9.1.2015, aktualisiert 28.7.2015
Vorgeschichte: Vier US-Bewerber
New York und Philadelphia hatten im Juni 2014 eine Bewerbung für 2024 abgelehnt. Das USOC hatte angeblich Bewerber für 2024 aus Boston, Los Angeles, San Francisco und Washington. Es behandelte die endgültige Wahl des Bewerberortes „ungewöhnlich geheimnisvoll“ (Powers 11.6.2014). Mark Arsenault und John Powers schrieben im Boston Globe: „Von den vier Städten, die in Betracht gezogen wurden, hat Boston die wenigsten Erfahrungen mit Olympischen Spielen“ (Arsenault, Powers 8.1.2015; Hervorhebung WZ). San Francisco bekam die Spiele 1932 und 1984 und unterhält eine ständige Organisation, die sich jedesmal um mögliche Olympische Sommerspiele kümmert; San Francisco verfolgte die Spiele 2008, für die die USOC aber keine Bewerbung abgab, und Washington bewarb sich um die Spiele 2012 (Ebenda). Eine Umfrage des Boston Globe hatte im Sommer 2014 ergeben, dass 47 Prozent der Bostoner für und 43 gegen die Bewerbung votierten (Oldörp 10.1.2015).
Das USOC rechnet mit fünf Milliarden US-Dollar Kosten, wobei der Staat angeblich keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellt (AP 27.11.2014). Chris Dempsey und Liam Kerr von No Boston Olympics nennen dagegen durchschnittliche Kosten von 19,2 Milliarden Dollar für Olympische Sommerspiele (Dempsey, Kerr 6.1.2015
Die USA hatten sich bereits – vergeblich – mit New York (2012) und Chikago (2016) beworben. Aber der US-Fernsehsender NBC hat für die amerikanischen Fernsehrechte bis 2032 7,75 Milliarden Dollar bezahlt. Das wird als Argument für die Vergabe der Olympischen Spiele 2024 durch das IOC an die USA gewertet (Powers 11.6.2014). Dazu ist nach Peking 2008, Sotschi 2014 und Almaty/Peking 2022 das IOC genötigt, einem demokratischen Bewerber aus der westlichen Hemisphäre eine Chance zu geben. Und ein weiteres Hindernis ist ausgeräumt: „Früher standen dem USOC 12,75 Prozent der Fernseh- und 20 Prozent der Sponsorengelder zu, jetzt ist die Summe auf 500 Millionen Dollar gedeckelt“ (Aumüller 18.12.2014).
Chef von Baukonzern Suffolk Constructions trieb Boston 2024 an
Der Journalist Evan Horowitz gab im Boston Globe zu bedenken, dass die Boston-2024-Bewerbung nicht von der Stadt oder dem Staat getragen wird, sondern von einer Außenseitergruppe, die sich Boston 2024 Partnership nennt. Ihr Vorsitzender ist John Fish, bezeichnenderweise auch der Vorstandsvorsitzende des Baukonzerns Suffolk Constructions, der nach eigenen Angaben rund 2,5 Milliarden Dollar Jahresumsatz macht. Fish „tauchte als Leiter von Boston 2024 auf und brachte ein ‚Who is Who‘ der Geschäftsmänner und politischen Führer mit, wie Bob Reynolds, Vorstandsvorsitzender von Putnam Investments; Robert Kraft, Eigentümer der American-Football-Mannschaft New England Patriots; Jeff Mullan, den ehemaligen Verkehrsminister von Massachusetts; Edward F. Davis, den ehemaligen Bostoner Polizeichef und Daniel O’Connell, ehemaliger Wirtschaftsminister Massachusetts“ (Arsenault, Powers 8.1.2015; Übersetzung WZ). „Das zusammengestellte Untersuchungskomitee war alles andere als neutral: Es wurde aus olympischen Antreibern zusammengestellt. Kein ortsansässiger Ökonom war im Komitee vertreten, und dessen Bericht enthielt keine unabhängigen Kostenschätzungen“ (Chieppo 7.1.2015). – „Die Hintermänner von Boston 2024, einer privaten Instanz, die dem USOC die Bewerbung eingereicht hat, aber sich weigerten, diese zu veröffentlichen, glauben, dass sie der Spitzenreiter sind – sie schätzen die Chancen Bostons auf 75 Prozent“ (Dempsey, Kerr 6.1.2015; Hervorhebung WZ).
Boston 2024 Partnership gibt rund 4,5 Milliarden $ an Kosten an, eine Zahl, die nicht unabhängig überprüft wurde. Die Bostoner Bürger lehnen Steuergelder für Olympische Sommerspiele zu 64 Prozent ab. „Wie aber Neubau und voraussichtliche Entsorgung eines Olympiastadions, einer Schwimm- und einer Radhalle bei einem Budget von 4,5 Milliarden Dollar privat finanziert werden können, hat die Lobby-Organisation ‚Boston 2024 Partnership‘ noch nicht vorgerechnet. Dass sie zusätzlich von der öffentlichen Hand erwartet, 15 Milliarden Dollar in die Infrastruktur der Region zu stecken, provoziert Kommentare wie den in der Zeitung ‚Boston Globe‘, wonach die Spiele den Bauunternehmen am Ort gut täten und den Einwohnern einen kurzen Ausbruch von Glück verschafften, mehr nicht“ (Reinsch 9.1.2015).
