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Fußball-WM 2006: Blatters WM-Kabinett 2000 – und das „Deutsche Sommermärchen“

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21.10.2015, aktualisiert 5.12.2017

Gliederung:
Intro * 1. Fifa-Exekutivmitglieder * 2. Die deutschen Beteiligten * 2.1. Das deutsche Organisationskomitee * 2.2. Weitere deutsche Beteiligte * 2.3. Die deutsche Industrie * 3. Die Wahl * 3.1. Die Bestechungs-Historie * 3.2. Robert Louis-Dreyfus * 4. Fazit * 5. Der DFB und die Freshfields-Ermittlungen

Intro
Über die Vergabe der Fußball-WM 2006, die – offenbar unter dubiosen Umständen – nach Deutschland ging (das Märchen vom „Sommermärchen“), stimmten die Fifa-Exekutivmitglieder am 6.7.2000 in Zürich ab. Die meisten Mitglieder dieses Fifa-Exekutivkomitees sind inzwischen unter Korruptionsverdacht oder von der Fifa selbst gesperrt worden. Ihr (sicher nicht vollständiger) Werdegang findet sich unter 1. Die Verbindungen zu deutschen Sportfunktionären, zu ungewöhnlichen Fußballbegegnungen und zur deutschen Industrie stehen unter 2. Die Wahl am 6.7.2000 steht unter 3., ebenso die Rolle von Robert Louis-Dreyfus und ein Fazit unter 4.

1. Fifa-Exekutivkomitee-Mitglieder

Sepp Blatter, Präsident, Schweiz
Seit 1975 ist Blatter auf Initiative von Horst Dassler (Adidas) in hohen Ämtern in der Fifa, ab 1998 als Präsident. Im Oktober 2015 wurde er für 90 Tage von der Fifa gesperrt, im Dezember 2015 für acht Jahre gesperrt, im Februar 2016  wurde die Sperre auf sechs Jahre reduziert.

Europa
Michel d’Hooghe, Belgien
Seit 1988 Mitglied der Fifa-Exekutive. Die Fifa-Ethikkommission ermittelt gegen den belgischen Fifa-Chefmediziner, weil dessen Söhne Laurant und Pieter für Firmen in Katar arbeiten (Weinreich 21.9.2015). Vorwürfe wegen WM-Vergaben 2018 und 2022 (Hofmann u. a. 23.12.2015).
Senes Erzik, Türkei: „Vertreter des problembelasteten türkischen Fußballs, gilt in den Fifa-Affären als unbescholten“ (Hofmann u. a. 23.12.2015).
Lennart Johannson, Schweden
Antonio Matarrese, Italien

War gerade als Uefa-Vize abgewählt, bekam vor der WM-Wahl 2000 einen Beraterposten (Kistner 15.7.2000).
Joseph Mifsud, Malta
Inszenierte am 12.1.2001 ein Fußballspiel von FC Bayern gegen Malta (3:1). TV-Vertrag mit Leo Kirch, Zahlung auf Treuhandkonto, eine Summe von 250.000 Dollar wird erwähnt (Jakobs, Kistner, Ott 22.4.2003; Dahlkamp u. a. 17.10.2015).
Peer Ravn Omdal, Norwegen
Ángel María Villar Llona, Spanien

seit Jahrzehnten in hohen Fifa- und Uefa-Ämtern. Der Präsident der spanischen Profiliga, Javier Tebas: „Die Mehrheit des Fifa-Exekutivkomitees ist im Gefängnis oder suspendiert. Villar muss entweder sehr klug oder sehr dumm sein, um nichts bemerkt zu haben“ (sports.yahoo.com 16.10.2015). – „Zum anderen ist der Sesselkleber Villar umstritten und schon lange auf dem Radar der Ethikkommission“ (Birrer 18.120.2015). Die Fifa-Ethikkommission ermittelt gegen Villar, da er nicht mit dem Fifa-Chefermittler Michael Garcia kooperiert hat. „Neben der Causa Beckenbauer ist sein Fall der Einzige, den die Untersuchungskammer abgeschlossen und der rechtssprechenden Kammer vorgelegt hat“ (Aumüller, Kistner 22.10.2015). Im November 2015 im Zusammenhang mit den WM-Vergaben 2018 und 2022 verwarnt und zu 23.000 Euro Geldstrafe verurteilt (Hofmann u. a. 23.12.2015).
David Will, Schottland

Afrika
Ismael Bhamjee, Botswana

Bhamjee musste 2006 im Gefolge eines Ticketskandals bei der WM 2006 in Deutschland von allen Fußballämtern zurücktreten (BBC.co.uk 20.8.2006). „Während der WM 2006 in Deutschland wurde er als hoher FIFA-Vertreter seines Amtes enthoben und musste Deutschland verlassen. In einem Frankfurter Lokal hatte er einem Reporter überteuerte Tickets, insgesamt rund zwölf Stück, angeboten. Sie waren um rund zweihundert Dollar teurer als der Festpreis“ (Wikipedia). Von der Fifa-Ethikkommission 2010 für vier Jahre gesperrt (fifa.com 18.11.2010).
Amadou Diakite, Mali
Von der Fifa-Ethikkommission 2010 für drei Jahre wegen der Vergabe der Fußball-WM 2018 an Russland und 2022 Katar gesperrt (fifa.com 18.11.2010). Diakite soll der Sunday Times gesagt haben, dass ihm und Amos Adamu aus Nigeria 1 bis 1,2 Millionen Dollar für ihre Stimmen zugunsten von Katar angeboten wurde (bbc.com 18.10.2011).
Issa Hayatou, Kamerun
seit Jahrzehnten hochbelastet; siehe hier. Vom IOC wegen Bestechlichkeit abgemahnt. „Weist Vorwürfe zurück, für seine Stimme bei der WM-Vergabe nach Katar Schmiergeld erhalten zu haben“ (Hofmann u. a. 23.12.2015). Interims-Fifa-Präsident nach Blatters Rücktritt im Juni 2015. – „Von April bis Dezember 2000 stellten der DFB und sein Hauptsponsor Mercedes-Benz dem Afrika-Verband über den Verleiher Avis zwei Mercedes-Limousinen der E-Klasse vor die Tür. Auf der Rechnung, knapp 30.000 Euro pro Wagen, stand in Handschrift ganz schlicht – und aus heutiger Sicht ganz schlecht – der Verwendungszweck: ‚WM 2006′“ (Buschmann u. a. 3.5.2016).
Slim Aloulou, Tunesien
FC Bayern spielte am 17.1.2001 in Tunesien (2:0). TV-Vertrag mit Leo Kirch. In den wahrscheinlichen Stimmenkauf für Russland 2018 und Katar 2022 verwickelt. (AP 15.1.2015). Von der Fifa-Ethikkommission 2010 für zwei Jahre gesperrt (fifa.com 18.11.2010).

