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Quo vadis, Öko-Institut?

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21.8.2014, aktualisiert 4.11.2015

Quo vadis? lat., „Wohin gehst du?“ (Duden)

Vom Umweltverein zur Umweltfirma
Das Öko-Institut wird immer größer. Gegründet 1977 als „Anwalt der Umweltbewegung“ ist das Öko-Institut (Freiburg-Darmstadt-Berlin) inzwischen nach eigenen Angaben „eine der europaweit führenden, unabhängigen Forschungs- und Beratungseinrichtungen für eine nachhaltige Zukunft“ geworden. Laut Webseite beschäftigt das Öko-Institut inzwischen 145 Mitarbeiter und macht rund 10 Millionen Euro Umsatz pro Jahr (Wikipedia). Aber Größe hat ihren Preis.

Ein Beispiel: RECS-Zertifizierung durch das Öko-Institut
Das zeigte sich spätestens bei der zweifelhaften Zertifizierung von „Öko“-Strom mit dem RECS-Label (Renewable Energy Certificate System), bei dem das Öko-Institut den deutschen „Issuing Body“ stellte (Wikipedia). „Das Öko-Institut gilt in Deutschland als Garant für korrekte Zertifizierung, verdient auch daran, muss deshalb, so Kritiker, ein Interesse am Vormarsch von RECS-zertifiziertem Strom haben. (…) Durch Dumping-Angebote von RECS-zertifiziertem Ökostrom geraten aber seriöse Anbieter mittlerweile unter Druck“ (Grumbach 8.2.2008).
RECS hatte als Partner u. a. die Stromkonzerne EdF, Eon und RWE (Scheer 13.12.2004). „Die deutsche RECS-Dependance befindet sich im Hause von Vattenfall in Hamburg, der Vorsitzende ist bei Vattenfall angestellt, sein Stellvertreter bei Eon“ (Janzing 7.1.2008).„Es erlaubt beispielsweise großen Wasserkraftwerken, den von ihnen produzierten Ökostrom virtuell in die Bestandteile „Öko“ und „Strom“ aufzuteilen und völlig unabhängig voneinander zu veräußern. Der Strom des Wasserkraftwerkes landet als ganz normaler ‚Graustrom’ im Netz, das Prädikat ‚Öko’ wird, symbolisiert durch die RECS-Zertifikate, an Energiehändler verkauft, die ihr Angebot ohne großen Aufwand ‚veredeln’ wollen“ (Greenpeace Energy 7.1.2008). Das ist ein geradezu klassischer Fall von Greenwashing
Der 2010 verstorbene Energiepolitiker Hermann Scheer, ein Experte für erneuerbare Energien, schrieb dazu bereits 2004: „Das deutsche Einspeisegesetz ist entscheidend für den Erfolg erneuerbarer Energien. Die Stromkonzerne wollen es zu Fall bringen. Das Öko-Institut steht ihnen dabei zur Seite“ (Ebenda). Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes bezeichnete RECS als „Täuschung des Verbrauchers“ (Lubbadeh 5.1.2008). Der damalige Geschäftsführer von Greenpeace Energy, Robert Werner, äußerte: „Das System ist eine Mogelpackung“ (Greenpeace Energy 7.1.2008).

Greenwashing von Sport-Großereignissen
Es fällt auf, dass ein Teil der Arbeit des Öko-Institutes darin besteht, Sport-Großereignisse klimaneutral zu rechnen und mit diversen Eingriffen als nicht umweltschädlich – „umweltschonend und nachhaltig“ – darzustellen. Die folgende, unvollständige Aufzählung der Arbeit des Öko-Institutes im Sport-Bereich ist der Webseite des Ökoinstitutes entnommen
– Entwicklung eines integrierten und innovativen Umweltkonzeptes für die Olympiabewerbung von Leipzig und Rostock 2000
– Green Goal – das Umweltkonzept für die Fifa Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006 (im Auftrag des DFB)
– Umweltbilanz zur Frauen-Fußball-WM 2011 (im Auftrag des DFB)
– Bewerbung um Olympische Winterspiele München 2018 und München 2022
– Konzeptionsphase für die Festlegung von Leitprojekten mit dem Ziel, die FIFA Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien umweltschonend und nachhaltig zu gestalten (Auftraggeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Berlin)
– Und nun sogar Katar: Carbon footprint analysis – Fifa World Cup 2022 Qatar

