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Klimawandel

©  Text: Sylvia Hamberger, Gesellschaft für ökologische Forschung

Zweiter Versuch: München 2022?  Nein danke!

„Ein ungebremster Ausstoß von Treibhausgasen könnte das Klimasystem derart verändern, wie dies in den vergangenen hunderttausenden Jahren nicht vorgekommen ist. Vielfältige und deutliche Veränderungen wären zu erwarten, wie etwa bei Niederschlägen, Eis und Schnee, einigen Extremwetterereignissen, Meeresspiegelanstieg und Versauerung der Ozeane. Alle Regionen der Erde wären betroffen. Bisher beobachtete Veränderungen würden verstärkt. Viele der Änderungen im Klimasystem blieben über Jahrhunderte bestehen, auch wenn keine Treibhausgase mehr freigesetzt würden. Soll die globale Erwärmung auf einem bestimmten Niveau begrenzt werden, so sind dafür erhebliche Minderungen der Treibhausgasemissionen notwendig “ (IPCC Sachstandsbericht 5  Teilbericht 1 – Zusammenfassung UBA, September 2013).

Glaubt man wirklich, Olympische Winterspiele sind damit vereinbar?

Deshalb NEIN zu „München 2022“


 

Archiv zu 2018:

Wetterrekorde auch 2011:

Für die Gebirgsregionen war 2011 das wärmste Jahr seit Beginn der alpinen Temperaturaufzeichnungen. Ein weiterer trauriger Rekord: Kein November war trockener.

Der IPCC-„Sonderbericht Extremwetter“ (www.ipcc.ch) sagt eine weitere deutliche Zunahme extremer Wetterlagen voraus.

Im Februar 2011 lag in Garmisch-Partenkirchen keine geschlossene Schneedecke mehr. Tagsüber herrschten ausnahmslos Plusgrade – sogar im zweistelligen Bereich. Auch die Nachttemperaturen waren für die Jahreszeit viel zu warm. Während der „Ski-WM 2011“ gelang die Präparation der WM-Pisten nur noch mit Mühe – und nur mit großen Mengen an Kunstschnee, Vereisung und nächtlicher Dauerpräparation: Die „Festspiele im Schnee“ wurden so zu „Festspielen im Kunst-Schnee“. Die NZZ schrieb sogar: „Testspiele im Klee“.

Kandahar und Wiesen während der Ski-WM, 19.2.2011©
Kandahar und Wiesen während der Ski-WM 2011 / ©goef-sh

Nach den Plänen der Bewerbung „München 2018“ will man in Garmisch-Partenkirchen und Gut Schwaiganger – im sogenannten „Snow-Park“ – die olympischen und paralympischen schneeabhängigen Ski-Wettbewerbe veranstalten.

Garmisch-Partenkirchen, Schanzen, 18.3.2011 / ©goef-ak

Am 18.3. würden die Paralympics 2018 enden. So sah das geplante „Snow-Cluster“ am 18.3.2011 aus: Die Sprungschanzen spiegeln sich im Schmelzwasser des Kunstschnees im Olympiastadion.
Das ganze Loisachtal ist seit Februar schneefrei.

In Zeiten des Klimawandels überrascht der Glaube, dass Olympische Winterspiele 2018 – also in sieben Jahren – in Höhenlagen von 660 m ü. NN bis 1650 m ü. NN  in Garmisch-Partenkirchen und auf dem warmen und sonnigen Gelände von Gut Schwaiganger bei Ohlstadt (noch) möglich sein könnten.

Auch der Vorsitzende des Bayerischen Klimarats und frühere Leiter des MPI für Meteorologie, Prof. Hartmut Graßl, warnt für die Olympischen Winterspiele 2018 vor Schneemangel in Garmisch-Partenkirchen.

Schwaiganger, geplante Biathlon- und Funktionsflächen für 2018, schneefrei im Februar 2011 / ©goef-ad

2018 –  sieben Jahre – das ist genau die Zeitspanne, die uns nach Expertenmeinung für eine radikale Änderung der Klimapolitik noch bleibt.

Klimaprognosen und Klimapolitik

Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hat 2010 als das global wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1850 bezeichnet. Im Jahr 2010 und im Übergang zu 2011 haben weltweit riesige Überschwemmungen ganze Länder unter Wasser gesetzt, und die sogenannten „Jahrhundert-Hochwasser“ in Deutschland finden immer öfter und mitten im Winter statt – bedingt durch längere Wärmephase, verfrühte Schneeschmelze und Starkregenfälle im Winter.

Die global gemittelte Temperatur der Erde ist in den letzten 100 Jahren um etwa 0,9°C angestiegen, davon allein 0,6 °C in den zurückliegenden 30 Jahren.

