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Hamburg 2024: Dabei sein ist wichtiger als siegen

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17.3.2015, aktualisiert 1.4.2015

Vergleiche auch: Hamburger für Hamburg 2024? Berliner für Berlin 2024?
Hamburg-Berlin 2024 – Zur deutschen Bewerbung um Olympische Sommerspiele 2024: bis Juni 2014: hier; 7-8/2014: hier; 9-10/2014: hier ; ab 11/2014: hier

Intro
Alan Posener zu Hamburg 2024 und Berlin 2024: „Eine Stadt, die kann, aber nicht wirklich will, gegen eine Stadt, die will, aber vielleicht nicht kann, und beide pleite; eine Bundesregierung, die das bezahlen muss, sich aber aus der Sache heraushält“ (Posener, Alan, Die Olympiabewerbung gibt keinen Sinn, in welt.de 15.3.2015).
Es ist schwer zu verstehen, warum sich die zwei größten, SPD-geführten (und hoch verschuldeten) Stadtstaaten in diesen DOSB-Wettbewerb haben hineintreiben lassen.
Vergleiche: Offener Brief an die SPD wegen der München 2022 – hier

Die Abstimmung
„Von den 33 abgegebenen Stimmen erhielt die Hansestadt 18, Berlin elf, vier waren für beide: Das ist die Überraschung. Und das war vielleicht der letzte Öffner für das Tor zur großen Sportwelt. Weil auch die Runde aus Sportexperten, Gästen aus der Politik, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft am Montag mit überwältigender Mehrheit zu Hamburg rieten, hatten Hörmann und seine sieben anwesenden Präsidiumsmitglieder gar keine Wahl mehr: Fachverbände für Hamburg, Experten für Hamburg, die Umfrage für Hamburg. Da brauchte der Präsident gar nicht mehr abzustimmen, er enthielt sich“ (Hecker, Anno, Das Tor zur großen Sportwelt, in faz.net 16.3.2015).
Im DOSB-Präsidium selbst hat sich der 10-köpfige Vorstand mit nur 4:3 Stimmen für Hamburg entschieden – bei Hörmanns Enthaltung und zwei Mitgliedern, die sich als befangen erklärten. (Hamburg bekam nur eine Stimme mehr als Berlin, in spiegelonline 17.3.2015. IOC-Präsident Thomas Bach gehört formal dem DOSB-Präsidium an).

Platzhalter-Bewerbung 2024
Der sinnlose Konkurrenzkampf ist vorbei, das lächerliche Spektakel hat ein Ende: Hamburg ist für die Olympischen Sommerspiele 2024 der „Gewinner“. Oder wie die taz am 16.3.2015 titelte: „Und der Verlierer heißt: Hamburg“.
Warum hat Hamburg 2024 keine Chance und ist nur DOSB-Platzhalter?
a) Weil der Deutsche Fußball-Bund die Europameisterschaft 2024 von Mitte Juni bis Mitte Juli 2024 nach Deutschland holen wird. Und die IOC-Charta so kurz aufeinander folgende Sport-Großereignisse untersagt.
Da mag der DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper noch so viel gesundbeten: „Wenn ein Land in der Lage ist, beides zu organisieren, dann Deutschland“ (Vesper: Fußball-EM und Olympia 2024 in Deutschland denkbar, in deutschlandfunk.de 17.3.2015).
Olympische Sommerspiele: Athen 2004: 13. – 29.8.; Peking 2008: 8. – 24.8.; London 2012: 25.7. – 12.8.; Rio 2016: 5. – 21.8.
Fußball-EM: Österreich/Schweiz 2008: 7. – 29.6.; Ukraine/Polen 2012: 8.6. – 1.7.; Frankreich 2016: 10.6. – 10.7.
Sponsoren und TV-Sender würden Zeter und Mordio schreien.
Vergleiche: Olympische Bewerbung 2024: verpfuscht
b) Weil Boston 2024 angesagter ist – oder St. Petersburg 2024.
Vergleiche: Boston 2024 – Privatbewerbung eines Baukonzerns
c) Weil der IOC-Präsident nach den Diktaturen Kasachstan mit Almaty 2022 und China mit Peking 2022 mal wieder demokratische Kandidaten benötigt (Link). Thomas Bach, IOC-Präsident, braucht Platzhalter, Zählkandidaten, Verlierer aus Demokratien.
Vergleiche: Olympische Winterspiele 2022: Rückzüge
d) Weil das IOC andere Prioritäten hat.
Vergleiche: Wie dass IOC sein Geschäftsmodell erweitern will