Bewerbungen München 2018 und München 2022
Für die Bewerbung München 2018 hatte das Ökoinstitut ein „integriertes, innovatives Umweltkonzept“ (Auftraggeber: Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH) erarbeitet. Unter „18 Gründe: ‘Innovative’ Umwelt-Leitprojekte?“ hatten wir uns als Nolympia-Netzwerk damit ausführlich befasst. Andreas Keller von Nolympia Garmisch-Partenkirchen bezeichnete dieses Umweltkonzept als “Grünwaschung” (Greenwashing) und schrieb:
„Im Auftrag der Bewerbungsgesellschaft stellen die Deutsche Sporthochschule Köln und das Öko-Institut e.V. ein Umwelt- und Naturschutzkonzept mit 18 ‚innovativen’ Umwelt-Leitprojekten vor. Es ist die Aufgabe der Natur- und Umweltschützer, im umfangreichen Werk (115 Seiten) die Plattitüden und Selbstverständlichkeiten von den brauchbaren Ideen zum Umweltschutz zu trennen: Von der Vision eines ‚grünen Vermächtnisses’, mit dem das Papier angekündigt wird, ist nichts zu erkennen.“ Als Fazit bleibt: „Im ‚innovativen’ Umweltkonzept mit 18 Leitprojekten München 2018 der Bewerbungsgesellschaft werden längst praktizierte Selbstverständlichkeiten und die Einhaltung bestehender Gesetze als ‚Vision’ vorgeschlagen. (…) Statt auf Vermeidung des CO2-Austoßes und der Schädigung von Natur und Umwelt setzt man auf eine angebliche ‚Neutralisierung’ dieser Folgen. Die Probleme des Klimawandels und der Umweltzerstörung will man hierbei mit einer Art modernen Ablasshandels lösen.“
Auch im Vorfeld der – mit dem 4:0 Ergebnis des Bürgerentscheids vom 10. November 2013 – abgewendeten Olympiabewerbung München 2022 war ein Umweltkonzept als Diskussionsgrundlage für den Gremiendurchlauf erarbeitet worden.
Und auch die Bewerbung von Hamburg 2024 begleitet natürlich das Öko-Institut. Der Hamburger Senat zur Auftragsvergabe: „Gegenstand des Auftrages ist die ganzheitliche, qualifizierte sowie fristgerechte Planung, Koordinierung und Erstellung der Bid Books. Bestandteil dieses Auftrages ist die Prüfung der Umweltwirkungen der Spiele und die Entwicklung eines Nachhaltigkeitskonzepts sowie eines Umweltmanagementsystems. Die Bietergemeinschaft hat hierfür das Öko-Institut Freiburg und die Sporthochschule Köln als Partner gewonnen“ (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft, Drucksache 21/795, 16.6.2015).
Honi soit qui mal y pense. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt…

Öko-Institut auch bei Hamburg 2024 dabei
Die Agentur Proprojekt und das Architekturbüro AS&P, die mit der Erstellung der Bewerbungsunterlagen beauftragt sind, „haben ihrerseits das Öko-Institut Freiburg und die Sporthochschule Köln mit der Durchführung eines Umwelt-Screenings und eines Nachhaltigkeitskonzepts unterbeauftragt“ (Position des Zukunftsrats zur Olympia-Bewerbung Hamburgs: Ja oder nein zu Olympia – eine Vertrauensfrage, Hamburg 27.10.2015).

Vergleiche auch: Greenwashing; WBA-Institute

Quellen:
Greenpeace Energy, PM Pauschalverdacht gegen Ökostrom falsch, Hamburg 7.1.2008
Grumbach, Detlef, Etikettenschwindel bei grünem Strom, in deutschlandfunk.de 8.2.2008
Janzing, Bernward, Legale Stromwäsche, in taz.de 7.1.2008
Lubbadeh, Jens, Stromanbieter verkaufen Atomstrom als Ökostrom, in spiegelonline 5.1.2008
Öko-Institut
– Sport und Kultur, 2014
– Sportgroßveranstaltungen: Begeisterung und Umweltschutz. Geht das überhaupt? 2014
Scheer, Hermann, Kommerzieller Kurzschluss, in taz.de 13.12.2004
www.oeko.de
Wikipedia