Der Alpenraum ist vom Klimawandel besonders stark betroffen: Der Temperaturanstieg ist hier doppelt so hoch wie im globalen Durchschnitt. In Garmisch-Partenkirchen ist es seit 1972 um ca. 1,6 °C wärmer geworden.

Um gefährliche Störungen des Klimasystems zu vermeiden, müssen die Industrieländer bis zum Jahr 2020 ihre Treibhausgas-Emissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 vermindern.

Je später diese Reduktion kommt, desto höher steigen die CO2-Werte in der Atmosphäre – und desto gefährlicher werden die Folgen.

Das Klimaziel, den Temperaturanstieg auf 2°C zu „beschränken“, ist kaum noch einzuhalten. Doch auch bei „nur“ + 1,5°C globaler Temperaturerhöhung ist bereits mit schwerwiegenden Folgen und nicht-rückholbaren Kippvorgangen im Klimageschehen zu rechnen.

Schon 2007 rechnete der UN-Weltklimarat IPCC („Intergovernmental Panel on Climate Change – Zwischenstaatlicher Ausschuss Klimaänderung“) mit einer globalen Erwärmung um 2 bis 5 Grad Celsius im Laufe dieses Jahrhunderts – je nach Szenario der Treibhausgas-Senkung. Diese Werte werden inzwischen nach oben korrigiert:

Der Bericht „The Copenhagen Diagnosis“ (November 2009) kommt zu dem Schluss, dass ohne deutliche Verminderung der Emissionen die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um bis zu sieben Grad ansteigen könnte.

In der ganzen Menschheitsgeschichte gab es keine solch hohen Temperaturen auf der Erde.

Der Klimawandel äußert sich aber nicht „nur“ in linearer Erhöhung der Temperaturen: Längere Hitze- und Trockenperioden im Sommer und ebenfalls große Trockenheit und Wärmeperioden im Winter oder Starkniederschläge stellen schon heute eine ernste Gefahr für Alpen dar: Das Gefahrenpotential nimmt in allen Jahreszeiten zu.

Aber auch um die Schneesicherheit in den Skigebieten ist es schlecht bestellt. Nicht nur in den Alpen – das haben die hohen Temperaturen und der Schneemangel bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver gezeigt.

Wunsch und Wirklichkeit: Garmisch-Partenkirchen während der Ski Weltmeisterschaft 2011, kaum Schnee im Februar 2011 / ©goef-ad

In Bayern – und alpenweit – gibt es einen eindeutigen Trend zu schneeärmeren Wintern, kürzer andauernder Schneebedeckungen und geringeren Schneehöhen vor allem in den unteren und mittleren Höhenlagen – also genau da, wo auch die Pisten von Garmisch-Partenkirchen liegen:  im Bereich zwischen 740 m ü. NN bis 1650 m ü. NN.

Sogar höhere Lagen sind vom Klimawandel betroffen – das sieht man am schnellen Abschmelzen der Gletscher. (http://www.gletscherarchiv.de)

Das reale Wetter und die Klimaprognosen

Als „Spruch des Tages“ war im Gamisch-Partenkirchner Tagblatt vom 24.2.2011 zu lesen:

„Wir sind froh, dass wir jetzt wieder zurück im Schnee sind. Bei der letzten WM hatten wir ja nicht viel davon.“ Gian-Franco Kasper, Präsident der FIS kam gerade von der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen und hat bei der Nordischen WM in Oslo offenbar echten Schnee gefunden.

Kandahar mit Kunstschnee, 19.2.2011 / ©goef-ad

Die Prognosen für die Bewerbung „München 2018“ und die olympischen Schneewettbewerbe in Garmisch-Partenkirchen haben sich vor allem auf Aussagen von Prof. Dr. Wolfgang Seiler gestützt. Früher ein Warner vor dem Klimawandel, gehört der ehemalige Direktor des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung jetzt zu den Befürwortern der Bewerbung. Damit hat sich auch sein Prognoseverhalten verändert. Nun geht er in erster Linie davon aus, dass „die Anzahl der Tage (bzw. Nächte) mit niedrigen Temperaturen in der relevanten Zeitspanne zunimmt“. Die Witterungsbedingungen seien im Gebiet der Kandahar durch „besondere orographische Bedingungen“: z.B. „Abschattung durch Alpenkamm“ und „geringere Bewölkung und verstärkte Auskühlung in der Nacht“ geprägt (Prof. Seiler in der Anhörung der Grünen, 28.11.2008).

Daraus folgerte er: In den winterlichen Schattenlagen von Garmisch-Partenkirchen – also besonders im Bereich der Kandaharpisten – wirken sich die Schwankungen hin zu erhöhten Plusgraden im Winter und der stärkere Erwärmungstrend in den Alpen nicht negativ auf die Schneesicherheit aus.  Es werde zwar weniger Schnee fallen, dafür werde aber der künstlich erzeugte (wahrscheinlich) liegen bleiben.