Asien
Chung Moon-jong, Südkorea
Gerade von der Fifa auf sechs Jahre gesperrt mit einer Geldstrafe von 100.000 Schweizer Franken (Aumüller, Kistner 22.10.2015). Chung ist sechster Sohn des Gründers vom Autokonzern Hyundai. DaimlerChrysler stieg im Juni 2000 mit 428 Millionen Dollar bei Hyundai ein (Kistner 15.7.2000; Dahlkamp u. a. 17.10.2015). Die Bayer AG erwarb den südkoreanischen Kunststoffplatten-Hersteller Sewon Enterprises und stellte Großinvestitionen in Aussicht. BASF kündigte vor der Wahl am 6.7.2000 Investitionen in Südkorea in Höhe von 800 Millionen Mark an (Ebenda). Hyundai war 2006 offizieller Fifa-Sponsor bei der WM in Deutschland. Wurde im Oktober 2015 von der Fifa-Ethikkommission für sechs Jahre gesperrt.
Abdullah Khalid Al Dabal, Saudi-Arabien
Der Bundessicherheitsrat beschloss am 28.9.2000 die Lieferung von 1200 Panzerfäusten nach Saudi-Arabien (Kistner 15.7.2000).
Mohamed Bin Hammam, Katar
Soll maßgeblich an der Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar beteiligt gewesen sein. Wollte im Mai 2011 gegen Fifa-Präsident Blatter kandidieren, wurde der Korruption angeklagt. Die FIFA sperrte ihn zunächst am 23. Juli 2011. „Am 17. Dezember 2012 wurde beschlossen, ihn lebenslang zu sperren. Daraufhin trat bin Hammam von allen seinen Ämtern zurück“ (Wikipedia).
Worawi Makudi, Thailand
Siemens kündigte Investitionen in Thailand in Höhe von 2,5 Milliarden Mark bei der Wafer-Produktion an (Kistner 15.7.2000). Makudi hatte gut dotierte Freundschaftsspiele seines Thai-Teams gegen den FC Bayern (3.6.2000) und die deutsche Nationalmannschaft. „Die Zahlung an den Thailänder kam damals angeblich von einer Firma des verstorbenen Medienmächtigen Leo Kirch“ (spiegelonline 4.6.2015). „Seine Frau verkaufte plötzlich in Thailand Autos des DFB-Hauptsponsors Mercedes-Benz“ (Buschmann u. a., 5.3.2016). – „Mehr Fragen warf seinerzeit der Umstand auf, dass er zu Hause in Bangkok plötzlich Mercedes-Autos vertrieb. (…) Makudi soll WM-Fernsehverträge für seine Region zu Dumpingpreisen erhalten haben“ (Kistner 13.10.2015). Hat Privatgrund in seiner Heimatregion für 860.000 Dollar über das Fifa-Entwicklungshilfe-Projekt Goal verkauft (Ebenda). Die Fifa-Ethikkommission ermittelte gegen Makudi, da Thailand kurz vor dem WM-Votum 2022 ein Gasgeschäft mit Katar abgeschlossen hat. „Makudi, der stets alle Vorwürfe zurückwies, gilt als Jack Warner Südostasiens“ (Hofmann u. a. 23.12.2015). Im Oktober 2015 wurde er für zunächst 90 Tage von der Fifa gesperrt. „Die Fifa-Disziplinarkommission befand, dass Worawi Makudi in dieser Zeit weiter für den FAT tätig war (…) und sperrte ihn deshalb für drei Monate für sämtliche nationalen und internationalen Fußballtätigkeiten“ (fifa.com 22.2.2016; FAT: Football Association of Thailand; WZ).
Nachtrag Oktober 2016: Makudi wurde von der Fifa-Ethikkommission für fünf Jahre gesperrt und zu 10.000 Franken Geldstrafe verurteilt; er hatte Statuten in seinem Landesverband eigenmächtig geändert (Fifa  sperrt Funktionär Makudi für fünf Jahre, in spiegelonline 18.10.2016).

Nord- und Zentralamerika/Karibik
Chuck Blazer, USA
„Im Juni 2015 wurde bekannt, dass Blazer gegenüber US-Ermittlungsbehörden die Annahme von Schmiergeldern zugegeben hat. Im Juli 2015 sperrte die FIFA-Ethikkommission Blazer lebenslang. Blazer hatte mit dem in viele Skandale verwickelten karibischen Fußballfunktionär Jack Austin Warner über zwei Jahrzehnte die Nord- und Zentralamerikanische und karibische Fußballkonföderation CONCACAF geführt und dabei Millionen Dollar für sich abgezweigt. Zu dieser Zeit erhielt er den Beinamen ‚Mister 10 Prozent’, was dem Anteil entsprach, den er für sich privat abschöpfte. Als 2011 das Federal Bureau of Investigation und der Internal Revenue Service wegen Veruntreuung hoher Beträge gegen ihn ermittelten, erklärte er sich bereit, seine Kollegen, Kunden und Geschäftspartner auszuspionieren“ (Wikipedia). Im Juli 2015 lebenslang von der Fifa gesperrt.
David Isaac Sasso-Sasso, Costa-Rica
Jack Warner, Trinidad & Tobago

Bekam TV-Rechte von Sepp Blatter zu Spottpreisen, sicherte ihm im Gegenzug die Stimmen. Ende Mai 2011 mussten sich Warner und Mohamed bin Hammam wegen Bestechungsvorwürfen vor der Ethik-Kommission des Weltverbandes verantworten. Warner stand im Verdacht, den Ethik-Code der FIFA verletzt zu haben; er und bin Hammam wurden vorläufig suspendiert. Sie sollen gegen den Ethikcode der FIFA verstoßen haben, indem sie beim Treffen der Karibischen Fußball-Union versucht haben sollen, für die Wahl bin Hammams zum FIFA-Präsidenten Stimmen zu kaufen. Im Juni 2011 ist Warner von seinen Ämtern im Weltverband zurückgetreten. (…) Ernst & Young schätzen, dass er und seine Familie wenigstens 1 Million US-Dollar Profit aus dem Wiederverkauf von Tickets für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gemacht haben, welche Warner geordert hat“ (Wikipedia). Jack Warner wurde mit Wirkung vom 25. September 2015 von der FIFA auf der Grundlage einer Untersuchung der Ethikkommission zur Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 lebenslang gesperrt.

Südamerika
Julio Grondona, Argentinien

Seit Blatters Wahl zum Fifa-Präsidenten 1998 wurde Grondona vom neu gewählten Fifa-Präsidenten Blatter zum Vorsitzenden der Finanz- und TV-Marketingkommission gemacht. „Seit 2011 wird gegen ihn in Argentinien wegen des Verdachts auf Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung in einem hohen zweistelligen Millionenbereich ermittelt“ (Wikipedia). – „Die Strafsache 228078/2011 hat es in sich. Es geht um – bislang – mehr als 72 Millionen Dollar, die der Erste FIFA-Vizepräsident Julio Grondona mit seinen Verbündeten und Kindern auf einem Dutzend Auslandskonten gehortet hat. Grondona ist FIFA-Finanzchef und zeichnungsberechtigt für den Milliardenkonzern FIFA“ (Weinreich 12.11.2011). – „‘Don Julio’, wie der mächtige Argentinier respektvoll genannt wurde, war bis zu seinem Tod im Juli 2014 die Nummer zwei in der Fifa hinter Sepp Blatter. Er war der Chef der Finanzkommission und stand im Fokus des Bundesanwalts von Buenos Aires. Über die Jahre war rund um Grondonas Familie ein Firmengeflecht gewuchert, dessen Konten einen dreistelligen Millionenbetrag aufwiesen” (Aumüller, Kistner 10.6.2015). Grondona starb kurz nach der WM 2014.
Nicolas Leoz, Paraguay
„Während der Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Konkurs des Sportmarketingunternehmens International Sport and Leisure wurde bekannt, dass Leoz in seiner Position als hochrangiger FIFA-Funktionär Schmiergeldzahlungen der ISL zwischen 1997 bis 2000 angenommen hatte. Am 3. Juni 2015 nannte Interpol ihn zusammen mit einem weiteren FIFA-Funktionär und vier hochrangigen Mitarbeitern der FIFA in einer Red Notice, um die Behörden auf einen anstehenden Auslieferungsantrag der USA im Zusammenhang mit der Untersuchung von Korruptionsvorwürfen aufmerksam zu machen und um entsprechende Mithilfe zu ersuchen. Leoz wurde daraufhin unter Hausarrest gestellt“ (Wikipedia), der Auslieferungsantrag an die USA läuft.
Ricardo Teixeira, Brasilien
Von 1989 bis 2012 Präsident des brasilianischen Fußballverbandes CBF. Vor Korruptionsvorwürfen flüchtete Teixeira nach Florida – und wieder zurück nach Brasilien aus Furcht, an die USA ausgeliefert zu werden. „Im Laufe seiner Karriere wurde er mehrfach mit dem Vorwurf der Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche konfrontiert und zog sich schließlich aufgrund erwiesener Schmiergeldannahmen aus dem Führungskreis der FIFA zurück. (…) Die Laufbahn Teixeiras als Verbandsobmann war von Skandalen wie Vetternwirtschaft, Spesenreiterei, unverzollten Einfuhren und dergleichen gepflastert. Im Zuge des Korruptionsskandals um die 2001 in Insolvenz gegangene Sportvermarktungsagentur International Sport and Leisure stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug am 11. Mai 2010 mittels Einstellungsverfügung fest, dass er und sein damaliger Schwiegervater João Havelange jahrelang Schmiergelder in Höhe von 21,9 Millionen Schweizer Franken erhalten hatten“ (Wikipedia). Seit 1989 „durchgehend mit Vorwürfen wie Korruption, Steuerhinterziehung, Geldwäsche konfrontiert“ (Hofmann u. a. 23.12.2015).

Ozeanien
Charles Dempsey, Neuseeland
Reiste überraschend kurz vor der WM-Abstimmung am 6.7.2000 aus Zürich ab – damit erhielt Deutschland die WM 2006.

Resumee
Die Aufstellung über diese ehrenwerte Fifa-Gesellschaft kann notgedrungen nur unvollständig sein. Die von der Fifa gesperrten Fifa-Funktionäre wurden nicht etwa gesperrt, weil die Fifa sich demokratisch entwickelt hätte: Das wäre eine Contradictio in adjecto. Sie wurden gesperrt, weil sie einfach nicht mehr zu halten waren.