War das eine Freude?!
Damit ist Hamburg 2024 eine Unterstützungsgeste in Richtung Lausanne. Und damit ist die Entscheidung des DOSB vom 16.3.2015 für Hamburg 2024 ähnlich wichtig, als wenn in Peking ein Fahrrad umfällt. Man kann sich nur über die (gespielte?) Freude der Hamburger bei der Verkündung wundern. Gestandene Vertreter der zweitgrößten deutschen Stadt freuen sich wie die Kinder über einen Zuschlag, der ihre Stadt sprengen würde, siehe Auslagerung der Hafenbetriebe vom Kleinen Grasbrook.
Der deutsche Sport kann sich gleich für Hamburg 2028 warmlaufen – das wäre dann in schlappen 13 Jahren. Jens Weinreich schrieb über die Vorteile vom Marathon bis 2028 für den DOSB: „Mit dem Argument der ’nationalen Aufgabe‘ lässt sich prächtig wuchern – weit über die IOC-Session im Juli 2017 in Lima hinaus, auf der die Olympiastadt 2024 gekürt wird. Denn sollte Hamburgs Offerte für 2024 vom IOC nicht erwählt werden, wovon eher auszugehen ist, wird eine erneute Bewerbung für die Sommerspiele 2028 versprochen. Diese Spiele werden dann im Jahr 2021 vergeben. Das heißt, der DOSB kann in Verhandlungen mit Zuwendungsgebern bis mindestens 2021 quasi auf Sonderbehandlung pochen. Darum geht es. Kontrollgremien, wie etwa der mit zahlreichen Sportlobbyisten besetzte Sportausschuss im Bundestag, kamen schon in der Vergangenheit ihrer verfassungsgemäßen Aufgabe kaum nach. Unter dem Deckmäntelchen ‚Olympiabewerbung im nationalen Auftrag‘ lässt sich noch besser kungeln.
Es kann also noch so einiges passieren. Da fällt mir der Comic ein, in dem Bundeskanzlerin Angela Merkel den russischen Präsidenten Wladimir Putin fragt, mit welcher Stadt sich Russland für 2024 bewirbt. Und Putin sagt: mit Leipzig.

Grüne Vorfreude
Katharina Fegebank, Landesvorsitzende, war Teil der Hamburger Delegation am 16.3.2015 und verfasste mit den Fraktionschef Jens Kerstan eine Pressemitteilung – wohl schon im vorauseilenden Gehorsam angesichts der Koalitionsverhandlungen mit der Hamburger SPD von Olaf Scholz: „Beim Rennen um olympische Sommerspiele hat Hamburg eine ganz wichtige Hürde genommen. Darüber freuen wir uns sehr. (…) Wir GRÜNE wollen konstruktiv dafür sorgen, dass Hamburg dann eine Bewerbung für nachhaltige, grüne, bezahlbare und demokratische Spiele abgibt, die auf der Weltbühne überzeugt und begeistert. Wenn Olympia in unsere Stadt kommt, sollen die Menschen davon langfristig profitieren. Deshalb müssen die Hamburgerinnen und Hamburger bei der Planung mitreden und in einem Referendum das letzte Wort haben“ (Wichtige Hürde genommen – jetzt auf der Weltbühne überzeugen, in hamburg.gruene.de 17.3.2015).
Da scheinen sich also die zahlreichen Hamburg-Besuche des DOSB-Vorstandsvorsitzenden Michael Vesper bei den Hamburger Grünen doch ausgezahlt zu haben – zumindest vorläufig. Vespere ist offiziell immer noch Grünen-Mitglied; real ist er in der Sport-Einheitspartei Deutschland.

Nicht nebenbei
Zu Hamburg 2024: Dabei sein ist wichtiger als siegen. Das „Dabei sein“ kostet rund 50 Millionen Euro. Der Zuschlag für 2024 würde angesichts der Verlegung der Hafenindustrie mindestens 15 Milliarden Euro kosten…

Pressestimmen
– DOSB-Präsident Alfons Hörmann brachte wieder sein derzeitiges Lieblingswort unter: „Wir stehen mit dieser Entscheidung jetzt geschlossen vor Sportdeutschland“ (Hamburg soll Sommerspiele 2024 nach Deutschland holen, in spiegelonline 16.3.2015).
Richtiger: geschlossen vor DOSB-Deutschland
Hörmann weiter: „Diese Olympiabewerbung ist ein Projekt von ganz Deutschland“ (SID, DOSB-Präsident Alfons Hörmann: „Hamburg hat ein faszinierendes und kompaktes Olympia-Konzept“, in handelsblatt.com 16.3.2015).
Das hat der DOSB von der Bewerbung München 2022 auch behauptet: Sie fiel am 10.11.2013 viermal durch. War wohl nix mit ganz Deutschland…

