten Tourismus noch besser wahrgenommen werden. Diesem Ziel dient der Tourismusfonds München, ein Public-Private-Partnership-Modell… zu 50 Prozent sollen die Mittel für den Tourismus von der Stadt, zu 50 Prozent von der Wirtschaft kommen… Avisiert ist, dass die Wirtschaft im ersten Jahr 500.000 Euro bereitstellen soll“ (3; Hervorhebung WZ).
Als Finanzierungsziel für den Tourismusfonds werden genannt: für 2012 1 Mio. € – je 500.000 € von Wirtschaft und Stadt, in den Folgejahren 2 Mio. € – mit weiterem Entwicklungspotenzial (12; vgl. auch Rede Mayer vom 26.7.2013 (30), S. 3).

Ralph Huber petzt
(Aus der Nolympia-Chronologie)
Am Montag, den 6.2.2012 stellte sich der Münchner Olympiapark-Chef Ralph Huber vor die Presse und gab bekannt, dass ein Kreis von Interessierten, Lobbyisten und Sponsoren der München-2018-Bewerbung existiert, der für München 2022 trommeln würde. Auf die Frage nach den Unterstützern bzw. Hintermännern äußerte Huber: “Da können Sie mich löchern, wie Sie wollen – das halten wir noch geheim” (Kristlbauer, Matthias, Olympiapark-Chef: “X-Games sind greifbarer als Winterspiele”, in Münchner Merkur 13.2.2012). Es soll sich um Wirtschaftsunternehmen, ideelle Träger und Sportler handeln.
„Noch-OB Ude ist nach wie vor Befürworter und lässt schon seit geraumer Zeit Olympiapark-Chef Ralph Huber und Wirtschaftsvertreter an München 2022 arbeiten (16).
Ralph Huber: „Wichtig ist, dass wir das Signal setzen, dass München bereit wäre” (17). „Es sagt natürlich jeder, dass unsere Bewerbung 2018 hervorragend war und dass sich Deutschland erneut bewerben muss… Deshalb gibt es ja ein ‘Team München’, das das Thema mitbegleitet und das eine oder andere schon mal eruiert oder in die Wege leitet, damit man nicht zu viel Zeit verliert, wenn man sich 2022 wieder bewirbt” (18).

Außerordentliche Mitgliederversammlung
Am 22.3.2013 trafen sich über 70 Teilnehmer aus Hotellerie, Gastronomie, Einzelhandel, Kultur- und Tourismuswirtschaft: Sie diskutierten „die zukünftigen Ziele des Vereins und die damit verbundenen Erwartungen der Mitglieder“ (15). Der Vorstandsvorsitzende Thomas Muderlak: „Ich bin angetreten, um TIM zum Erfolg zu führen“ (15).

Abold wieder dabei
Die Münchner Agentur Abold begleitete nicht nur die Olympiabewerbung 2016 von Baku, Hauptstadt der Diktatur Aserbaidschan, sondern auch vom ersten Tag an die Bewerbung München 2018 (22; 24), auch wenn Abold daran nicht entscheidend beteiligt war. Andreas Abold war auch eng mit dem zwielichtigen Fußball-Lobbyisten Fedor Radmann verbunden. Er bereitete erfolgreich im Auftrag des FC Bayern und des TSV 1860 den Wahlkampf vor für den Bürgerentscheid über den Bau der neuen Fußballstadions in Fröttmaning („Allianz Arena„) und arbeitete dann mit Albert Speer & Partner bei der Vorbereitung des Stadionbaus zusammen (26, 27, 28, 29).
Auch für die TIM-Aktion pro München 2022 wurde Abold beauftragt: „Die Umsetzung der Kampagne übernimmt das Marketing-Büro Abold“ (5). Andreas Abold äußerte bereits im August 2012: “Die Zeichen stehen besser als je zuvor” (23). Er empfiehlt: „Eine Olympiabewerbung muss generalstabmäßig geführt werden, hierarchisch wie in der Formel 1“ (24)
Bernie Ecclestone lässt grüßen!