Ergänzung: Fifa-Exekutive 2007 – ganze zwei unbescholten
Die SZ stellte das Fifa-Exekutivkomitee 2007 vor. Von 25 Mitgliedern sind derzeit gerade einmal zwei unbescholten: Junji Ogura, Japan und Geoff Thompson, England. Zehn Mitglieder werden unlauterer Geschäfte verdächtigt oder sind gesperrt, 13 Mitglieder sind in Strafverfahren verwickelt (Hofmann, R., Kistner, T., Flohr, A., Familienaufstellung, in SZ 23.12.2015).

2 Die deutschen Beteiligten an der Fußball-WM 2006

2.1 Das deutsche WM-Organisationskomitee (OK)
Franz Beckenbauer (OK-Präsident, offizieller Adidas-Repräsentant, Präsident FC Bayern), Wolfgang Niersbach (DFB-Mediendirektor), Fedor Radmann (OK-Vizepräsident bis 2003, inoffizieller Adidas-Repräsentant), Horst R. Schmidt (DFB-Generalsekretär), Theo Zwanziger (DFB-Vorstand) (Quelle: SZ 17.10.2015). Beckenbauer wurde am 13.6.2014 von der Fifa mit einer 90-Tage-Sperre belegt; er verweigerte dennoch die Zusammenarbeit mit den internen Ermittlern (Hofmann u. a. 23.12.2015). Ein Verfahren vor der Fifa-Ethikkommission läuft, siehe weiter unten.

2.1. Der WM-Aufsichtsrat
Thomas Bach, DSB-Präsident, Werner Hackmann (DFB-Vizepräsident), Gerhard Müller-Vorfelder (DFB-Präsident), Manfred Maus (AR-Vorsitzender OBI AG), Engelbert Nelle (DFB-Vizepräsident), Günter Netzer (Infront Sports & Media AG), Wolfgang Schäuble (Bundesinnenminister), Otto Schily (SPD, Bundesinnenminister), Heinrich Schmidhuber (BFV-Präsident), Wilfried Straub (Quelle: SZ 17.10.2015, 19.10.2015).

2.2. Weitere deutsche Beteiligte
„Es war kein Zufall, dass Spielgeschäfte mit drei Nationalverbänden abgeschlossen wurden, die Fifa-Vorstandsmitglieder stellten“ (Hecker, Ashelm 16.10.2015).
Leo Kirch, Medienmogul, hielt bis vor seiner Pleite die Medienrechte an den Fußball-Weltmeisterschaften bis 2006. Er erwartete sich von einer WM 2006 in Deutschland wesentlich mehr Geschäft als von einer in Südafrika. Kirch „wollte die WM 2006 unbedingt in Deutschland sehen – nach seinen Berechnungen würde ihm das 250 Millionen Franken mehr einbringen als eine WM in Afrika“ (Dahlkamp u. a., 17.10.2015; Hervorhebung WZ). Er „kauft zu völlig überhöhten Preisen Lizenzen an Freundschaftsspielen Bayern Münchens“ (Fritsch 16.10.2015).

Günter Netzer vermittelte mit seiner Medienagentur CWI die Fußballspiele des FC Bayern in Zusammenhang mit der WM 2006; er rechnete mit Leo Kirchs Firma Taurus ab. Netzer kaufte später mit Finanzinvestoren die WM-TV-Rechte von Kirch (Jakobs, Ott 19.4.2003) und wurde Infront-Gesellschafter (Dahlkamp u. a. 17.10.2015). – „Ein hoher DFB-Funktionär soll Günter Netzer gefragt haben, was mit den 6,7 Millionen damals eigentlich passiert sei. Netzer, der als WM-Botschafter für das Bewerbungskomitee gearbeitet hatte, antwortete angeblich verblüffend offen: ‚Damit haben wir die vier Asiaten bezahlt’“ (Dahlkamp u. a. 17.10.2015).

Fedor Radmann beriet Kirch und Adidas (Jakobs, Ott 19.4.2003). Radmann und CWI-Gründer Cesar W. Lüthi waren Teilhaber bei der S+K Marketing GmbH. Die CWL war ein Sportrechtevermarkter, den Leo Kirch 1999 gekauft hatte. Im Verwaltungsrat saß Günter Netzer. „Radmann ist im April 2002 aus der CWL ausgestiegen, offenbar eine Voraussetzung, damit S+K vom WM-Organisationskomitee (Vizechef: Radmann) mit einem Marketing-Auftrag bedacht werden konnte“ (Ebenda).

2.3 Die deutsche Industrie
„Deutsche Unternehmen machten große Geschäfte in und mit Ländern, in denen wichtige Mitglieder der Fifa-Exekutive zu Hause waren“ (Leyendecker, Ott 17.10.2015).
Daimler, Volkswagen und Bayer investierten just vor der WM-Vergabe in solchen Gegenden, aus denen dann die Stimmen für Deutschland kamen“ (Fritsch 16.10.2015). Siehe oben: Thailand etc.

3. Die Wahl
Zur Vorgeschichte: Sepp Blatter hat 1998 den afrikanischen Exekutivkomitee-Delegierten die WM 2006 in Südafrika versprochen. „Blatter war den Afrikanern seit 1998 noch etwas schuldig, für ihre Unterstützung bei seiner Wahl zum Präsidenten gegen den Europa-Verbandschef Lennart Johansson“ (Dahlkamp u. a. 17.10.2015).
Wahlgang 1: Deutschland 10, Südafrika 6, England 5, Marokko 3.
Wahlgang 2: Deutschland 11, Südafrika 11, England 2.
Wahlgang 3: Deutschland 12, Südafrika 11. Charles Dempsey reiste ab. Bei 12:12 hätte Blatters Präsidentenstimme doppelt gezählt.
Blatter erwähnte bereits 2012: „Gekaufte WM… Da erinnere ich mich an die Vergabe für 2006, wo im letzten Moment jemand den Raum verließ“ (focus.de 15.7.2012).
Die Südafrikaner mussten zugunsten der Deutschen warten: Erst 2010 kam die WM nach nach Südafrika – und kostete das Land über vier Milliarden Dollar.

3.1. Die Bestechungs-Historie
10,3 Millionen Franken (umgerechnet 13 Millionen DM) kamen vom früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus. „Eingesetzt wurde das Darlehen offenbar, um die vier Stimmen der asiatischen Vertreter im 24-köpfigen Fifa-Exekutivkomitee zu sichern. Die vier Asiaten hatten zusammen mit den Europäern bei der Wahl im Juli 2000 für Deutschland gestimmt. Weil außerdem der Neuseeländer Charles Dempsey beim letzten Wahlgang überraschend nicht abstimmte, siegte Deutschland mit 12:11 Stimmen. (…) Von den drei noch lebenden Asiaten, die im Jahr 2000 im Exekutivkomitee für Deutschland gestimmt hatten, ließen zwei die Anfragen des SPIEGEL unbeantwortet. Der dritte, der Südkoreaner Chung Mong-Joon, ließ ausrichten, die Fragen seien es nicht wert, beantwortet zu werden“ (spiegelonline 16.10.2015; Chung entstammt der südkoreanischen Autobauerdynastie Hyundai).
Louis-Dreyfus wollte 2005 das Geld zurück. Daraufhin überwies der DFB für eine „Eröffnungsgala“ der WM 2006 im Berliner Olympiastadion 6,7 Millionen an die Fifa. Fedor Radmann war damals im Komitee als Berater für Kultur zuständig (Dahlkamp u. a. 17.10.2015). Niersbach schrieb in einer Randnotiz: „Honorar für RLD“, Beckenbauer höchstpersönlich hatte den Schuldschein unterzeichnet (Ebenda). „Wofür aber brauchte das Komitee so viel Geld, so kurzfristig, so heimlich? Und welche Rolle spielte die Fifa, die anscheinend eingeweiht war? Das Geld zahlte das deutsche Organisationskomitee 2005 nämlich nicht etwa direkt an Louis-Dreyfus zurück. Es lief über ein diskretes Fifa-Konto. So diskret, dass die Fifa-Macher es nicht bei ihrer Hausbank eingerichtet hatten, sondern bei einem anderen Schweizer Geldhaus“ (Ebenda). Die Fifa überwies die Summe weiter auf ein Konto von Louis-Dreyfus in Zürich (spiegelonline 16.10.2015).
Dann ließ man die Gala platzen. „Der seinerzeitige Fifa-Generalsekretär Urs Linsi schrieb im Januar 2006 an Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, man müsse ‚schweren Herzens’ auf die Gala verzichten, wegen der ‚ungelösten Rasenprobleme’ im Berliner Olympiastadion“ (Aumüller, Kistner 17.10.2015). Die interessante Frage: „Warum ist das Geld, das offenkundig für ein Kulturereignis deklariert war, das nicht stattfand, später vom DFB nicht zurückgefordert worden? Warum blieb ein solcher Vorgang in den Büchern all die Jahre verborgen?“ (Aumüller, Leyendecker, Ott 19.10.2015). – „Warum forderte dann das OK das Geld nicht im Jahr 2006 zurück, nachdem die Fifa, völlig überraschend für die Bundesregierung und das OK, die Berliner Gala abgesagt hatte?“ (Leyendecker, Ott 20.10.2015).