– Anno Hecker in der FAZ zum Hamburger Sportsenator Michael Neumann (SPD): „Dabei beeindruckte angeblich der Schachzug Neumanns, eine Grünen-Politikerin aus der Hamburger Koalition präsentiert zu haben mit ihrem bürgernahen Ansatz: Partizipation. ‚Nur im ständigen Dialog mit den Bürgern wird es uns gelingen, die Vision Wirklichkeit werden zu lassen‘, sagte Hörmann vor Beginn der schwierigen Aufgabe“ (Hecker, Anno, Das Tor zur großen Sportwelt, in faz.net 16.3.2015).)
Vergleiche: Partzipationsfalle oder Dialog

Sven-Michael Veit in der taz: „Ein gewichtiger Punkt für den DOSB war dabei die höhere Zustimmungsquote in Hamburg. 64 Prozent der HamburgerInnen haben sich Anfang März in einer repräsentativen Meinungsumfrage für Olympischen Spiele an der Elbe ausgesprochen, in Berlin lag die Zustimmung nur bei 55 Prozent. Und wenn der DOSB etwas fürchtet, dann eine erneute Niederlage in einem Volksentscheid. 2013 erst waren die Pläne für Olympische Winterspiele in der Region München in vier Referenden niedergestimmt worden. Weder in der bayrischen Hauptstadt noch in deren Partnerstädten Berchtesgaden, Garmisch-Partenkirchen und Traunstein fanden sich Mehrheiten für Olympia. Ein Debakel für den DOSB und den deutschen Sport, das sich nicht wiederholen darf. (…) Olympia ohne Risiken und Nebenwirkungen heißt das Ziel. Denn ein paar Wochen Party und anschließend jahrzehntelanger Katzenjammer wären weder weise noch sportlich. Sondern unverantwortlich“ (Veit, Sven-Michael, Und der Verlierer heißt: Hamburg, in taz.de 16.3.2015).
Das ist etwas arg naiv – Olympische Spiele, Party und Katzenjammer gehören immer schon eng zusammen!

Bert Schulz in der taz: „Olympia wurde in der Argumentation zu einer netten, weil nötigen Geldspritze. Und dummerweise konnte der Senat nicht mal zu diesen Fragen befriedigende Antworten liefern. So blieb Olympia ein weiteres Großprojekt, das drohte, wie der BER und die Staatsoper zur Peinlichkeit zu werden. Wahrscheinlich wäre die auch noch in den sechs Monaten bis zur Abstimmung durch politische Possen ergänzt worden. (…) Die rot-schwarze Regierung befindet sich längst im Wahlkampfmodus; es ist kein Geheimnis, dass die SPD nicht viel von CDU-Innen- und Sportsenator Frank Henkel hält. Wie hätte der Regierende Bürgermeister Michael Müller gemeinsam mit ihm eine Pro-Olympia-Kampagne durchstehen wollen? Und eine Niederlage bei der Abstimmung wäre auch ihrer beider Niederlage gewesen“ (Schulz, Bert, Und der Verlierer heißt: Hamburg, in taz.de 16.3.2015).

Johannes Aumüller in der SZ: „Der deutsche Sport hat gewählt, und der Sieger ist Hamburg. Wobei: Sieger ist nicht ganz das passende Wort. Hamburg ist die Stadt, die sich nun als deutscher Kandidat für Olympische Sommerspiele bezeichnen darf. Doch über diesen Status wird sie schwerlich hinauskommen. Für 2024 ist die Chance nahe null, weil Boston als großer Favorit gilt und hierzulande eine Fußball-Europameisterschaft stattfinden soll. Für eine etwaige zweite Bewerbung für 2028 sind die Aussichten kaum größer – Hamburgs Position in der internationalen Sportpolitik erscheint nicht stark genug“ (Aumüller, Johannes, Hamburg steht vor hohen Hürden, in sueddeutsche.de 16.3.2015).

Peter Ahrens in spiegelonline: „Es ist Hamburg geworden, es ist also die sichere Nummer geworden. Die Angst der Sportfunktionäre davor, dass ein schon auserkorener Olympiabewerber Berlin beim Bürgerentscheid im September durchfällt, war offenbar so beherrschend, dass sie zum entscheidenden Faktor bei der Abstimmung geworden ist. Dass man damit die Chancen auf Spiele in Deutschland eher verschlechtert als verbessert hat, weil Berlin international erheblich mehr Strahlkraft hätte, hat der DOSB damit in Kauf genommen“ (Ahrens, Peter, Besser Hamburg als Katar, in spiegelonline 16.3.2015).