Aber schon die Erfahrungen mit der WM im Februar 2011 zeigen, dass Garmisch-Partenkirchen nicht das „kleine Gallische Dorf im Klimawandel“ ist: Die Pistenpräparation geriet zur Daueraufgabe, denn die Tagestemperaturen lagen bei zweistelligen Plusgraden und auch nachts war es für die Jahreszeit viel zu warm.

Schneelos im Februar 2011, Wiese neben der Kandahar am 19.2.2011 / ©goef-ad

Die künstliche Beschneiung wird sich im Klimawandel von selbst erledigen, denn auch dafür braucht man Minustemperaturen.

„Snow-Box“ und ähnliche Kisten, in denen man angeblich bei bis zu + 35°C „beschneien“ kann, sind eher Eis- als Schneemaschinen und nicht für großflächige „Beschneiungen“ geeignet.

Aus dieser Sicht wird die Wahl von Gut Schwaiganger bei Ohlstadt als Austragungsort von Biathlon und Langlauf besonders absurd: Dort sollen die Anlagen und Loipen an einer sonnigen Südlage „temporär“ entstehen – mit 10 Kilometer  Beschneileitungen.

Zunächst war Oberammergau in der Bewerbung vorgesehen, aber der Passionsspielort wurde wegen der Proteste aus der Bevölkerung aus der Bewerbung genommen: Nur in Oberammergau hat man offenbar die Brisanz der Situation verstanden!

Ein Gutachten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) „Klimaverhältnisse im Hinblick auf die Bewerbung zu den Olympischen Winterspielen“ von Juli 2009 – extra in Auftrag gegeben vom Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit – bestätigt nur, dass sich die „allgemeine Erwärmung“ „deutlich beschleunigt“ hat und damit „im Mittel einen Rückgang aller Größen hinsichtlich der Schneesituation“ verursacht.

Aber man folgert: „Da sich bislang keine markanten Hinweise ergeben, dass sich außer der Temperatur auch noch andere Klimaparameter verändern, wird sich an dem vorgeschlagenen Zeitraum 31. Januar bis 15. Februar … nichts ändern: die Schneesicherheit wird auch in Zukunft in diesem Abschnitt am größten sein, auch wenn sie im Mittel in den nächsten Jahren etwas zurückgehen wird.“ (Gutachten des DWD)

Ein Gutachten, das nicht einmal die eigenen Hinweise des Deutschen Wetterdienstes berücksichtigt hat: „Geringe Änderungen bei den Mittelwerten können durchaus große Auswirkungen auf die statistische Verteilung der Extremwerte haben“ (Webseite DWD).


Zunahme der Wetterextreme im Klimawandel
und die Folgen:

Die absoluten Maxima an Föhntagen im Februar sind bereits angestiegen. Bei ansteigenden Extremtemperaturen und längeren Wämephasen – wie im Januar und Februar 2011 – liegen die Hauptrisiken der Klimaerwärmung. Was das für die Schneewettbewerbe heisst, zeigte sich zuletzt bei der Ski-WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen.

Wie soll das in sieben Jahren werden? Für Natur- wie für Kunstschnee wird es zu warm.

Noch extremer war die Schneesituation im Februar 2007 in Garmisch-Partenkirchen – und bei den Olympischen Winterspielen im Februar 2010 in Vancouver:

Die hohen Temperaturen und der ausgebliebene Kunst/Schnee – auch für die Schneekanonen war es zu warm – , hat die Olympischen Winterspiele in Vancouver/Whistler vor große Probleme gestellt. Schnee wurde mit Lkws und Hubschrauber weit transportiert und reichte trotzdem nicht aus. Regenfälle hatten die Alpin-Ski-Wettbewerbe stark behindert.

Um ein Ski-Weltcup-Rennen im Februar 2007 an der Kandahar stattfinden zu lassen, wurden etwa 3000 m³ Kunstschnee aus dem österreichischen Wipptal mit Lkw geholt und dann mit Hubschraubern auf den Berg geflogen.

Schneetransport zur Kandahar, Februar 2007 / ©goef-ad

Das Logo der Bewerbungsgesellschaft heisst: „Berge im Föhn“: Die Vision „Grüne Spiele“ könnte reale Bedeutung bekommen.

Ungeklärt bleibt in allen Prognosen auch die Frage, wie eine Nachnutzung der Anlagen nach dem kurzen „Olympischen Event“ 2018 im beschleunigten Klimawandel gewährleistet werden soll.

Angesichts des Klimawandels klingen die Aussagen der Bewerbung „München 2018“, die bisher „ökologischsten“ und „nachhaltigsten“ Olympischen Winterspiele durchführen zu wollen, nicht nur unglaubwürdig, sondern kommen einer bewussten (Selbst-)Täuschung gleich.