3.2. Robert Louis-Dreyfus (*1946; †2009)
Bereits 1993 kaufte Dreyfus 15 Prozent von Adidas (Dahlkamp u. a. 17.10.2015). Zur Erinnerung: Im Jahr 2000 war Robert Louis-Dreyfus der damalige Chef von Adidas, der die Adidas-Anteile von Bernard Tapie gekauft hatte. Tapie, der im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2007 Nicolas Sarkozy unterstützte, erhielt 2008 vom französischen Staat die phänomenale Entschädigungszahlung von 403 Millionen Euro, da er angeblich beim Verkauf der Adidas-Anteile durch die frühere Staatsbank Crédit Lyonnais übervorteilt worden war (SZ 11.7.2013). Von den 403 Millionen Euro waren 45 Millionen Euro “Schmerzensgeld”, 73 Millionen Zinsen. Die ehemalige Finanzministerin von Sarkozy und jetzige Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, wurde deswegen im Mai 2013 vor dem Gerichthof in Paris vernommen: “Im verschwörungsverliebten Frankreich sehen trotzdem viele Sarkozy, den Wahlsieger von 2007, als heimlichen Drahtzieher hinter der üppigen Entschädigung” (Kläsgen 27.5.2013).
„Sowohl Beckenbauer als auch Radmann hatten Verträge mit Adidas“ (Aleythe 17.10.2015). – „2002 organisierte er (Louis-Dreyfus; WZ) den Übergang der Sportrechte aus dem insolventen Kirch-Imperium an die Schweizer Infront-Gruppe um Günter Netzer, ein weiterer Schritt, das Netzwerk im Fußball noch enger zu knüpfen. Heutiger Chef von Infront ist Philippe Blatter, der Neffe des Fifa-Präsidenten. Man kennt sich eben“ (Ahrens 17.10.2015).

3.3. Robert Louis-Dreyfus und Uli Hoeneß
Es war Louis-Dreyfus, der Bayern-Manager Uli Hoeneß im Jahr 20000 heimlich 20 Millionen Mark zur Verfügung gestellt hatte, angeblich rein privat, angeblich zum Verzocken an der Börse“ (Dahlkamp u. a., 17.10.2015). Louis-Dreyfus richtete das inzwischen bekannte Konto bei Vontobel ein und stellte Hoeneß 20 Millionen Mark für Spekulationsgeschäfte zur Verfügung: Fünf Millionen Mark auf ein Konto und 15 Millionen Mark über eine Bürgschaft. Angeblich soll der Bayern-Manager nach kurzer Zeit die fünf Millionen und den Kredit zurückgezahlt haben (Ebenda). „Auch im späteren Steuerfall Uli Hoeneß war Dreyfus früh mit Geld behilflich“ (Leyendecker, Ott 17.10.2015).
Nur: Warum stellte der Adidas-Chef dieses Millionen-Spielgeld Hoeneß zur Verfügung? “Diese Geschäfte zwischen Hoeneß und dem 2009 verstorbenen Louis-Dreyfus fallen genau in die Zeit, in der der FC Bayern München mit Adidas über einen Einstieg des Sportartikelherstellers in die künftige FC Bayern AG verhandelte. Im September 2001 verkündete Hoeneß, dass sich der Konzern aus Herzogenaurach mit zehn Prozent am Klub beteilige und dafür 75 Millionen Euro in Aktien bezahle. Außerdem verlängerte der FC Bayern den Ausrüstervertrag mit Adidas um sieben Jahre, bis 2010. Diese Partnerschaft besteht bis heute fort. (…) Louis-Dreyfus war bis März 2001 Vorstandschef von Adidas. Sein Nachfolger wurde Herbert Hainer, der den Sportartikelkonzern bis heute führt und auch im Aufsichtsrat des FC Bayern sitzt” (Leyendecker, Ott 13.4.2013). – „Adidas und der FC Bayern bekräftigten 2001, ein Jahr nach dem privaten Dreyfus-Kredit an Hoeneß, ihre gemeinsame Sponsoren-Partnerschaft, obwohl der Konkurrent Nike erheblich mehr Geld geboten haben soll. Dass es dort einen Zusammenhang gegeben haben soll, hat Hoeneß allerdings vehement bestritten“ (Ahrens 17.10.2015). 2002 kauft Adidas einen Anteil von 10 Prozent am FC Bayern. „Als der Deutsche Fußball-Bund (DFB) 2007 einen über zehn Jahre laufenden Ausrüstervertrag mit Adidas abschloss, war die Aufregung groß. Schließlich hatte der US-Sportkonzern Nike dem DFNB mehr als 60 Millionen Euro pro Jahr geboten, Adidas hingegen nur rund 25 Millionen Euro“ (Diekmann 20.10.2015).

4. Fazit
Die Fußball-Weltmeisterschaften Frankreich (1998), Deutschland (2006), Russland (2018) und Katar (2024) stehen unter Korruptionsverdacht. Südafrika ist undefiniert. Einzig Brasilien 2014 ist – unbeabsichtigt – sauber: Da verfolgte die Fifa die Idee, einen Kontinent das Austragungsland auswählen zu lassen. Einzig Brasilien bewarb sich. Bestechungen sind da nicht notwendig. Daraufhin änderte die Fifa sofort wieder den Wahlmodus.
Zur WM 2006 aus dem Beitrag des Spiegel: „15 Jahre hat es gedauert, bis die Logik und die Tatsachen nun offenbar zusammengefunden haben: Warum sollte die deutsche WM die einzig saubere gewesen sein? Sie war nicht sauber“ (Dahlkamp u. a. 17.10.2015).
Und Oliver Fritsch in zeitonline: „Dass die deutsche Bewerbung nicht ganz sauber lief, war lange bekannt. Aber dieser Fall hat neue Dimensionen. Er wird die Debatten verändern. Seit Jahren stöhnt die Fußballwelt aufgebracht über Katar und Russland sowie über die Fifa, das Syndikat des Schweigens und Schmierens. Doch der Fall, sollten die Anschuldigungen stimmen, zeigt: Korruption ist nicht nur die Sache von Diktatoren, Scheichs und Bananenrepubliken. Der Schlamm fließt mitten durch Deutschland. Deutschland wäre Teil der Fußballmafia“ (Fritsch 16.10.2015).

5. Der DFB und die Freshfields-Ermittlungen

– Niersbach nur „Medienfuzzi“
Die Kanzlei Freshfields, welche im Auftrag des DFB die WM-Vergabe 2006 aufklären soll, hat die Zahl ihrer Ermittler auf 30 Anwälte erhöht. Am 5.7.2000, einen Tag vor der WM-Vergabe, erhielt unter dem Code „E16“ eine Person 250.000 Dollar. Freshfields wollte von Niersbach wissen, ob sich dahinter der Neuseeländer Charles Dempsey verberge. Niersbach verwies darauf, dass er bei der WM 2006 nur der „Medienfuzzi“ gewesen sei – und außerdem: „Er habe noch nie mit Zahlen umgehen können“ (Leyendecker, Hans, Mascolo, Georg, Ott, Klaus, Sechshundert Suchbegriffe, in SZ 28.1.2016).
Was Niersbach natürlich als DFB-Präsident besonders qualifiziert…

– Theo Zwanziger belastet
„Zwanziger sei schwer belastet, heißt es aus Verbandskreisen und bei Insidern, die wissen, was so alles gefunden wurde. Unter anderem ein Vermerk mit Zwanzigers Handschrift, der dokumentiert, wie genau im WM-Organisationskomitee (OK) ein Zahlungsvorgang manipuliert worden sein soll – bis exakt jene 6,7 Millionen Euro herauskamen, die als Kulturzuschuss für die WM getarnt wurden und die im Frühling 2005 über den Weltverband Fifa an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus flossen. Als Ausgleich für ein Jahre zuvor heimlich von Louis-Dreyfus gewährtes Darlehen, das wohl dubiosen Fifa-Zwecken diente.
Nach Recherchen von SZ, NDR und WDR spielt der Vermerk vom 18. April 2005 mit Zwanzigers Handschrift mittlerweile eine zentrale Rolle bei der Aufklärung der Millionen-Schieberei. Zwanziger gehörte damals dem Präsidium des WM-OK an. Das hatte seinerzeit dem eigenen Aufsichtsrat mitgeteilt, man wolle eine Fifa-Gala zum WM-Auftakt mit sieben Millionen Euro unterstützen. Anschließend wurden aber im OK 300. 000 Euro herausgerechnet, die für die eigene Personalkosten einzubehalten seien. So kam genau jener Betrag zustande, den man Dreyfus schuldete und für den man eine ‚Buchungsstelle‘ brauchte“ (Zwanzigers Handschrift, in SZ 30.1.2016).