– Jens Hungermann in der Welt: „Einen klaren Kriterienkatalog oder ein Punktesystem gab es nicht. Der DOSB hatte in dieser Frage wochenlang herumlaviert und erst nach einem Besuch in Lausanne beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) vor zwei Wochen einen Leitfaden öffentlich zugänglich gemacht. (…) Höchst interessant ist an dieser Stelle, wie die olympischen Fachverbände auf ihrer Sitzung in Frankfurt am Main abgestimmt haben. Dem Vernehmen nach verlief das Treffen am Sonntag in Frankfurt am Rande eines Eklats. Ein Augenzeuge erinnert sich: DOSB-Präsident Hörmann habe – nach seinen Angaben in Übereinstimmung mit dem Sprecher der Spitzenverbände, Siegfried Kaidel – einen Fragebogen im Gepäck gehabt, der reichlich schwammige Frage zu den beiden Bewerbern an die Verbandschefs enthielt. Ein klares Votum der Verbände pro Hamburg oder pro Berlin wäre damit wohl gar nicht erkennbar geworden. Ruderverbandschef Kaidel jedoch intervenierte – und Hörmann zog seinen Fragebogen zurück“ (Hungermann, Jens, Am Ende entschieden sieben Funktionäre, in welt.de 16.3.2015).

Jens Weinreich in krautreporter.de: „Die DOSB-Granden entschieden sich also für das geringere Risiko. Die Chance, im September, kurz vor Meldeschluss beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC), einen Bürgerentscheid in Hamburg zu gewinnen, erschien ihnen extrem größer als in Berlin. Die Angst vor einer erneuten Abfuhr dominierte das gesamte Verfahren, das Ende 2013 begann – unmittelbar nachdem Münchens extrem aussichtsreiche Bewerbung für die Winterspiele 2022 bei Bürgerentscheiden in vier Städten, Landkreisen und Gemeinden gekippt worden war. (…) Getrieben von der Angst, nicht wieder einen Bürgerentscheid zu verlieren, geht der DOSB mit einer Stadt ins Rennen, die in fundamentalen technischen Kriterien (etwa Sportstätten und Hotel-Kapazitäten) gegenüber Berlin deutlich im Nachteil ist“ (Weinreich, Jens, Hamburg 2024: Das Problem der Einmütigkeit, in krautreporter.de 17.3.2015).

Javier Cáceres und Jens Schneider in der SZ: „Große Euphorie für diese Olympia-Bewerbung hat es in Berlin freilich nie gegeben. Sie kam wie beiläufig über die Stadt. Irgendwann im letzten Herbst fiel das Wort ‚Olympia‘ das erste Mal, so richtig ernst haben die Berliner die Bewerbung lange nicht genommen. Die Kampagne des Senats kam spät, manche Aktionen wurden absolviert wie eine lästige Pflicht. (…) Auch die Gegner in der Landespolitik kritisierten, Berlin könne sich die Spiele nicht leisten. Die geplanten Mittel würden dringend gebraucht, damit bezahlbare Wohnungen entstehen und die an vielen Stellen marode Infrastruktur saniert werden könne. Schon überfordere das dynamische Wachstum die Infrastruktur Berlins. Die Mieten waren in Berlin lange besonders niedrig, inzwischen ist das Wohnungsangebot knapp geworden, die Stadt weist besonders hohe Preissteigerungen auf“ (Cáceres, Javier, Schneider, Jens, Wie die Hauptstadt erneut floppte, in sueddeutsche.de 17.3.2015).

– BUND Hamburg: „’Jetzt muss alles auf den Tisch! Vom Abfallkonzept bis zum Zubringerverkehr ist nachzuweisen, ob das Versprechen nachhaltiger Spiele tatsächlich umsetzbar ist. Neben der Frage klimaneutraler Spiele und der Nachnutzung des Olympischen Dorfes ist zentral, wie das Flächenkonzept im Detail aussieht‘, so Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg. Bislang gebe es nur eine wenig konkrete Absichtserklärung zwischen HPA und HHLA zur Verlagerung der Hafenunternehmen, die derzeit auf dem Kleinen Grasbrook wirtschaften. Völlig offen sei neben der Höhe der Umsiedlungskosten die Frage, wohin die Betriebe mit einem Flächenbedarf von insgesamt über 100 Hektar verlagert werden sollen. (…) <Nachhaltige Spiele light> werden nicht die Zustimmung des BUND Hamburg finden‘, fasste Manfred Braasch die derzeitige Position des Umweltverbandes zusammen. Es sei daher dringend erforderlich, kurzfristig eine so genannte strategische Umweltprüfung vorzunehmen. Sollte diese negativ ausfallen, müsse Hamburg seine Bewerbung zurückziehen“ (PM BUND zu Olympia: Keine „nachhaltigen Spiele light!“, in bund-hamburg.bund.net 17.3.2015).