Cambridge, am Charles River gegenüber von Boston gelegen, lehnte als erste Nachbarstadt offiziell die Bewerbung Boston 2024 am 8.12.2014 ab. Grund war ein Mangel an Transparenz zwischen den offiziellen Vertretern und der Boston 2024-Kampagne. Dennis Carlone, ein Stadtrat von Cambridge, sagte einer Bostoner Zeitung: „Wir verstehen die Bewerbung überhaupt nicht, und wir wollen der Bevölkerung mitteilen, dass wir nicht überrollt werden möchten… Ich bin grundsätzlich ein Optimist, aber ich sehe keinen Plan, keine Strategie und keine echte Kommunikation dabei“ (Bauer 11.12.2014; Übersetzung WZ).
Boston 2024
Das Olympische Komitee der USA (USOC) unter seinem Vorsitzenden, dem IOC-Mitglied Larry Probst, entschied sich am 8.1.2015 für Boston als US-Bewerber für Olympische Sommerspiele 2024. Probst: „Wir freuen uns darauf, eine Bewerbung für die Sommerspiele 2024 einzureichen und glauben, dass wir mit Boston einen unglaublich starken Partner haben“ (spiegelonline 9.1.2015).
Entschieden haben die Wahl Bostons 15 Vorstandsmitglieder der USOC, in der Mehrzahl ehemalige Athleten und Geschäftsleute, die eng mit den Olympia-Sponsoren in Verbindung stehen und im Übrigen keine demokratische Legitimation haben (Dempsey, Kerr 6.1.2015). Scott Blackmun, der USOC-Hauptgeschäftsführer sagte, dass Boston gewann, weil die Geschäftsleute und die gewählten Funktionäre für den Erfolg kämpften (Arsenault, Powers 8.1.2015). Bostons Bürgermeister Martin J. Walsh stand der Bewerbung zunächst skeptisch gegenüber, wurde dann aber zu einem strammen Befürworter (gemacht). Bei der Wahl Bostons durch das USOC sagte er dann das, was die Bürgermeister von gesetzten Austragungsorten so sagen: „Unser Ziel ist es, Olympische und Paralympische Spiele durchzuführen, die innovativ, fußläufig erreichbar und gastfreundlich sind“ (Ebenda). Und trotz der klaren Niederlage der Bewerbung von Chikago 2016 im Oktober 2009 in Kopenhagen – in Anwesenheit von Präsident Barack Obama und der First Lady – kam aus dem Weißen Haus eine Presseerklärung, dass der Präsident und die First Lady hoffen, die Athleten aus der ganzen Welt 2024 in Boston willkommen zu heißen (Ebenda). Im September 2017 wird das IOC in Lima über die Vergabe entscheiden.
Kein Wort des USOC fiel übrigens zum furchtbaren Anschlag beim Boston Marathon im April 2013 mit drei Toten. Gegen den mutmaßlichen Bombenleger Dschochar Zarnajew wird gerade in Boston der Strafprozess eröffnet: „Die US-Regierung möchte ihn zum Tod verurteilen“ (Richter 10.1.2015).
Und man kann sich leicht vorzustellen, welche Kosten und welcher Aufwand für Sicherheit nach den Terroranschläge von Paris Anfang Januar 2015 bei Olympischen Spielen 2024 in den USA (oder anderswo) entstehen würden. Und außerdem: „Viele Bürger Bostons denken wie die Münchner: Sie fragen sich, ob der Größenwahn Olympias zu ihnen passt“ (Richter 10.1.2015).
Und erst nach der in Hinterzimmern ausgemauschelten Vergabe an Boston sollen nun neun Meetings mit den Bürgern stattfinden, in denen die Vorzüge – und nur die Vorzüge – von Boston 2024 dargestellt werden (Morgan 11.1.2015).
Die wahren Kosten
Die Kosten von London 2012 waren anfangs mit vier Milliarden Dollar angegeben worden. Gemäß dem Wirtschaftsprofessor Andrew Zimbalist haben die dortigen Spiele zwischen 15 und 20 Milliarden $ gekostet (Oldörp 10.1.2015). Für Rio 2016 wird ein ähnlicher Betrag angesetzt. Tokio 2020 strengt sich gerade an, die olympische Kostenexplosion einzudämmen.
Evan Horowitz erwähnt neben Zimbalist auch den Ökonomen Victor Matheson: Beide haben – wie andere Ökonomen in vielen anderen Studien – herausgefunden, dass der ökonomische Nutzen Olympischer Spiele entweder nicht existiert oder extrem gering ist. “Vermutlich sind 15 bis 20 Milliarden $ ein realistischer Wert, um für drei Wochen im internationalen Blitzlicht zu stehen und die Olympischen Spiele durchzuführen” (Horowitz 18.11.2014; Übersetzung WZ).
Vergleiche auch im Kritischen Olympischen Lexikon: Kosten Olympischer Spiele
No Boston Olympics
Die Gegenbewegung No Boston Olympics ist eine lose organisierte Gruppierung, die schon länger vor der Vergabe des USOC an Boston versuchte, die Bewerbung zu stoppen, die sie für eine kostspielige Zeitverschwendung hielt. „Von den US-Kandidaten Los Angeles, San Francisco, Washington und Boston war die Hauptstadt von Massachusetts der einzige, der bereits im Vorfeld seine eigene Protestbewegung hatte. Dass sich das nationale Olympische Komitee USOC dennoch für Boston entschieden hat, zeugt entweder von Naivität oder aber nahezu grenzenlosem Optimismus“ (Oldörp 10.1.2015; Hervorhebung WZ).