– Fedor Radmann soll zahlen
„In der WM-Affäre fordert der Deutsche Fußball-Bund der ‚Bild‘-Zeitung zufolge von Fedor Radmann, dem früheren Vizepräsidenten des WM-Organisationskomitees, die Zahlung von 6,7 Millionen Euro. Der Vertraute des einstigen OK-Chefs Franz Beckenbauer soll die Summe demnach innerhalb von 20 Tagen an den Verband überweisen. Der Betrag entspricht der Summe, die der DFB vor der Weltmeisterschaft 2006 auf ein Konto des Weltverbands Fifa geleitet hatte. (…) Mit dem Vorgehen gegen Radmann würde der DFB einen weiteren Schritt unternehmen, um einen möglichen finanziellen Schaden vom Verband fernzuhalten. (…) Zuvor hatte der DFB Güteanträge bei der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle in Hamburg eingereicht, um den Anspruch auf möglichen Schadensersatz in Millionenhöhe zu wahren. Die Ansprüche richten sich neben Beckenbauer und Radmann auch gegen die ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach, Ex-DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt, den Testamentsvollstrecker von Robert Louis-Dreyfus sowie die Fifa“ (DFB fordert von Beckenbauer-Freund Radmann 6,7 Millionen Euro, in spiegelonline 9.2.2016).

– Russland 2018 und Katar 2022 und die Geldwäsche
„Das Strafverfahren wegen möglicher Korruption im Fußball-Weltverband Fifa im Zusammenhang mit der WM-Vergabe an Russland und Katar macht Fortschritte. Neun Monate nach Eröffnung bestehe bei inzwischen 152 Finanztransaktionen der Verdacht der Geldwäsche, teilte die Schweizer Bundesanwaltschaft in Zürich mit. Dabei handele es sich um Verdachtsmeldungen über Bankkonten, die jeweils mehrere Geschäftsbeziehungen betreffen können. ‚Die Meldestelle für Geldwäscherei leistet sehr gute Analysearbeit, was die Führung der Strafverfahren der Bundesanwaltschaft wesentlich unterstützt‘, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft“ (152 verdächtige Transaktionen, in spiegelonline 23.2.2016).

– Vergabe WM 2006, auf ein Neues
Der Libanese Elias Zaccour hatte bereits früh gewusst, dass von den vier Stimmen des asiatischen Fußballverbandes AFC die Stimme des Südkoreaners Chung in ein anderes Lager gehen würde. 2003 wurde bekannt, “dass der Medienunternehmer Leo Kirch einen Vertrag aufsetzen ließ, der dem Rennpferde-Liebhaber Zaccour 250.000 Dollar im Jahr bescheren sollte, insgesamt eine Million. Kirch wollte unbedingt die WM ins eigene Land holen, um seine Fernsehrechte teurer vermarkten zu können. Er hatte auch das Geld für so einen Vertrag. der eigentliche Kopf dahinter aber war Fedor Radmann, der engste Vertraute von WM-Bewerbungschef Franz Beckenbauer. Radmann hatte kurz vor dem Vergabetermin Druck gemacht, dass Kirchs Leute den Zaccour-Vertrag schleunigst unter Dach und Fach bringen sollten” (Buschmann, Rafael, Dahlkamp, Jürgen, Latsch, Gunther, Schmitt, Jörg, Der vierte Mann, in Der Spiegel 8/22.2.2016).

– Dresdner-Bank-Mitarbeiterin wird DFB-Personalchefin
Luana K. war früher Firmenkundenberaterin der Dresdner Bank in Frankfurt und „dort zuständig für den Geldverkehr des DFB, kannte seine Konten und zahlreiche Transfers, darunter wohl auch jene 6,7 Millionen Euro, die der DFB im Jahr 2005 über den Umweg an Robert Louis-Dreyfus leitete. Vor einigen Jahren schied Luana K. bei der Bank aus; bald danach hatte sie einen neuen Arbeitgeber: den DFB. Das Merkwürdige: Der Verband machte sie zur Personalleiterin, ein Amt, das sie heute noch hat. (…) Ihre Stelle verdankt sie dem DFB-Vize-Generalsekretär Stefan Hans, den sie aus seiner Zeit als Finanzexperte des WM-Komitees kannte. Bevor er kürzlich wegen seiner Rolle in der Sommermärchen-Affäre seine Stelle verlor“ (Ebenda).

– 4.3.2016: Präsentation des Freshfields-Report
Die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Derringer sichtete mit zeitweilig 35 Juristen 128.000 elektronische Dokumente und 740 Aktenordner. Die Freshfields-Juristen können einen Stimmenverkauf vor der Vergabe der WM 2006 nicht beweisen, aber auch nicht ausschließen. Die Drei Freshfields-Kernthesen: 1) Kein Beweis für Stimmenkauf bei WM 2006, aber auch kein Gegenbeweis; 2) Die 10 Millionen Franken wurden im direkten Umfeld von Franz Beckenbauer nach Katar lanciert. 3) Der frühere DFB-Präsident Wolfgang Niersbach wusste früher, als er zugab, von der Affäre.
Einige Ergebnisse des 380 starken Freshfields-Berichtes in Kurzform:
– Ab Ende Mai 2002 flossen sechs Millionen Franken in mehreren Tranchen von einem Konto, das auf Robert Schwan oder Franz Beckenbauer lief, auf ein Konto der Kanzlei Gabriel & Müller im Schweizer Ort Sarnen, Kanton Obwalden.
– Beckenbauers früherer Berater Hans Hess hatte eine Kanzlei, in der Rechtsanwalt Othmar Gabriel gearbeitet hat. Gabriel stand auch mit Beckenbauer-Manager Robert Schwan im Handelsregister der Fa. SKK-Rofa, die im Jahr 2010 von Gabriel liquidiert wurde. Beckenbauer hatte 1977 seinen Wohnsitz aus steuerlichen Gründen nach Sarnen verlegt. Hess saß seit 1978 für die FDP im Ständerat und war seit 1981 Justizdirektor im Kanton Sarnen, wo er sich für eine Tiefsteuerpolitik einsetzte. Beckenbauer verdiente bei Cosmos New York von 1977 bis 1980 sieben Millionen DM – und zahlte dank Hess knapp 20.000 Franken Steuern pro Jahr in Sarnen (Buschmann, Raphael u. a., Schmutz in der Schweiz, in Der Spiegel 10/5.3.2016). Hess war wiederum über die Fa. Heka GmbH mit den Werbeeinnahmen Beckenbauers der Jahre 1970 bis 1975 befasst: Heka war das Kürzel für Hess und Kaiser.  – „Als Hess die Firma Heka liquidierte, versuchte er, wie die Richter später feststellten, gut 1,2 Millionen Franken an der Steuer vorbeizuschleusen“ (Dahlkamp u. a., Beckenbauer bediente sich eines alten Schweizer Netzwerks, in spiegelonline 5.3.2016). Beckenbauer musste seine Steuerschulden nachzahlen. Hess wurde wegen der Steueraffäre Beckenbauer in erster Instanz verurteilt und zog bis vor das Schweizer Bundesgericht. Er wurde im Sommer 1989 zu 124.000 Franken Geldbuße verurteilt und trat als Regierungsrat zurück (Haniman, Carlos, Der Briefkastenkönig, in woz.ch 21.1.2010).