Oliver Fritsch in der Zeit über einen leider zu wenig beachteten Aspekt Olympischer Spiele und des Spitzensports: „Sport war in der DDR Sache der Elite. Überhaupt hat sich der DOSB aus dem Erbe der DDR nur das Beste gepickt, die Erfolge und das Know-how. Um die Opfer, die der Sport in Zeiten des Kalten Kriegs hinterlassen hat, kümmert sich kaum einer. Es gibt Tausende, die als Kind unwissentlich mit Medikamenten vollgestopft wurden. Viele dieser Versuchskaninchen, die heute um die vierzig Jahre alt oder jünger sind, sind unheilbar krank. Manche sind bereits gestorben. Für sie, deren Namen der Öffentlichkeit unbekannt sind, und ihr kümmerliches Dasein ist kein Geld da. Ihre Vertreter berichten von gleichgültigen Reaktionen seitens des DOSB oder der Bundesregierung. Man soll mit dem Begriff Skandal vorsichtig umgehen, hier ist er sicher angebracht. Und manch ein Täter von damals ist noch immer oder wieder Teil des Systems. Dass es auch heute einen fatalen Zusammenhang geben könnte zwischen Erfolgsdruck und dem Zwang zu pharmazeutischer Nachhilfe, sagt Ines Geipel, die Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins: ‚Wer jetzt Olympische Spiele forciert und Deutschlands Sportsystem auf Medaillen trimmt, ohne dass er mit den Hypotheken ernsthaft umgegangen ist – der ist ganz klar auch weiterhin für systematischen Betrug‘“ (Fritsch, Oliver, Olympia ja, aber nicht so, in zeitonline 17.3.2015; Hervorhebung WZ).

– Günter Deister in der Welt zum weiteren Vorgehen des DOSB bei Hamburg 2024 und der Rolle von Bernhard Schwank: „Der Verband hat die Hoheit über Termine und Verfahren. Er wird rasch wesentlich über die Zusammensetzung eines Bewerbungskomitees entscheiden. Ausdruck findet das in der Mehrheit von mindestens 51 Prozent in der vom DOSB zu bildenden Bewerbergesellschaft, mit Hamburg, der Bundesregierung und einer Stadt für das olympische Segeln als Mitgesellschafter. (Ohne die geringste Einlage übrigens; WZ) Entscheidungen könnten bereits am 24. März bei einer ersten Arbeitssitzung des DOSB mit Hamburg fallen. Bernhard Schwank wird als hauptamtlicher DOSB-Direktor für ‚Internationales/Olympiabewerbung‘ eine wesentliche Rolle bei dieser Bewerbung spielen. Der 54-Jährige ist ein ausgewiesener Experte, in den letzten 15 Jahren war er wie kein Zweiter in Deutschland mit Olympia-Bewerbungen befasst. Als Referatsleiter in Hessens Innenministerium für Grundsatzfragen des Sports half er mit bei Frankfurts Bemühen, Bewerber um die Spiele 2012 zu werden. Als Generalsekretär des NOK (von 2003 bis 2006), das dann in den DOSB einging, musste er Leipzigs verunglückten Anlauf auf die Spiele 2012 mitbegleiten. Von 2011 bis 2013 führte Bernhard Schwank als Geschäftsführer die Münchner Kandidatur für die Winterspiele 2018 mit an“ (Deister, Günter, „Es ist eine große Herausforderung“, in welt.de 19.3.2015).
Schwank hat also begleitet die verlorenen olympischen Bewerbungen Frankfurt 2012, Leipzig 2012, München 2018, München 2022 – und nun Hamburg 2024.
Wenn dass kein gutes Zeichen ist…

Nachtrag 1: Wer hat telefoniert? Nach der Wahl von Hamburg 2024: „Hinterher hieß es, maßgebliche Vertreter des DOSB hätten vor der Wahl noch einige Spitzenverbände intensiv bearbeitet, für Hamburg zu votieren. DOSB-Präsident Alfons Hörmann wies das zurück. Er habe keine einzelnen Verbandschef angerufen, ‚das ist schlichtweg falsch’“ (Aumüller, Johannes, Cáceres, Javier, Glückwunsch an die Muschelschubser, in SZ  18.3.2015).
Wenn der DOSB-Präsident nicht angerufen hat, hat vielleicht der DOSB-Vorstandsvorsitzende angerufen…

Nachtrag 2: Bundessportminister ist Hamburger. Thomas de Maizière auf Fast-Food-Trip: „Für Olympia sind wir ab heute alle Hamburger“ (Teuffel, Friedhard, Ganz oder gar nicht, in tagesspiegel.de 18.3.2015). 