Der wahre Zweck: Geld sammeln für München 2022

Der Etikettenschwindel wurde im Juli 2013 bekanntgegeben. Thomas Muderlak, hauptberuflich Chef der BMW-Welt, lud am 19.7.2013 in die Allianz-Arena zum Geldsammeln:
„Von ‚Jetzt erst recht‘ und „die Ärmel hochkrempeln“ ist viel die Rede gewesen, als gestern Repräsentanten aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Sport ein Bündnis mit Namen ‚Team München 2022‘ aus der Taufe gehoben haben. Ziel ist, München erneut als Bewerber um Olympische Winterspiele ins Rennen zu schicken. Gelingen soll das mit dem Geld und dem guten Namen der 150 Mitglieder der ‚Tourismus Initiative München’ (TIM, wir berichteten). (…) Am 10. November werden die Bürger über das von der Stadt München und den potenziellen Gastgebergemeinden Garmisch-Partenkirchen, Berchtesgaden und Ruhpolding initiierte Ratsbegehren abstimmen. Zehn Prozent aller Wahlberechtigten müssen dafür sein – allein in München muss man also gut 104 000 Menschen für die Sache gewinnen. Kurz zuvor, im September, finden die zwei Parlamentswahlen statt, was die Motivation, nochmals an die Urne zu treten, wohl schmälert. ‚Es ist wichtig, die Bürger zu überzeugen’, sagte TIM-Vorstandssprecher Thomas Muderlak gestern nach der Auftaktveranstaltung. Ein ‚breit gefächertes’ Kommunikationskonzept soll das ermöglichen. Bis zu einer Million Euro wird es kosten, zum Beispiel Plakate zu kleben und eine Kampagne in den sozialen Netzwerken anzuschieben. (…) So haben die Münchner Brauereien zugesagt, Olympia-Werbung auf Bierdeckel zu drucken“ (5; Hervorhebung WZ)
Ob TIM bzw. Muderlak den Münchner Brauereien auch mitgeteilt hat, dass bei Olympischen Winterspielen 2022 in München nur der Bier ausschenken darf, der für viel Geld Sponsor ist – siehe Sotschi 2014: „Baltika Breweries has attained the status of ‚Official Beer Supplier of the XXII Olympic Winter Games of 2014 in the City of Sochi‘ in the Beer category“ (21; www.sotchi.com).

„Beteiligen können sich an der Münchner Kampagne auch die anderen Gastgeber-Gemeinden. ‚Aber sie müssen nicht’, betonte Muderlak. ‚Wir stehen allerdings in Kontakt’“ (5).

„Thomas Muderlak, der Vorstandsvorsitzende der Tourismus Initiative München, hat Unterstützer und Sponsoren für eine Olympiabewerbung Münchens für die Winterspiele 2022 geladen… Dabei soll die Vorgehensweise abgestimmt werden, um die Münchner Bevölkerung beim Bürgerbegehren am 10. November zu einem positiven Votum zu bewegen. Da der Stadtrat der Bayerischen Landeshauptstadt die Befragung als sogenanntes Ratsbegehren initiiert hat, muss sich die Stadt neutral verhalten und darf kein Wahlempfehlung geben. „Umso wichtiger, dass wir als TIM eine Unterstützerkampagne gründen. Noch diese Woche starten wir mit einem Bündnis-Kick-off“, sagte Muderlak im Bayerischen Fernsehen. Ursprünglich sollte ein Verein zur Unterstützung gegründet werden, doch dafür war die Zeit schon knapp. ‚Die Konstruktion wird so sein, dass wir als Bündnis völlig losgelöst von der Stadt agieren werden’, so Muderlak. Ein Konzept für die Initiative wurde schon erarbeitet. Gleichzeitig zur Strategie soll auch die Frage der Finanzierung geklärt werden. Thomas Muderlak, neben seiner Tätigkeit für TIM, Chef der BMW-Welt, schätzt den Finanzbedarf bis zur Abstimmung im November ‚auf eine dreiviertel bis eine Million Euro’“ (8; 20).

Die Vorsitzende der Münchner Grünen, Katharina Schulze, merkte zur Tourismus Initiative München“ an: „Beginnend damit wie die Stadt München ihre Neutralitätsverpflichtung im Ratsentscheid über Olympia2022 einhalten möchte, wenn sie so eng mit der „Tourismus-Initiative München“ kooperiert. Laut Herr Muderlak hat die TIM einen Kooperationsvertrag mit der Stadt unter Leitung von Dieter Reiter. Wo da die Neutralität der Stadt bleibt, sehe ich gerade nicht. Außerdem frage ich mich, wie es sichergestellt wird, dass nicht städtische Gelder für die Beeinflussung des Ratsentscheids ausgegeben werden. Da verlangen wir Grüne Aufklärung und Transparenz! Und besonders interessiert mich auch die genaue Anzahl der städtischen Unternehmen in dieser Initiative“ (7).

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Der Etikettenschwindel
“Damit entsteht ein finanzkräftiges Gegengewicht zu den Olympia-Gegnern, die für eine Fortsetzung ihres Kampfes bereits in den Startlöchern sitzen… Die TIM übernimmt damit eine Aufgabe, die für die offizielle Rathauspolitik tabu ist. Zwar darf auch die Stadtspitze ihre Sympathie für Olympia kundtun und Argumente liefern. Ein offener Aufruf, beim Bürgerentscheid pro Olympia zu stimmen, wäre aber ein Verstoß gegen das sogenannte Sachlichkeitsgebot” (19; Hervorhebung WZ).