– Der Geld-Terminplan der WM 2006
* 29.5. – 8.7.2002: Beckenbauer/Robert Schwan überwiesen in vier Tranchen 6 Millionen Schweizer Franken für „Asienspiele 2006“ an Advokaturbüro und Notariat Gabriel & Müller in Sarnen.
* 6 Millionen Franken gingen von dort kurz danach an Kemco Scaffolding Co. in Katar; einziger Anteilseigner seit 1985: Mohamed bin Hammam, Fifa-Exekutivmitglied bis 2011, von der Fifa lebenslang wegen Bestechung gesperrt.
* Am 16.8.2002 werden von Robert Louis-Dreyfus 10 Millionen Franken an Gabriel & Müller überwiesen.
Wo diese landeten, ist bislang unklar. Jack Warner? Chung Jong-Moon? Sepp Blatter – der bei der Fifa-Präsidentenwahl im Mai 2002 vom afrikanischen Fußball-Chef Issa Hayatou herausgefordert wurde? Genaueres wird man wohl bei den Ermittlungen der Schweizer und der US-Behörden erwarten können.
* 6 Millionen Franken gingen am 3.9.2002 von Gabriel & Müller an Beckenbauer/Schwan zurück. „Damit erhielt Beckenbauer die Summe zurück, die er Bin Hammam zuvor hatte zukommen lassen“ (Dahlkamp, Jürgen u.a., Beckenbauer Schlüsselfigur bei ominöser Millionenzahlung, in spiegelonline 4.3.2016). 4 Millionen Franken gingen am 5.9.2002 an die Kemco von Hammam. Hammam hatte also insgesamt 10 Millionen Franken erhalten. Verwendungszweck: „Asien Games 2006 Schlusszahlung“.
* Der DFB überwies am 27.4.2005 6,7 Millionen Euro = 10 Millionen Franken an die Fifa, Titel: „Kulturprogramm WM-Eröffnung“.
* Die Fifa sandte dann umgehend die 6,7 Millionen Euro an Robert Louis-Dreyfus.
(Quellen: WM-Affäre: Der Weg des Geldes, in SZ 5.3.2016; Kemco – Dienstleister im Fifa-Sumpf, in SZ 5.3.2016; Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Spur nach Kitzbühel, in SZ 5.3.2016; Buschmann, Raphael u. a., Schmutz in der Schweiz, in Der Spiegel 10/5.3.2016).

– Damalige DFB-Spitze überweist auf Fifa-Konto
Freshfields-Anwalt Christian Duve erklärte, die damaligen OK-Mitglieder Horst R. Schmidt und Theo Zwanziger hätten im April 2005 die Rückzahlung der fiktiven Überweisung auf ein Fifa-Konto vorgenommen. Offizielle Deklaration: Zuschuss für WM-Gala 2006 (DFV verschleierte Millionenzahlung, in spiegelonline 4.3.2016). Von dem Fifa-Konto floss die Summe dann an Robert Louis-Dreyfus zurück. „Als die Gala dann im Januar 2006 abgesagt wurde, habe es vom DFB keine Rückforderung gegeben“ (Ebenda).
Der frühere DFB-Präsident Wolfgang Niersbach wusste bereits im Sommer 2015 von der fragwürdigen Millionenüberweisung – und lehnte eine Information der DFB-Spitze ab (DFB-Spitze weicht Fragen nach Niersbach aus, in spiegelonline 4.3.2016).

Aus einem Kommentar von Peter Ahrens in spiegelonline: „Allen durchaus glaubwürdig klingenden Beteuerungen in Sachen Transparenz zum Trotz, die am Freitag vor allem vom kommissarischen Verbandschef Rainer Koch zu hören waren – beim DFB wäre man sicherlich heilfroh, wenn nach den turbulenten Monaten der Vergangenheit wieder Ruhe einkehren könnte. Zumal der designierte DFB-Präsident Reinhard Grindel jahrelang im Vorstand des Verbands eng an der Seite Niersbachs saß und die Fragen, was und wann er exakt von all dem erfahren hat, auch noch auf ihn zukommen werden. Die Sache aus DFB-Sicht jetzt als erledigt zu betrachten, wäre allerdings der Schritt in die falsche Richtung. Wer glaubwürdig einen Neuanfang machen will, der muss auch billigend in Kauf nehmen, dass noch für den Verband Unangenehmes an die Öffentlichkeit kommen kann. Dazu gehört auch die unweigerliche Debatte, ob Wolfgang Niersbach den deutschen Fußball tatsächlich in den internationalen Gremien weiter vertreten sollte“ (Ahrens, Peter, Erst ein Anfang, in spiegelonline 4.3.2016).

– Niersbach laut Niersbach unschuldig
„Durch den am Freitag veröffentlichten Bericht der Wirtschaftskanzlei Freshfields sieht sich der 65-Jährige, der im vergangenen November von seinem Posten als DFB-Chef zurückgetreten war, keineswegs belastet. Dass der Weltverband Fifa 6,7 Millionen Euro quasi als ‚Provision‘ für einen Zuschuss zur Weltmeisterschaft 2006 gefordert habe, habe er erst im Sommer 2015 erfahren, sagte Niersbach. Das habe der Report auch ‚zweifelsfrei bestätigt‘. (…) Dass eine Mitarbeiterin von Niersbach einen Aktenordner mit der Aufschrift ‚Fifa 2000‘ aus dem DFB-Archiv entliehen hat, der seitdem verschwunden ist, habe er nicht angeordnet. ‚Ich habe weder angewiesen, dass ein Ordner aus dem Archiv geholt wird, noch habe ich einen verschwinden lassen. Dieser Vorwurf macht mir persönlich am meisten zu schaffen. Ich bin seit 43 Jahren in der Sportlandschaft unterwegs, davon 27 Jahre beim DFB, und ich denke, dass ich mir in dieser Zeit einen seriösen und glaubwürdigen Ruf erworben habe. Dass da an meiner Reputation gezweifelt wird, tut unglaublich weh.‘ Seine Ämter in den Exekutivkomitees der Uefa und der Fifa möchte er behalten: „Das habe ich vor, ja“ (Niersbach gibt sich unschuldig, in spiegelonline 6.3.2016).

– Fifa-Ethikkommission prüft Niersbach
„Wolfgang Niersbach droht weiterer Ärger: Die Fifa-Ethikkommission prüft Konsequenzen aus dem Untersuchungsbericht der Kanzlei Freshfields zur DFB-Affäre. Darin wird der ehemalige DFB-Boss massiv belastet. (…) Niersbach könnte durch die Fifa-Ethikhüter gesperrt werden und damit seine Ämter bei der Fifa und der Uefa verlieren. Die Interimsspitze des Deutschen Fußball-Bundes hatte sich zuletzt von Niersbach distanziert. Bei der Präsentation des Freshfields-Berichts am Freitag hatte DFB-Interimschef Rainer Koch das Verhalten Niersbachs bei der Skandalaufarbeitung im Vorjahr als ‚inakzeptables Vorgehen‘ bezeichnet“ (Fifa prüft Konsequenzen aus Freshfields-Bericht, in spiegelonline 5.3.2016).

– Freshfields-Kanzlei  gehandicapt

Der Freshfields-Kanzlei fehlten Befugnisse wie sie die Frankfurter Staatsanwaltschaft und die mit der Causa Fifa beschäftigten Schweizer und US-Stellen haben: Freshfields konnte dennoch Vertuschung und Verklärung feststellen. „Bei der Sicht der DFB-Unterlagen stellte Freshfields fest, dass elektronische Datenbestände mittlerweile gelöscht wurden und dass ganze Dokumentenstapel nicht mehr auffindbar waren. Einer der verschwundenen Ordner trug den Namen: ‚Fifa 2000‘. Das Jahr 2000 war das Jahr der WM-Vergabe“ (Buschmann, Rafael u. a., Ein Konto in Sarnen, in spiegelonline 4.3.2016).
– Die nach wie vor unbeantwortete Frage: Was geschah mit den zehn Millionen Franken? Ging das Geld an Jack Warner, weil der Südkoreaner Chung Jong-Moon Deutschland nicht wählte? Freshfields betonte den prophylaktischen Status des Vertrags mit Warner: Das Thema Stimmenkauf umgeht Freshfields mehr oder weniger elegant: „Freshfields hakt das Thema flott ab“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Das Zehn-Millionen-Rätsel, in SZ 8.3.2016). Im Mai 2001 wurde der Vertrag des DFB mit Jack Warner (über zehn Millionen DM, nicht Schweizer Franken) vom Juli 2000 im DFB unter „Budgetfragen“ diskutiert (Ebenda). Allein 1000 WM-Premium-Tickets gingen an Warner: „Ernst & Young beschrieb, wie sein Familienbetrieb bis zu 840.000 Euro Gewinn abschöpfte“ (Ebenda; siehe auch oben).