Die Bürgerbewegung No Boston Olympics hat eine eigene Webseite: hier.
Am 8.12.2014 fand eine Diskussion zwischen der Vertreterin von Boston 2024, Juliette Kayyem und dem Vertreter von „No Boston Olympics“, Chris Dempsey statt. Zur mangelnden Transparenz der Bewerbung meinte Kayyem die Veröffentlichung von zu viel Information würde Bostons Wettbewerbsvorteil ruinieren (Bauer 11.12.2014).
Das ist eine beliebte Floskel im olympischen Business, um instransparente Verhältnisse zu schaffen.
Am 6.1.2015 schrieben die stellvertretenden Vorsitzenden von No Boston Olympics, Chris Dempsey und Liam Kerr in einem Beitrag für den Boston Globe, warum Boston bei einer Niederlage der olympischen Bewerbung gewinnen würde. Sie schätzen die durchschnittlichen Gesamtkosten Olympischer Sommerspiele, wie schon erwähnt, auf 19,2 Milliarden US-Dollar. Die Bewerbung Chikago 2016 hatte bereits geschätzte 100 Millionen Dollar gekostet. Die Regierung der USA werden den Druck auf Boston erhöhen, damit die Bewerbung gewonnen wird, egal wie viel es den Steuerzahler kostet. In privaten Treffen werden die Antreiber von Boston 2024 dem IOC teurere und aufwändige Vereinbarungen versprechen – und vor der Öffentlichkeit die millionenschwere Bewerbung als „verantwortungsvoll“ und „sparsam“ bezeichnen. „Falls Bostons Bewerbung vorangeht, wird dies ohne jegliche fundierte Richtlinien eines öffentlichen Verfahrens geschehen. Boston 2024 hat keine einzige öffentliche Sitzung abgehalten, bevor die Bewerbung dem USOC übergeben wurde“ (Dempsey, Kerr 6.1.2015). Die Bewerbungsdokumente wurden bereits vor einem Monat den 15 USOC-Mitgliedern übergeben, ohne dass daraus bis heute etwas bekannt geworden ist (Ebenda).
Erfolgt 2017 der IOC-Zuschlag für Boston, müsste das Organisationskomitee Grundstücke enteignen bzw. beschlagnahmen, um die olympischen Sportstätten bauen zu können – u. a. für ein temporäres Stadion für 60.000 Zuschauer, das sechs Wochen nach den Spielen wieder abgerissen würde. Mit den Einnahmen der Lottogesellschaft des Staates Massachusetts müssten die Finanzlöcher gestopft werden: Mit dem Geld wird üblicherweise die öffentliche Versorgung in den Städten und Orten unterstützt. „Massachusetts sieht sich im nächsten Jahrzehnt enormen Herausforderungen gegenüber, unter anderem billigen Wohnraum zu schaffen, die Lücken im Erziehungssystem zu schließen und die Verkehrsinfrastruktur zu stärken. Die Bewerbung Boston 2024 droht die Ressourcen aufzusplittern und die Aufmerksamkeit von den wirklichen Herausforderungen abzulenken – und das alles für die Möglichkeit, ein grelles Sechs-Wochen-Event durchzuführen, dass gemäß unabhängiger ökonomischer Untersuchungen die lokale Wirtschaft nicht verbessert. Bostoner sollten die Daumen drücken und hoffen, dass das USOC die US-Bewerbung woanders vergibt“ (Ebenda).
Nach der Vergabe an Boston sagte Chris Dempsey: „Olympia zwingt dich, eine Menge Sachen zu bauen, aber das sind Sachen, die niemand braucht“ (Aumüller 10.1.2015). Die Spiele würden die Steuerzahler zu teuer kommen, und eine solch wichtige Angelegenheit sollte nicht ohne öffentliche Abstimmung ablaufen (Morgan 11.1.2015).
Boston 2024: „Furchtbare Idee“
– „Fünf Gründe, warum die Austragung Olympischer Spiele eine furchtbare Idee ist.“ So nannte der Journalist Saul Tannenbaum seinen Beitrag im November 2014 zur Bewerbung Boston 2024 und führte die fünf Gründe an: 1. Der Olympische Bewerbungsprozess ist korrupt. 2. Der Olympische Planungsprozess ist undurchsichtig und läuft ohne öffentliche Beteiligung ab. 3. Die Olympischen Spiele enden nie gut für den Austragungsort. 4. Die vermuteten “Gewinne” sind etwas, wofür die Steuerzahler aufkommen müssen. 5. Die Metropole Boston wird praktisch zu einem Polizeistaat (Tannenbaum 26.11.2014; Übersetzung WZ).
Diese fünf Gründe gelten natürlich auch für die Bewerbung des DOSB um Olympische Sommerspiele 2024 in Hamburg und Berlin.
Fazit
Der Eigentümer eines Baukonzerns setzte mit Geschäftsfreunden unter Umgehung der Öffentlichkeit mehr oder weniger im Alleingang die Bewerbung Boston 2024 durch. Ein zunächst skeptischer Bostoner Bürgermeister wurde auf Linie gebracht. 15 Ex-Sportler und Geschäftsleute der USOC-Exekutive wählten Boston. Eine demokratische Legitimation gab und gibt es nicht. Die Bewerbung selbst wird bis heute geheim gehalten. Besonders bemerkenswert: Die US-Sportsfreunde haben das alles unter sich ausgehandelt. Die Politik hat zu applaudieren. Und die Bevölkerung hat die milliardenschweren Defizite zu bezahlen.