Nachtrag 3: Vorprogrammierter Ärger. „Der Zentralverband der deutschen Schiffsmakler (ZVDS) betrachtet die geplante Anschlussnutzung der Flächen, wenn Hamburg olympische Spiele austragen darf, mit Sorge: Die Bewerbung Hamburgs zeige deutlich, dass die Frage, wie der Konflikt zwischen Wohnbebauung und gewerblicher Flächennutzung aufgelöst werden kann, noch zu klären ist, sagte der ZVDS-Vorsitzende Christian Koopmann anlässlich der Mitgliederversammlung der Schiffsmakler im Hamburger Hafen-Klub. ‚In jedem Fall rückt die Wohnbebauung an die operativen Hafenbetriebe heran. Aus unserer Sicht darf dieses aber nicht zu Einschränkungen für die Schifffahrt oder die Hafenbetriebe führen‘, so Koopmann. Es bedürfe einer ‚dringenden‘ Klarstellung dahingehend, ‚dass nicht die Hafenbetriebe oder Schiffe, sondern die Wohnungen die Störer sind'“, ergänzte er“ (Schiffsmakler in Sorge über Zukunft des Olympia-Geländes, in welt.de 19.3.2015).
So einfach wie Scholz & Olympia-Friends es sich vorstellen, wird das sicher nicht auf dem Kleinen Grasbrook – bei geschätzten Umzugskosten von fünf bis sieben Milliarden Euro und dem Umzugsdruck auf neue Gebiete Hamburgs.

Nachtrag 4: Einstimmigkeit in der Sport-Demokratur. Am 21.3.2015 stimmten 410 Delegierte des DOSB in der geschichtsträchtigen Frankfurter Paulskirche (drunter tun es die DOSB-Oberen nicht) über Hamburg 2024 ab. Und wen wundert es: Das Ergebnis war EINSTIMMIG (Hecker, Anno, Hamburg geht ins Olympia-Rennen, in faz.net 21.3.2015).
Wie es eben in der Sport-Demokratur gern gesehen wird – siehe Beschluss der IOC-Agenda 2020 etc. Sogar in der russischen Duma soll es noch unter Putin eine Gegenstimmer geben.
DOSB-Präsident Alfons Hörmann (CSU) setzte wieder sein neues Verbal-Bonmot ein: “Sportdeutschland steht vor einem Aufbruch” (Hamburg jetzt auch offiziell deutscher Olympiabewerber, in spiegelonline 21.3.2015. Sportdeutschland steht für: DOSB-Deutschland). Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) wusste ebenfalls etwas: “Es kann nicht sein, dass alle begeistert Olympische Spiele schauen, aber uns nicht zutrauen, sie zu organisieren. Wir können das” (Ebenda).
Hallo, Scholz & Olympic Friends: Vielleicht schauen die Leute lieber zu, wenn sie das Olympische Spektakel nicht beherbergen müssen…
Und der Bundes-Sportinnenminister Thomas de Maizière gab den Ober-DOSB-Lobbyisten: “Eine große Sache gibt es nicht ohne Bedenken, aber davon darf man sich nicht lähmen lassen, man muss sie ernst nehmen, die Chancen sehen und nutzen, das täte unserem Land weit über die Olympischen Spiele hinaus verdammt gut” (Hecker 21.3.2015).
Ob der Bundes-Sportinnenminister das selbst glaubt, was er da von sich gibt? Mal schauen, was die Hamburger glauben, die vor dem 15.9.2015 befragt werden sollen. Falls das überhaupt geschieht…

Nachtrag 5: Deutscher Nationalismus triumphiert. Treffpunkt der Sport-Versammlung war die geschichtsträchtige Frankfurter Paulskirche. DOSB-Präsident Hörmann predigte wieder von Sport-Deutschland. Die Stimmzettel waren Schwarz-Rot-Gold. Die 410 Delegierten mühten sich bei Tagesordnungspunkt 10 durch die deutsche Nationalhymne.
Behauptet jemand, der deutsche Sport sei nicht nationalistisch, der Sport an sich friedliebend und völkerverbindend?