– Franz Beckenbauer Schlüsselfigur
Aus einem Kommentar von Jürgen Dahlkamp in spiegelonline: „Beckenbauer hatte geglaubt, davonzukommen, als Idol, Ikone, zur Not als Idiot. Als der SPIEGEL die ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro des früheren Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus aufdeckte und danach noch eine Menge anrüchiger Dinge rund um die Vergabe der deutschen WM 2006 ans Licht kamen, hatte Beckenbauer zunächst versucht, sich mit seiner angeblichen Naivität herauszureden. (…) Franz Beckenbauer war die Schlüsselfigur bei der Zahlung von 10 Millionen Schweizer Franken an den zwielichtigen Fifa-Funktionär Mohamed Bin Hammam aus Katar. Keiner kann, und schlimmer, keiner will ihm mehr glauben, dass er keine Ahnung hatte, wohin das Geld am Ende ging. Und wofür. Denn er selbst war zunächst mit sechs Millionen Franken in Vorleistung getreten, und er selbst bekam von den zehn Millionen des Franzosen deshalb sechs Millionen zurück. (…) Es war sein dunkles Geheimnis, es sollte sein dunkles Geheimnis bleiben: Was musste er für seinen Sieg tun, die WM nach Deutschland zu holen? Oder was für den Triumph, ihr finanzielles Gelingen mit einem hart umkämpften Fifa-Zuschuss zu sichern – obwohl nicht nur die WM, sondern auch dieser Zuschuss längst sicher waren, als Beckenbauer und dann Louis-Dreyfus das Geldkarussell in Gang setzten? Was also war so wichtig, dass Beckenbauer so eisern schwieg bis heute (…) Der Kaiser ist Geschichte. Das ist tragisch, das ist traurig, bei all seinen Verdiensten. Aber auch verdient. Für all seine Fehler“ (Dahlkamp, Jürgen, Dank ab, Kaiser! in spiegelonline 5.3.2016).

Aus einem Kommentar von Claudio Catuogno in sueddeutsche.de: „Über seine Rolle in der Sommermärchen-Affäre hat Franz Beckenbauer wörtlich gesagt, er sei ein ‚Trottel‘ gewesen. Trottel, das klingt irgendwie niedlich. Das klingt gutmütig und arglos, und genauso wollte Beckenbauer diese Selbstbezichtigung auch verstanden wissen. Da habe er es im Jahr 2002 doch tatsächlich in Erwägung gezogen, zehn Millionen Franken aus seinem Privatvermögen an die Fifa zu überweisen, um im Gegenzug 250 Millionen Franken Finanzzuschuss für die Organisation der Fußball-WM 2006 zu bekommen. (…) Außerdem legt der Bericht offen, wie im DFB sämtliche Kontrollmechanismen versagten, als es 2005 an die diskrete Rückzahlung des Louis-Dreyfus-Darlehens ging, und wie der inzwischen zurückgetretene Präsident Wolfgang Niersbach 2015 einen letzten verzweifelten Versuch unternahm, die Dinge nach alter Fußballer-Tradition still unter Kameraden zu lösen. (…) Franz Beckenbauer hingegen verkriecht sich weiter in seiner Märchenwelt. Ob er nicht reinen Tisch machen könne, fragen sich viele. Die Zeiten waren eben andere damals, das Sommermärchen bleibt unvergessen – und ihm, der Lichtgestalt, würde das Land doch quasi alles verzeihen. Die neuen Erkenntnisse geben einen Anhaltspunkt, warum Beckenbauer das eben nicht kann. Weil sich auf dem Tisch über die Jahre zu viel Unrat angesammelt hat“ (Catuogno, Claudio, DFB-Affäre: Beckenbauers Märchen, in sueddeutsche.de 4.3.2016).

Beckenbauer weiß von nichts
„‚Ich habe erst vergangenen Mittwoch erfahren, dass das Geld nach Katar gegangen ist‘, sagte der ehemalige Chef des Organisationskomitees der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 der Bild am Sonntag. Die Ermittlungen der Kanzlei Freshfields beim Deutschen Fußball-Bund hatten zuvor ergeben, dass im Juli 2002 sechs Millionen Schweizer Franken von einem Konto von Beckenbauer und seinem noch im gleichen Monat gestorbenen Manager Robert Schwan zunächst in die Schweiz und von dort nach Katar an eine Firma des dubiosen FIFA-Spitzenfunktionärs Mohammed bin Hammam geflossen waren. (…) Beckenbauer betonte erneut, es habe sich um eine Sicherheit gehandelt, um vom Weltverband Fifa einen Finanzzuschuss für die WM zu bekommen. (…) Die Freshfields-Anwälte beurteilten die Aussagen so: ‚Es ist für uns kaum vorstellbar, dass man derartige Geldbewegungen auf eigenen Konten nicht mitbekommt.‘ Beckenbauers Unkenntnis sei ‚befremdlich‘. (…) Die Freshfields-Anwälte kamen deshalb nur zu dem Schluss, dass es für die Vorgänge rund um Beckenbauer, Louis-Dreyfus und bin Hammam keine ‚plausible Erklärung‘ gebe“ (Beckenbauer will von Millionenzahlung nach Katar nichts gewusst haben, in sueddeutsche.de 5.3.2016).

– Fifa verklagt Fifa-Funktionäre
Die Fifa informierte am 16.3.2016 die US-Behörden auf 22 Seiten, dass sie Dutzende von Millionen Dollar von früheren korrupten Funktionären wie Jack Warner und Chuck Blazer zurückfordert. Im Einzelnen fordert die Fifa von folgenden ehemaligen Fifa-Funktionären folgende Beträge: Chuck Blazer (USA) 5 374 148 Dollar; Rafael Salguero (Guatemala) 5 134 980 Dollar; Jack Warner (Trinidad) 4 462 263 Dollar; Ricardo Teixeira (Brasilien) 3 514 025 Dollar; Nicolás Leoz (Paraguay) 3 254 886 Dollar; Jeffrey Webb (Cayman) 2 016 205 Dollar; Marco Polo Del Nero (Brasilien) 1 673 171 Dollar; Eugenio Figueredo (Uruguay) 1 011 018 Dollar (Spitzenreiter Blazer, in SZ 17.3.2016).
Das liest sich wie ein (ehemaliges) „Who-is-Who“ der Fifa-Nomenklatur. Sepp Blatter fehlt – noch.
„Nach Einschätzung der US-Justiz flossen in den Korruptionsfällen mindestens 190 Millionen Dollar Schmiergeld, mehr als die Hälfte haben die Behörden schon eingefroren“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Klage gegen die Korrupten in SZ 17.3.2016).

– Blatters Gehalt ungenau bekannt
Blatter bemühte sich bis zum Schluss, die Höhe seines Gehaltes geheim zu halten: Der Einzige, der wohl darüber Bescheid wusste, war sein ehemaliger Vize Julio Grondona. Im Fifa-Finanzbericht für das Jahr 2015 steht nun für den Fifa-Paten ein Gehalt von 3,32 Millionen Euro. (Das Gehalt für Blatter betrifft aber ein „Rumpf-Geschäftsjahr“, denn Anfang Juni 2015 trat er zurück, seit Oktober 2015 war er suspendiert und durfte sein Büro nicht mehr betreten.) Der entlassene Generalsekretär Jerôme Valcke erhielt 1,94 Millionen Euro, die Mitglieder des Exekutivkomitees 270.000 Euro. Im Jahresreport von 2014 wurden für die „leitenden Organe“ 35 Millionen Euro aufgelistet. „Setzt man die 24 Exekutivmitglieder mit 270.000 Euro pro Kopf an und jeden der zehn Direktoren großzügig mit einer halben Million Euro, blieben immer noch zirka 20 Millionen Euro übrig. Und auf der Empfängerseite nur noch zwei Personen: der Generalsekretär und der Präsident“ (Kistner, Thomas, 3,3 Millionen für Blatter, in SZ 18.3.2016).

– DFB verklagt Organisationskomitee der WM 2006
„Der frühere OK-Chef Beckenbauer und seine damaligen Vizes sollen bei der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (ÖRA) der Hansestadt Hamburg erklären, ob sie gedenken, 7,7 Millionen Euro an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu zahlen. Als Schadenersatz in der Affäre um die WM 2006. Es geht um die 6,7 Millionen Euro, die das von Beckenbauer geleitete OK vor der Weltmeisterschaft verschoben hatte, plus eine Million Euro Zinsen. Mindestens. Weitere Forderungen könnten noch folgen. Der DFB hat die 7,7 Millionen Euro Ende 2015 geltend gemacht; in einem bei der ÖRA eingereichten ‚Antrag auf Einleitung eines Güteverfahrens’“ (Leyendecker, Hans, Ott, Klaus, „Erheblichen Schaden zugefügt“, in SZ 22.3.2016).