So sieht also die Agenda 2020 des IOC in Wirklichkeit aus.
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Ab jetzt sind Informationen zu Boston 2024 in der Chronologie.
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Nachtrag 1: Olympische Sportdemokratur in Boston angekommen
„Falls Sie ein städtischer Angestellter von Boston sind, gibt es nun ein offizielles Dekret: Sprechen Sie nicht schlecht über die Olympischen Spiele“(Levenson, Michael, Walsh OK’d ban on criticism of Olympic bid, in bostonglobe.com 21.1.2015; Hervorhebung WZ). Bürgermeister Martin J. Walsh hat mit dem Olympischen Komitee der USA (USOC) ein Abkommen getroffen, das städtischen Beschäftigten verbietet, die Bewerbung Boston 2024 zu kritisieren. Das gemeinsame Abkommen zwischen Boston und dem USOC verbietet der Stadt Boston und ihren Beschäftigten, schriftliche oder mündliche Bekundungen abzugeben, die das USOC oder die Olympischen Spiele verunglimpfen oder herabsetzen und schädlich für deren Ansehen sind. Sarah Wunsch von der „American Civil Liberties Union“ von Massachusetts äußerte, dass das Agreement von Walsh und dem USOC offensichtlich die Redefreiheit der städtischen Angestellten einschränkt und hält dies für verfassungswidrig. Sie forderte Walsh auf, diese Vereinbarung sofort zu revidieren, sodass Lehrer, Feuerwehrleute und andere auf den neun geplanten städtischen Treffen frei reden könnten. Walsh betonte, er wolle nicht die Diskussion über die Bewerbung behindern, aber es handelte sich um eine „Standardklausel“: „Die Klausel stand in der Vereinbarung, und wir haben sie unterschreiben müssen“ (Ebenda). USOC-Sprecher Patrick Sandusky verteidigte die Abmachung ebenfalls als „Standardklausel-Vereinbarung“.
Hallo, Herr IOC-Präsident: Ist das die versprochene neue Demokratie und Transparenz der IOC-Agenda 2020?
Nachtrag 2: Referendum in Boston?
Der stellvertretende Vorsitzende von „No Boston Olympics“, Chris Dempsey, kündigte an, dass die Opposition von zu Boston 2024 überlegt, entweder 2016 eine Abstimmung im ganzen Bundesstaat oder 2015 zur Stadtratswahl zu organisieren. Im ersten Fall wären 65.000 Unterschriften von Stimmberechtigten nötig, für die Abstimmung nur in Boston wären 40,000 Unterschriften Stimmberechtigter nötig. Auch würden gesetzliche Überlegungen angestellt, die entweder die Spiele ganz verhindern oder zumindest den derzeitigen Entwurf verbessern sollen (Marcelo, Philip, Opponents weigh referendum on Boston’s 2024 Olympic bid, in yahoo.com 26.1.2015).
Nachtrag 3: Boston 2024 schwächelt
Im Januar 2015 lagen die Befürworter von Olympischen Sommerspielen in Boston bei 51 Prozent, 33 Prozent waren dagegen. Dann kam der Zuschlag vom USOC – von oben, ohne jegliche demokratische Legitimation. Mittlerweile liegen die Gegner mit 46 Prozent vorn, die Befürworter liegen bei 44 Prozent (Goddard, Emily, Bad weather leads to opposition growing to Boston 2024 Olympic bid, new poll claims, in insidethegames.biz 19.2.2015). Das interessiert allerdings bei diesem völlig willkürlichen und undemokratischen Prozess niemand der Offiziellen.
Nachtrag 4: Wackelt Boston 2024?
Evi Simeoni berichtete in der FAZ über Neuigkeiten aus Boston, dem Favoriten für 2024: „Die Zustimmung in der Bevölkerung wackelt, die Medien schießen zum Teil scharf, und die Politik spielt ihre Spielchen. Mitte Februar ergab eine Umfrage des Radiosenders WBUR, dass die Zahl der Olympia-Befürworter in Boston von 51 auf 44 Prozent gesunken ist – die Gegner haben deutlich zugelegt, von 33 auf 46 Prozent. (…) Mittlerweile allerdings wächst die Kritik daran, dass die Politik das Projekt ohne ein Bürgervotum unterstützt. Nicht erst seit herauskam, dass der ehemalige Gouverneur Deval Patrick für seine Einsätze als Botschafter der Bewerbung einen Tagessatz von rund 7000 Euro berechnet, reagieren die Bostoner allergisch auf Zahlenangaben. Auch die Tatsache, dass er eine ganze Seilschaft von politischen Mitstreitern im Bewerbungskomitee plaziert hat, sorgt für Befremden. Den Beteuerungen, die Spiele würden ohne Steuergelder auskommen, glaubt kaum jemand (Simeoni., Evi, Boston als Beispiel für die nächste Phase, in faz.net 16.3.2015). Dazu rechnete der Boston Globe das Budget nach und kam zu dem Schluss, dass die projektierten Kosten von 4,7 Milliarden Dollar bei weiutem nicht reichen. Das Durchführungsbudget (OCOG-Budget) liegt bei 4,7 Milliarden Dollar, das Non-OCOG-Budget bei bei 3,4 Milliarden Dollar und das Infrastruktur-Budget bei 5,2 Milliarden Dollar. „Wobei die letzte Position von dem Versprechen, den Steuerzahlerr zu verschonen, ausgenommen ist“ (Ebenda). Und das sind Kostenschätzungen, die neun Jahre vor 2024 erstellt werden – wie sieht es dann erst 2020 oder erst recht 2024, 2026 aus? „“Der Ökonomieprofessor Andrew Zimbalist erläuterte in einem Artikel, dass Sommerspiele seit 1976 im Durchschnitt 252 Prozent der ursprünglichen Berechnungen gekostet hätten, und erschreckte seine Leser mit der daraus folgenden Summe von 28,5 Milliarden Dollar (27,14 Milliarden Euro)“ (Ebenda).