Nachtrag 6: Total(itär)e Einigkeit. Aus einem Kommentar von Jürgen Ahäuser in fr-online: „Im Jahr 1848 hat die bürgerliche Gesellschaft an gleicher Stelle den Aufstand gegen die Aristokratie geprobt. Dass die Delegierten des Deutschen Olympischen Sportbundes in der Frankfurter Paulskirche gegen das DOSB-Präsidium und die hauptamtliche Führung des deutschen Sports, den DOSB-Vorstand, aufmucken würden, war nicht zu erwarten. Ein bisschen Grummeln in der Sport-Demokratie wäre aber ganz nett gewesen. (…) Die demonstrative Einigkeit nicht nur beim inbrünstigen Intonieren der Nationalhymne sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass bis zur Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees im Sommer 2017 dem sich jetzt so einig gebenden Sport-Deutschland noch Zerreißproben bevorstehen. Kaum waren die letzten Töne von Einigkeit und Recht und Freiheit verklungen, sickerte durch, dass die Bürgerbefragung in der Freien Hansestadt vielleicht erst nach Abgabe der offiziellen Bewerbung stattfinden soll. Das wäre alles andere als das viel beschworene Mitnehmen der Hamburger. Nicht nur die Fans von NOlympia würden das als Affront empfinden“ (Ahäuser, Jürgen, So einig, in fr-online 23.3.2015; Hervorhebung WZ).

– Dazu Thomas Hahn in der SZ: „Und nach der Wahl folgte Tagesordnungspunkt 10: Nationalhymne. Die Leute erhoben sich, als die Melodie erklang. Schleppend und halblaut sangen sie mit. (…) ‚Hundert Prozent Zustimmung – mehr geht nicht‘, rechnete DOSB-Präsident Alfons Hörmann vor, ‚das deutet darauf hin, dass vollumfängliche Unterstützung von Sport-Deutschland und Politik gegeben ist.‘ (…) Es war fast witzig, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière von einem „Konzept der Bescheidenheit“ sprach. Abgesehen davon, dass die Hamburger selbst noch nicht wissen, wie viele Milliarden Euro ihre hübschen Olympia-Ideen kosten – mit Bescheidenheit hat das wenig zu tun, wenn man derart riesenhafte Veranstaltungen wie Olympia und Paralympics veranstalten will. Schon gar nicht bei dem Hamburger Spiele-Entwurf, der den hinreißenden Luxus eines Olympiaparks im Hafen vorsieht. (…) An diesem Dienstag treffen sich Stadt und DOSB, um über die neue Bewerber-Gesellschaft zu reden, deren Mehrheitsgesellschafter der DOSB wird. Für Hörmann liegt es nahe, dass sie ähnlich besetzt wird wie jene erfolglose der Münchner Bewerbung für 2018. Also mit dem hauptamtlichen DOSB-Vorstand Bernhard Schwank als Geschäftsführer, was unweigerlich die Frage aufwirft, ob es klug ist, ein Verlierer-Team neu aufzulegen“ (Hahn, Thomas, Es kann losgehen, in SZ 23.3.2015; Hervorhebung WZ).

Nachtrag 7: Abstimmung nach der Bewerbung. „Kaum jemand im Rathaus rechnet ernsthaft damit,. dass ein dazu notwendiges Gesetz vor Ablauf der offiziellen IOC-Bewerbungsfrist am 15. September verabschiedet werden kann. Es könnte zu einer absurden Konstellation kommen: Die Bürger stimmen erst über das Olympiaprojekt ab, nachdem sich die Stadt bereits offiziell beworben hat. Derzeit wird für das Referendum ein Termin im November angepeilt“ (Buschmann, Rafael, Deggerich, Markus, Großekathöfer, Maik, Hacke, Detlev, Latsch, Gunther, Pfeil, Gerhard, Energie aus der Elbe, in Der Spiegel 13/21.3.2015). Nach über einem Jahr Vorlauf von Hamburg 2024 begründete Senatskanzleichef Christoph Krupp die Zeitverschiebung auf Oktober oder November 2015 wie folgt: “Das Referendum könnte eine Verfassungsänderung erfordern” (SID, Hamburgs Bürgerbefragung im Oktober oder November, in zeitonline 24.3.2015).
Warum lässt man die Bürger eigentlich nicht jeweils nach den Olympischen Spielen abstimmen – ob sie diese haben wollen?