– Fifa geht gegen Niersbach und Beckenbauer vor
„Die Fifa-Ethikkommission hat ein Verfahren wegen der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland eröffnet. Die Untersuchungen richten sich unter anderem gegen den früheren DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach und den damaligen Organisationskomitee-Chef Franz Beckenbauer, teilte der Weltverband Fifa mit. Auch gegen Niersbachs Vorgänger Theo Zwanziger, die Ex-Generalsekretäre Helmut Sandrock und Horst R. Schmidt sowie Ex-DFB-Mitarbeiter Stefan Hans werde ermittelt. Alle sechs waren Mitglieder des Organisationskomitees für die WM. Sie werden jeweils verdächtigt, den Fifa-Ethikcode verletzt zu haben“ (Fifa leitet Verfahren gegen Niersbach und Beckenbauer ein, in spiegelonline 22.3.2016). – Niersbach „muss damit rechnen, bald auch seine Vorstandsämter im Weltverband sowie im Europaverband Uefa zu verlieren. (…) Niersbach hat als Einziger aus dem Sextett (des OK der WM 2006; WZ) noch hohe, lukrative Ämter in den Vorständen von Fifa und Uefa inne“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Fifa gegen Sommermärchen, in SZ 23.3.2016). Auch gegen den früheren DFB-Präsidenten Theo Zwanziger ermittelt die Fifa. Zwanziger gab sich im Interview empört, „wie Niersbach offenbar mit Samthandschuhen behandelt werden soll. (…) Während die Ethikkommission bei Blatter und Platini sofortige Sperren ausgesprochen hat, bleibt Niersbach, der monatelang die Verbandsführung getäuscht hat, im Amt. Sehr erstaunlich“ (Teevs, Christian, Zwanziger attackiert Fifa-Ermittler, in spiegelonline 22.3.2016).

– Reinhard Grindel neuer DFB-Präsident
Am 15.4.2016 wurde der CDU-Bundestagsabgeordnete und vormalige DFB-Schatzmeister zum DFB-Präsidenten als Nachfolger von Wolfgang Niersbach gewählt. Im SZ-Interview sagte er davor: „Vor allem wurden die Fragen um die WM-Vergabe im Jahr 2000 und die Zahlungsflüsse der 6,7 Millionen Euro in den Jahren danach unabhängig und soweit es für uns möglich war, transparent aufgeklärt“ (Kistner, Thomas, „Die Seele des Fußballs ist unantastbar“, in SZ 15.4.2016).
Mit Betonung auf: „Soweit als möglich…“ Nach wie vor sind die Geldflüsse und Adressaten unklar.
Aus einem Kommentar von Christian Teevs in spiegelonline: „Laut einem Bericht der ‚Bild‘-Zeitung hat Grindel in seiner Funktion als DFB-Schatzmeister versäumt, das Finanzamt rechtzeitig über die dubiose 6,7-Millionen-Euro-Zahlung zu informieren, die im Zentrum der WM-Affäre steht. (…) Doch für einen glaubwürdigen Neuanfang, den der DFB angesichts der zahllosen ungeklärten Fragen in der WM-Affäre braucht, steht Grindel nicht. Er war seit Oktober 2013 Schatzmeister des Verbands, arbeitete still an der Seite von Niersbach und steht nun fast zwangsläufig von Beginn an unter Druck. Dazu kommt: Auch den Posten des Generalsekretärs übernimmt mit Friedrich Curtius jemand, der dafür steht, dass beim DFB alles so weiter gehen soll wie bisher. Curtius war bis zu seiner Wahl Büroleiter von Niersbach, seit 2006 arbeitet er für den Verband“ (Teevs, Christian, Typisch DFB, in spiegelonline 15.4.2016).
Aus einem Beitrag von Johannes Aumüller in der SZ: „Rein formal läuft das Ganze am Ende wieder so, wie solche Tage in Sportverbänden nun mal ablaufen. Eine Tagung im Saal ‚Harmonie‘, nur ein Kandidat fürs verwaiste Präsidentenamt, eine offene Abstimmung und nahezu nordkoreanische Verhältnisse beim Wahlergebnis: 98,4 Prozent für den Bewerber – also ist an diesem Freitag um 13.04 Uhr der CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel, 54, zum zwölften Präsidenten in der Geschichte des Fußball-Bundes (DFB) gewählt. (…) Es gibt viele in der Szene, die zweifeln, ob Reinhard Grindel tatsächlich geeignet ist, einen ’neuen DFB‘ zu errichten. Und so mancher Skeptiker fühlt sich vom Ablauf des Wahltages in seiner Meinung durchaus bestätigt“ (Aumüller, Johannes, Schwärmen von Seeler, in SZ 16.4.2016. Laut HeuteJournal des ZDF vom 15.4.2016 wurden die Journalisten während des Wahlvorgangs vom DFB des Saales verwiesen.) Aumüller weiter: „Aber neben dem Disput zwischen Profis und Amateuren gab es ja noch dieses Thema, das den außerordentlichen Bundestag und die Präsidenten-Neuwahl überhaupt erst ausgelöst hat: die WM-Affäre. Grindel spricht viel davon, dass es jetzt um Vertrauen und Integrität gehe. Aber Anmerkungen über pikante Zutaten des Skandals wie etwa die anrüchigen 6,7 Millionen Euro fehlen in seiner Rede, ebenso Vorwürfe in Richtung der damals Verantwortlichen wie etwa Franz Beckenbauer“ (Ebenda). – „Der Neue beim DFB, Reinhard Grindel, brachte es fertig, das Publikum nur zwei Tage nach seiner Wahl vor gut einer Woche zu enttäuschen. Es gebe ’nichts‘, was für eine gekaufte WM 2006 in Deutschland spreche, sagte er der ‚Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung‘. So als habe er den Freshfields-Untersuchungsbericht des DFB zu einer dubiosen Zahlung von 6,7 Millionen Euro, in dem es von Hinweisen nur so wimmelt, nicht gelesen“ (Buschmann, Rafael, Dahlkamp, Jürgen, Latsch, Gunther, Schmitt, Jörg, VIP-Service, Tor 13, in Der Spiegel 17/23.4.2016).

– Niersbach bleibt privilegierter Fußball-Funktionär
Am Tag des Rücktritts von Niersbach boten Reinhard Grindel, Reinhard Rauball und Rainer Koch diesem einen Vertrag an, der ihn neben dem VIP-Service am Frankfurter Flughafen und einer Sekretärin als Vertreter des DFB in der Fifa (bis 2019, 264.000 Euro pro Jahr plus Tagespauschale) und der Uefa (bis 2017, mindestens 50.000 Euro) bestätigte. „Ein absurder Vorgang. Denn das DFB-Präsidium kann Niersbach in diesen Gremien weder bestätigen noch abberufen“ (Ebenda).

– Netzer und Zwanziger einigen sich
Günter Netzer und der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger haben sich vor einem Gerichtstermin geeinigt. Zwanziger hatte behauptet, Netzer habe ihm im Herbst 2012 am Züricher Flughafen berichtet, dass die vier asiatischen Stimmen bei der WM-Wahl 2006 von Deutschland gekauft worden seien. Zwanziger erklärte nun, es gebe für ihn „nach Vorlage des Freshfields-Berichtes keinen Grund mehr, die Aussage zu wiederholen“ (SID, Streit beigelegt, in SZ 25.4.2016).
Dazu aus einem Kommentar von Thomas Kistner in der SZ: „Günter Netzer wollte Zwanziger die Aussage verbieten, er habe diesem gegenüber in Hinblick auf ungeklärte Geldzahlungen im Organisationskomitee (OK) für die WM 2006 erklärt, damit seien die Voten von vier asiatischen Wahlleuten gekauft worden. (…) Netzer zog gleich eine außergerichtliche Einigung vor. Leider. (…) Denn hier sind relevante Fragen offen. Es wäre sehr erkenntnisfördernd gewesen, den Mann vor Gericht zu hören, der rund um die Affäre nach Aktenlage eine viel weiterreichende Rolle ausgeübt haben dürfte, als im Untersuchungsreport der vom DFB eingesetzten Kanzlei Freshfields zum Ausdruck kommt. (…) Netzer vs. Zwanziger: Das hätte spannend werden können. (…) Netzers Rückzug passt in die Defensivhaltung der damaligen Akteure. Dass Zwanziger hier gefühlt der Sieger ist, legt auch die gemeinsame Erklärung nahe. Darin erklärt Netzer, er habe keine Aussage getroffen, die als Stimmkauf interpretiert werden könne. Das nimmt Zwanziger nur zur Kenntnis; ist über das Thema also doch gesprochen worden? Zwanziger erkl&