Im Interview im Münchner Merkur äußerte Muderlak in aller Offenheit: „Diesmal strebt die Stadt München einen Bürgerentscheid an. Als Initiatorin des Ratsbegehrens unterliegt sie aber dem Sachlichkeitsprinzip – sie ist also zur Neutralität verpflichtet. Es braucht jetzt grundsätzlich eine Organisation, die die Initiative ergreift und den Leuten sagt: Macht das Kreuz bei ‚Ja’. Es gibt von vielen Seiten in München eine großartige Unterstützung für den Gedanken Olympia 2022. Wir sind dazu da, diese Unterstützung zu bündeln und zu formulieren. Wir wollen das Ratsbegehren fokussiert und professionell bis zum 10. November begleiten.
Wir haben einen Kooperationsvertrag mit der Stadt. Zusammen mit sieben Stadträten formieren wir unter Leitung von Wirtschaftsreferent Dieter Reiter die Münchner Tourismuskommission. Sie verwaltet eine Million Euro, die zur Hälfte von der Stadt, zur Hälfte von TIM in einen Fonds eingezahlt worden sind. Die Kommission gibt die strategischen Leitlinien für die touristische Vermarktung der Stadt München vor“ (4;Hervorhebung WZ).
Zur Frage: „Ist Ihr Engagement für einen Bürgerentscheid pro Olympia dann nicht rechtlich ein Problem?“ antwortete Muderlak: „Überhaupt nicht. Wir sind sowohl politisch als auch juristisch völlig neutral“ (4; Hervorhebung WZ).

Und nun sieht der Zweck des Vereins Tourismus Initiative München (TIM) e.V. laut Muderlak plötzlich ganz anders aus: „Unsere Aufgabe ist mit dem 10. November erfüllt“ (4; Hervorhebung WZ).

Bis dahin wird viel Geld von der „Tourismus Initiative München e.V.“ und der Stadt München in die Pro-München-2022-Kampagne fließen.

Vergleiche auch: Goliath gegen David

Quellen:
1 Beitrittserklärung, www.muenchen.ihk.de
2 Effern, Heiner, Lode, Silke, Olympia-Kampagne im Schatten der Wahlen, in SZ 20.7.2013
3 IHK trommelt für das Münchner Modell, www.muenchen.ihk.de, undatiert
4 Löhr, Johannes, „Wir wollen keine Großkopferten-Kampagne“, in merkur-online.de 19.7.2013
5 Löhr, Johannes, Olympia-Begeisterung auf Bierdeckeln, in merkur-online 19.7.2013
6 Münchner Unternehmen nehmen Tourismus selbst in die Hand, in www.muenchen.ihk.de undatiert (2012)
7 Olympia 2022: Die „Tourismus-Initiative München“ wirft sehr viele Fragen auf, PM www.gruene-muenchen.de 19.7.2013
8 Olympia-Befürworter in München starten Kampagne, in focus.de 15.7.2013
9 Quantensprung im München Tourismus – TIM e.V., www.ipa-presseagency.com 2012
10 Neue Strukturen im München-Tourismus – Gründungsversammlung des Tourismus Initiative München (TIM) e.V., www.muenchen.ihk.de 19.6.2012
11 Schneider, Jochen, München ist mehr als nur die Wiesn, in abendzeitung-muenchen.de 26.7.2012
12 „Tourismus Initiative München (TIM) e.V.“, in www.muenchen.ihk.de
13 Tourismus Initiative München (TIM) e.V., Satzung, www.muenchen.ihk.de 28.8.2012
14 Tourismus Initiative München (TIM) e.V., Statements der Tourismuswirtschaft, München 26.7.2013
15 Ziele des TIM e.V. – 1. Außerordentliche Mitgliederversammlung, www.muenchen.ihk.de
16 Effern, Heiner, Riedel, Katja, Neue Olympia-Chance für München, in SZ 7.7.2012
17 Hahn, Thomas, Eine Prise Absicht, in SZ 4.8.2012
18 Kristlbauer, Matthias, „Wir müssen in den Startlöchern stehen”, in Münchner Merkur 4.8.2012
19 Hutter, Dominik, Der Kampf um die Spiele, in SZ 17.7.2013
20 Olympia-Befürworter in München starten Kampagne, in abendzeitung-muenchen.de 16.7.2013
21 www.sochi2014.com/en/team/partners/44110/
22 Munich 2018 and abold – a successful cooperation … www.abold.de 19.7.2011
23
Schmidt, Thomas, CSU: Ude bremst Olympia-Bewerbung, in Münchner Merkur 18.8.2012
25 Olympia: Was kann München von Sochi lernen, Herr Abold? www.abold.de
26 Bielicki, Jan, Dabei sein ist alles, in SZ 14.1.2010
27 Kistner, Thomas, Perlen für den Vorstand, in SZ 3.7.2010
28 Kistner, Thomas, Fifa-Vorständler unter Korruptionsverdacht, in SZ 18.10.2010
29 Weinreich, Jens, WM-Regisseur im Hintergrund, in dradio.de 12.6.2010

30 Mayer, Conrad, Rede zur Pressekonferenz  der TIM e.V., 26.7.2013