Nachtrag 5: Zustimmung steil fallend
Eine Umfrage unter (allerdings nur) 504 Bewohnern des Boston-Gebietes ergab für die Monate von Januar bis März 2015 folgendes Bild für Boston 2024:
Januar 2015 Februar 2015 März 2015
Zustimmung: 51% 44% 36%
Ablehnung 33% 46% 52%
Weiß nicht/Keine Aussage 16% 10% 13%
(Quelle: WBUR/MassINC Polling Group live telephone surveys, in wbur.org 20.3.2015)
Eine Präsentation von NOBOSTONOLYMPICS findet sich hier
Nachtrag 6: Leserbrief von Diane Simpson zu Boston 2024: „Das ist nicht die Bewerbung von Boston. Es ist die Bewerbung von unserer Schattenregierung, der Boston-2024-Gruppe.Diese Gruppe verhandelt mit nationalen und internationalen Organisationen im Namen der Bürger von Boston, aber ohne unsere Erlaubnis. Solange bis ein Referendum abgehalten wird mit dem Ergebnis, dass die Bürger dieser Stadt dieses Unterfangen stark unterstützen, muss es angehalten werden. (…) Die hohen Herrscher von Boston 2024 sollen uns nicht mehr wie Konsumenten behandeln. Wir sind Bürger, und das ist unsere Stadt. Sie wollen öffentlichen Grund und Boden, und sie wollen das Versprechen öffentlicher Gelder zur Unterstützung ihrer Pläne. So sollten wir aufhören, über Märchengeschichten zu reden, bis wir herausfinden, ob die Bewohner von Boston diese Geschichte überhaupt aufgeführt haben möchten“ (Until there is a referendum, this will not be ‚Boston’s bid‘, in bostonglobe.com 18.3.2015).
Nachtrag 7: Abstimmung in Boston UND im US-Staat Massachusetts. Angesichts der derzeit 52 Prozent Ablehnung sagte der Vorsitzende von Boston 2024, Richard Davey, dass die Boston-2024-Gruppe ohne öffentliche Unterstützung nicht weitermachen wird. Nun sollen aber nicht nur die Bewohner von Boston, sondern der ganze Staat Massachusetts befragt werden. Nach wie vor sollen keine staatlichen Gelder eingesetzt werden und den Steuerzahler belasten: Allerdings sollen – und das ist neu -, die auf eine Milliarde Dollar odere mehr geschätzten Sicherheitskosten von der Regierung übernommen werden. Auch das USOC hat keinen Einwand gegen ein Referendum (Arsenault, Mark, Olympic group won’t continue without public’s backing, in Boston Globe 23.3.2015). – „Allerdings ließ er (Richard Davey; WZ) offen, wann und in welcher Form die Einwohner von Boston und des US-Bundesstaates Massachusetts befragt werden sollen. Denkbar seien ein Wahl-Votum oder eine Meinungsumfrage kurz vor Ablauf der Bewerbungsfrist. (…) Mit einem Zehn-Punkte-Plan, veröffentlicht in ganzseitigen Anzeigen im ‚Globe‘ und ‚Boston Herald‘, wird um das Vertrauen der Bürger geworben“ (Boston erwägt, bei Olympia-Bürgerbefragung zu tricksen, in spiegelonline 24.3.2015). Der Präsident von Boston 2024, John Fish, war zuerst gegen ein Referendum. Nun treibt er die Befragung von Stadt und Staat weiter und versprach: „Wenn die Menschen also in Massachusetts dafür sind, in Boston selbst aber dagegen, werden wir die Bewerbung nicht weiter vorantreiben“ (DPA, Boston will klares Ja der Bürger, in sueddeutsche.de 24.3.2015). „No Boston Olympics“ wird bei der Vorbereitung des Referendums mitarbeiten, „um die richtige Wortwahl zu finden“ (Ebenda).
Schaun mer mal…
Nachtrag 8: Boston 2024 – Fehler und späte Erkenntnisse. In der New York Times erschien Ende März ein Artikel von Katharine Q. Seelye und Jeré Longman (In Boston Olympic Bid Vote, More is at stake Than Games, 30.3.2015). Er beschreibt den raschen Niedergang der Zustimmung, der nur noch bei 36 Prozent liegt, „einer der schwächsten Unterstützungswerte, die je in einer potentiellen Olympiastadt verzeichnet wurde“ (Ebenda). Falls Boston 2024 scheitert, würde dies – nach den Niederlagen von New York (2012) und Chikago (2016) auch ein schlechtes Licht auf das Nationale Olympische Komitee der USA (USOC) werfen. Unklar blieb, warum das USOC Boston überhaupt auf den ersten Platz gesetzt hat. Aus heiterem Himmel wurde Boston gewählt. Angeblich haben USOC-Umfragen in allen vier Städten (dazu Los Angeles, San Francisco und Washington) positive Ergebnisse gebracht. Und dann wurden die konkreten Pläne geheim gehalten, angeblich, um den Mitbrwerrbern keine Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.