Nachtrag 8: Der Spiegel zitiert Axel Doering. Der aktuelle Spiegel vom 21.3.2105 zitiert aus einem Beitrag von Axel Doering von NOlympia Bayern bei einer Veranstaltung gegen Berlin 2024 von NOlympia Berlin vom Oktober 2014: “Die Leute, die Olympia planen, werden euch belügen, sie werden euch betrügen, sie werden euch verleumden, sie werden mit falschen Zahlen arbeiten, glaubt mir, es geht denen nur darum, Geld zu verdienen, ihr werdet eure Stadt nicht wiedererkennen. Ihr müsst stark sein, ihr müsst zusammenhalten, nur so könnt ihr den Irrsinn stoppen” (Buschmann, Rafael, Deggerich, Markus, Großekathöfer, Maik, Hacke, Detlev, Latsch, Gunther, Pfeil, Gerhard, Energie aus der Elbe, in Der Spiegel 13/21.3.2015. Ich war auch zu dieser Veranstaltung als Referent eingeladen und bin aus diversen Gründen froh, dass ich nicht noch einmal hin muss).
Genauso ist es – auch in Hamburg. Allein wie Scholz & Olympic Friends die Kosten der Verlegung der Hafenwirtschaft vom Großen Grasbrook verschweigen, obwohl in der Verwaltung längst Zahlen in Milliardenhöhe kursieren, ist ein Skandal.

Nachtrag 9: Thema Kleiner Grasbrook. In der Wirtschaftswoche vom 26.3.2015 fragte sich Andreas Freytag in einem sehr lesenswerten Kommentar: „Sollen wir uns Olympische Spiele leisten?“ Darin stellt Freytag fest:
„- Das Internationale Olympische Komitee ist notorisch korrupt, möglicherweise weniger als die FIFA (aber mehr geht ja auch kaum!). Immer wieder gibt es Berichte zu Zahlungen von Bewerberstädten und –verbänden an Mitglieder des IOC im Vorfeld von Vergabeentscheidungen. Auch fällt auf, dass die Auflagen der Vergabe sich regelmäßig über die Interessen der Menschen in den Olympiastädten hinwegsetzen. Die Interessen der Sponsoren scheinen eindeutig höher gewichtet zu werden.
– Dies hat sicherlich mit dem Gigantismus und dem Größenwahn der Sportfunktionäre zu tun. Die Anlagen müssen perfekt und groß sein, bereits Bestehendes hat nur geringe Aussichten, genutzt zu werden. Da hat die Stadt zum Glück schon einmal vorgebaut und in ihrem Konzept etliche bereits existierende Anlagen, z.B. die Bundesligastadien in Norddeutschland angegeben“ (Ebenda).
Im Artikel befindet sich auch ein sehr aufschlussreiches Schiebebild mit dem Kleinen Grasbrook im Ist-Zustand und mit der geplanten Olympia-Überbauung: hier. Der Kleine Grasbrook umfasst übrigens 4,5 Quadratkilometer oder 4,5 Millionen Quadratmeter –  die wegen 16 Tagen olympischer Party komplett umgesiedelt werden müssten. Man sieht, dass der Kleine Grasbrook mitnichten leer ist, sondern angefüllt mit Betrieben der Hafenwirtschaft. Geschätzte Umzugskosten allein hierfür laut N(O)lympia Hamburg: 5 bis 7 Milliarden Euro.

Nachtrag 9: Uefa-Präsident Michel Platini skeptisch mit Hamburg 2024. Thomas Kistner berichtete in der SZ vom Uefa-Kongress in Wien: „Zur Deutschland-Frage äußerte Platini Richtungsweisendes. Gleich zwei global beachtete Events will ja der deutsche Sport 2024 ausrichten, erst die EM und Wochen später die Sommerspiele in Hamburg. Platini schmunzelt. Über die EM ist intern bereits viel geredet worden, sie soll Wolfgang Niersbachs Ägide als DFB-Präsident krönen und ist – ganz inoffiziell – schon im Zuge der EM-Vergabe 2020 platziert worden. Damals zog Deutschland zugunsten Englands zurück, das nun Halbfinals und Endspiel des europaweit ausgespielten Turniers ausrichten wird. Er werde den Teufel tun und den Deutschen Ratschläge erteilen, sagte Platini nun. Dann tat er es doch und erinnerte an die Türkei, die für 2020 ja dieselbe Doppel-Bewerbung EM/Olympia geplant hatte. ‚Am Ende‘, so Platini, ‚hatten sie alles verloren!‘“ (Kistner, Thomas, Der furchtlose Holländer überzeugt, in SZ 26.3.2015; Hervorhebung WZ).