Dieser (vorgeschobene) Grund wurde auch bei den Bewerbungen München 2018 und München 2022 genannt – in Wirklichkeit will das jeweilige Nationale Olympische Komitee die Bevölkerung nicht einbeziehen.
Nun bemerkt die rein private Boston-2024-Gruppe, dass die Bevölkerung aufgrund der fehlenden Transparenz nicht dahinter steht. Es wurde zu viel mit gewählten Volksvertretern und Interessensgruppen geredet – und zu wenig mit den Bürgern. Auch wurden Grundstückseigner durch die Geheimhaltung zu wenig einbezogen. Den städtischen Mitarbeitern hätte vertraglich verboten werden müssen, die Bewerbung zu kritisieren und exorbitante Kosten zu enthüllen.
Theoretisch könnte das USOC vor dem 15. September 2015 noch eine der anderen Städte ins Rennen schicken. Aber das IUSOC steht hinter der Wahl von Boston. Die Bostoner sind in einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über Kostenüberschreitungen und fie finanzielle Schröpfung der Steuerzahler. Rom 2020 hat zurückgezogen, dazu Oslo, München, Krakau und Davos-St. Moritz für 2022 – „eine regelrechte Parade von Rückzügen für die Olympischen Winterspiele 2022“ (Ebenda). Und eine der wichtigsten Beschwerden bei Boston 2024 ist, dass eine Geheimverbindung von Geschäftsleuten und Baumagnaten, die von den Spielen profitieren, den ganzen Bewerbungsprozess gekapert haben (Ebenda).
Nachtrag 9: Leni Riefenstahl und Boston 2024. „Die bislang größte Peinlichkeit war die Sache mit Leni Riefenstahl. Vor etwa zwei Wochen verschickte das Bewerbungskomitee, das die Olympischen Sommerspiele 2024 nach Boston bringen will, via Twitter eine Liste mit zehn Filmen mit Bezug zu Olympia – verbunden mit dem Hinweis: Lassen sie sich am Wochenende doch auf ihrer Couch inspirieren. Nummer eins auf der Liste: ‚Olympia‘ von Leni Riefenstahl. Der Tweet ist mittlerweile gelöscht, doch dass »Boston2024« den Film einer Regisseurin empfahl, die ein enges Verhältnis zu Adolf Hitler pflegte und dessen Ideologie verbreitete, ist mindestens ein PR-Desaster. Auf der Liste fand sich übrigens auch der Film ‚Munich‘ von Hollywood-Gigant Steven Spielberg über das Olympiaattentat 1972 in München. Das alles mit dem Hinweis versehen ‚Get inspired'“ (Häberlein, Thomas, Kortus, Dominik, Olympia 2024: Der Favorit zerlegt sich selbst, in neues-deutschland.de 2.4.2015).
Nachtrag 10: Referendum – im November 2016! „Es wird ein Referendum darüber geben, ob die Bürger von Boston und Massachusetts die Spiele wollen. ‚Ein Referendum ist eine gute Sache‘, sagte Walsh, und John Fish, der umtriebige Präsident von »Boston2024«, ergänzte fast demütig: ‚Ganz ehrlich: Wir haben nicht alle Antworten. Aber wir werden sie haben, ehe das Referendum beginnt.‘ Besagtes Referendum soll am 8. November 2016 stattfinden. Ja, 2016 – nicht 2015. Es wird der Tag sein, an dem die USA ihr neues Staatsoberhaupt wählen“ (Ebenda).
Das hat für die private „Boston-2024-Group“ zwei vermeintliche Vorteile: Die Wahlbeteiligung des Referendums wäre dadurch höher, wenn die Bürger ihren Präsidenten wählen: Sonst würden, wie befürchtet und üblich, eher die Gegner Boston 2024 abwählen. Und bis zum 8.11.2016 ist schon so viel Geld investiert worden, dass die Bewerbung als ein Fakt durchgeht – acht Monate vor Vergabe der Spiele 2024.
Nachtrag 11: Boston 2024 im April 2015.
In der New York Times stellte Juliet Macur fest, dass es nicht so aussieht, als ob Boston die Olympischen Spiele 2024 haben wolle. Die Bostoner wollten dagegen bessere Schulen, und Sozialprogramme. „Das USOC mag jetzt vielleicht erröten, aber es hat sich selbst in diese Lage gebracht, indem es Boston auf die erste Stelle setzte – es hätte wissen müssen, dass es in letzter Zeit eine Flut von Städten gegeben hat, in denen die Mehrheit der Bürger gegen Olympische Spiele waren“ (Macur, Juliet, If 2024 Olympic Bid Is a Hot Potato, Boston Has No Appetite, in nytimes.com 2.4.2015). Macur erwähnt an dieser Stelle München, St. Moritz/Davos, Krakau, dazu die Bewerbung Wien 2028. Das USOC nahm die bei einer eigenen Umfrage festgestellte Zustimmung in Boston von 50,01 Prozent für bare Münze, obwohl dies wohl der Gipfel der Zustimmung war, die danach permanent von 44 Prozent auf nunmehr 36 Prozent fiel. Dagegen betrug die Zustimmung in Los Angeles 80 Prozent (Ebenda).
Im Boston Herald machte sich Joe Fitzgerald über die Crew der Bewerbung Boston 2024 lustig. John Fish, Vorstandsvorsitzender des Baukonzerns Suffolk Constructions, verschwende seine wertvolle Zeit mit einer missglückten Bewerbung 2024. Dazu käme eine unfähige Mannschaft, die viel Geld einstreicht: Der frühere Gouverneur Deval Patrick kassiert 7.500 Dollar pro Tag, „um ein fröhliches Gesicht zu zeigen“. Richard Davey, Patricks früherer Verkehrsminister, erhält 300.000 Dollar im Jahr – für was? Doug Rubin, der frühere Personalchef von Patrick, den Fitzgerald einen „Verlierer“ nennt, bekommt 15.000 Dollar im Monat. John Walsh, der frühere Wahlkampfleiter von Patrick, steht mit 10.000 Dollar monatlich auf der Gehaltsliste von Boston 2024 (Fitzgerald, Joe, Fish finds himself floundering on hook in Olympic PR mess, in bostonherald.com 6.4.2015).
Michael Levenson stellte im Boston Globe fest, dass der Widerstand gegen Boston 2024 nicht allen steht, wenn man Hamburg und Rom ansieht. Die dortigen kritischen Stimmen warnen ebenso vor den Kosten, den Bauverzögerungen und ungewählten olympischen Bossen, die versuchen, die Kontrolle über die Angelegenheiten der Stadt zu erringen. In Hamburg haben sich die Kosten für die Elbphilharmonie auf 870 Millionen Dollar hochgeschraubt. Mehmet Yildiz, Abgeordneter im Hamburger Senat: “Wenn man einmal in der Hand des IOC ist, steht die Türe zu Größenwahn und Korruption weit offen” (Levenson, Michael, Boston not alone in public opposition to olympics, in bostonglobe.com 10.4.2015). Und Italien ist prädestiniert, von Verbrecherorganisationen und Korruption ausgenommen zu werden. “Die Neinsager in Italien sind durch einen Skandal namens ‘Mafia Capital’ angespornt, der den langen Arm des organisierten Verbrechens in die Verträge der Stadt und die Hallen der politischen Macht Roms aufgezeigt hat” (Ebenda).
Christine Brennan sprach sich in USA Today gegen Boston 2024 und für Los Angeles 2024 aus, falls das USOC auch nur den Hauch einer Chance für 2024 bewahren möchte. Das IOC stellt im Frühjahr 2016 die fünf Finalteilnehmer für 2024 fest: „Aber kann sich das IOC mit Boston wohl fühlen, wenn die Wahl der Bewohner von Massachusetts sechs Monate später drohend näher rückt? Die Führer des IOC, die immer in unser gemeinsames Geld verliebt sind, aber nie in uns, würden völlig zurecht feststellen, dass diese Wahl eine Entscheidung nicht nur über die Bewerbung Boston 2024 ist, sondern auch über sie selbst“ (Brennan, Christine, Bail on Boston Olympic bid, give it to L.A., in USA Today 16.4.2015).
Ebenfalls in USA Today stellt Rachel Axon Fragen: „Warum haben sie kein Referendum unterstützt, das sie verpflichtet, ihr Versprechen zu halten und keine Steuergelder zu verwenden? Und wer kontrolliert nach den Spielen den Grund und Boden, auf dem das vorgeschlagene Olympiastadion gebaut werden würde? Kann die Stadt Boston zumindest garantieren, dass keiner von Boston 2024, einer privaten Gruppe, welche die Bewerbung anführt, dieses Land bekommt?“ (Axon, Rachel, Tepid local support puts Boston’s Olympic bid in doubt, in USA Today 16.4.2015).
Patrick Bahners schrieb in der FAZ: „Zimbalist zeigt aber auch, dass die Spiele für einzelne Branchen lukrativ sind – in erster Linie für die Bauindustrie. Ihre Vertreter geben denn auch im Gründerkreis von Boston 2024 den Ton an. John Fish, der Anreger und Sprecher des Olympia-Unternehmens, ist der Eigentümer der größten Baufirma der Region. (…) Fish hat zugesagt, dass seine Firma sich nicht um Aufträge für die Bauten der Spiele bewerben wird. Kritiker rechnen vor, dass er auch so profitieren werde: Während sich die lokale Konkurrenz um die Zuschläge für Athletenquartiere und Stadien streite, könne Fish alles bauen, was während der Olympiavorbereitung noch so an Großvorhaben in Boston anfalle. (…) Vier große Komplexe müssten zusätzlich gebaut werden: ein großes Stadion, das Olympische Dorf, das Schwimmzentrum und die Radrennbahn. Die Athletenquartiere sollen in Studentenwohnheime umgewandelt werden. Es stellte sich heraus, dass Boston 2024 die Eigentümer einiger zur Bebauung vorgesehener Grundstücke noch gar nicht gefragt hat“ (Bahners, Patrick, Die Zweifel einer sportbegeisterten Stadt, in faz.net 23.4.2015. Die Ignorierung der Grundeigentümer im Fall Boston 2024 erinnert an die Bewerbungen München 2018 und 2022, wo die Grundeigentümer in Garmisch-Partenkirchen ebenfalls nicht berücksichtigt wurden).
„No Boston Olympics“ bekam auch Hilfe von Andrew Zimbalist, Autor des Buches Circus Maximus, der eine Förderung des Tourismus, ein Ansteigen der volkswirtschaftlichen Leistung und höhere Investitionen aus dem Ausland verneinte. „Die Opposition hingegen besteht aus bestens vernetzten, jungen, energiegeladenen Männern und Frauen, die sich in der kommunalen und bundesstaatlichen Politikerszene auskennen und die ruhig und entspannt immer wieder auf ein simples demokratisches Prinzip pochen. Der Steuerzahler habe ein Wort mitzureden, wenn er am Ende garantieren soll, dass das Milliardenprojekt auch tatsächlich stattfindet. Jemand wie Chris Dempsey, einer der drei Organisatoren von ‚No Boston Olympics‘. Ein Mann von 32 Jahren. ‚Unsere politische Führung sollte sich auf die richtigen Prioritäten konzentrieren. Dazu gehören die Olympischen Spiele aus unserer Sicht nicht. Wir müssen uns um unser Bildungswesen, unser Gesundheitssystem, kümmern. Wir brauchen kein Stadion, keine Schwimmhalle und kein Velodrom.‘ Angesichts solch beharrlich vorgetragener Bedenken, die in den Medien viel Widerhall finden, und schlechter Umfragewerte, blieb dem Bewerbungskomitee nicht viel übrig, als einem Referendum zuzustimmen. Nun dürfen und sollen die Wähler des gesamten Bundesstaats Massachusetts entscheiden. Nicht ein exklusiver Kreis von Unternehmern, Funktionären und Politikern“ (Kalwa, Jürgen, Die skeptischen Bürger Bostons, in deutschlandfunk.de 5.4.2015).
Plakate von No Boston Olympics: „Safer Streets.- No Olympic Games.“ – „Better Transit. No Olympic Games.“ – „Better Housing. No Boston Olympics.“ – „Better Schools. No Boston Olympics.“ (Hermsmeier, Lukas, Boston will Olympia nicht, in tagesspiegel.de 13.4.2015).
Nachtrag 12: Gentrification befürchtet. „Als Gentrifizierung (engl. gentry [dʒɛntri] ’niederer Adel‘), auch Gentrifikation, bezeichnet man den sozioökonomischen Strukturwandel bestimmter großstädtischer Viertel im Sinne einer Abwanderung ärmerer und eines Zuzugs wohlhabenderer Bevölkerungsgruppen. Parallel kommt es zu einem Anstieg des Wohnpreisniveaus“ (Wikipedia). Dies wird auch im Fall Boston 2024 befürchtet. Die frühere Senatorin Dianne Wilkerson äußerte auf einer Veranstaltung die Befürchtung, dass in Boston – wie an anderen olympischen Austragungsorten – ärmere Bevölkerungsschichten verdrängt werden würden. Der Anwohner Joao De Pina sagte, der wirtschaftliche Schub Olympischer Spiele würde jetzige Bewohner verdrängen: „Mission Hill ist bereits verloren, Northeastern hat dies erlitten. Die nächsten sind Roxbury, Dorchester, Mattapan. Leute, lest zwischen den Zeilen. Was hier passiert ist, ist Gentrifikation, und 2024 ist nur eine andere Methode, dies fortzusetzen“ (Encarnacao, Jack, Roxbury crowd fears Olympic displacement, in bostonherald.com 29.4.2015).
Nachtrag 13: Boston 2024 zieht zurück. Am 27.7.2015 wurde die Bewerbung Boston 2024 vom USOC zurückgezogen. (Näheres in der Chronologie Juli 2015).
Quellen:
AP, U.S. Cities aim to keep bid costs down, in espn.go.com 27.11.2014
Arsenault, Mark, Powers, John, Boston picked to bid for Olympics, in bostonglobe.com 8.1.2015
Aumüller, Johannes
– Amerikanische Trümpfe, in SZ 18.12.2014
– Boston geht ins Rennen, in SZ 10.1.2015
Bauer, Aaron, Lack of Transparency Fueling Boston Olympic Opposition, in aroundtherings.com 11.12.2014
Baumann, Robert, Matheson, Victor, Infrastructure Investments and Mega-Sports Events: Comparing the Experience of Developing and Industrialized Countries, Worcester/Massachusetts, August 2013
Chieppo, Charles, The Biggest Olympics Loser: the Public, in publicceo.com 7.1.2015
Dempsey, Chris, Kerr, Liam, Boston will win by losing Olympic bid, in bostonglobe.com 6.1.2015
Flyvbjerg, Bent, Stewart, Allison, Saïd Business School, University of Oxford, Olympic Proportions: Cost and Cost Overrun at the Olympics 1960 – 2012; Link zur Studie hier
Horowitz, Evan, What are the costs and benefits of a Boston Olympics? in bostonglobe.com 18.11.2014
Kritisches Olympisches Lexikon: Kosten Olympischer Spiele
Morgan, Liam, Boston 2024 to hold citizen meetings following opposition to Olympic an Paralympic bid, in insidethegames.biz 11.1.2015
Oldörp, Heiko
– Günstig, aber gut, in spiegelonline 10.1.2015
– Keine Steuergelder für Boston, in deutschlandfunk.de 10.1.2015
Powers, John, USOC wants more info from IOC on bid process, in bostonglobe.com 11.6.2014
Reinsch, Michael, Das Glück des Bauunternehmers, in faz.net 9.1.2015
Richter, Nicolas, Bescheidenes Boston, in SZ 10.1.2015
Tannenbaum, Saul, Five reason Why Hosting the Olympics Is a Terrible Idea, in Cambridge Community Television, 26.11.2014
USA bewerben sich mit Boston, in spiegelonline 9.1.2015
www.suffolkconstruction.com