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Bündnis 90/Die Grünen lehnen die Bewerbung „München 2018“ um die Olympischen Winterspiele 2018 ab.

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23.11.2010

Auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Freiburg wurde am Samstag, den 20.11.2010 über folgenden Antrag abgestimmt, den Ludwig Hartmann, Katharina Schulze, Korbinian Freier und andere eingebracht hatten:

Den Antrag begründeten Katharina Schulze vom Kreisverband München und Korbinian Freier vom Kreisverband Garmisch-Partenkirchen/Oberammergau. Katharina Schulze bezeichnete die Olympia-Bewerbung als „das Stuttgart 21 Münchens“; die Grünen seien mit dem Einfluss auf das Projekt gescheitert (Schwarze 21.11.2010). Sie sei in die Partei eingetreten, weil bei ihr „Ökologie und Nachhaltigkeit an erster Stelle stehen“; an der Olympiabewerbung „kann man nichts Grünes und Nachhaltiges mehr erkennen“ (Denkler 20.11.2010). Freier sprach von „Spielen im Kunstschnee: Das sind die Spiele der fehlenden Partizipation. Das sind die Spiele der frisierten Zahlen“ (spiegelonline 21.11.2010). Es werde für eine „18-Tage-Party hektarweise Land umgepflügt“ (Denkler 20.11.2010).

Gegen den Antrag sprachen sich der Münchner Stadtrat Florian Roth und der sportpolitische Sprecher Winfried Hermann aus. Dieser sagte: „Das ist das beste, ökologisch nachhaltigste Konzept, das es jemals gegeben hat“ (Schwarze 21.11.2010).

Der Antrag wurde mit 289 Ja-Stimmen gegen 244 Nein-Stimmen und 70 Enthaltungen angenommen. In den Bewerbungsunterlagen muss nun gestrichen werden, dass das Bündnis 90/Die Grünen die Bewerbung München 2018 mittragen.

Korbinian Freier sagte nach der Wahl: „Wir brauchten endlich eine klare Position. Die fehlende einheitliche Linie wurde als Zustimmung interpretiert, dabei gab es bislang keinen bundesweiten Beschluss. Nur weil die Grünen regierungsfähig sind, dürfen wir uns nicht wegducken… Olympia, wie es heutzutage nun mal ist, kann man bei uns nicht verträglich für Finanzen, Umwelt und Menschen abhalten. Punkt “ (merkuronline 21.11.2010).

„Die Parteispitze war anderer Meinung“, sagte die Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke. (Schwarze 21.11.2010) Claudia Roth trat am Sonntag früh aus dem Kuratorium der Bewerbungsgesellschaft München 2018 aus, wofür sie von ihren Parteifreunden Respekt erntete und sagte im Interview: „Es gab eine klare Mehrheit auf dem Parteitag für die Olympia-Gegner“ (Bauchmüller b22.11.2010).

Kleine Presseschau:

Aus Berlin:
Winfried Hermann, Sportpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, hatte im Vorfeld überlegt, Michael Vesper, den DOSB-Generaldirektor in Freiburg reden zu lassen: Er verwarf die Idee, von der auch DOSB-Präsident Thomas Bach sagte: „Ich glaube nicht, dass das hilfreich gewesen wäre“ (Der Tagesspiegel 22.11.2010).
Hermann schrieb in einer Pressemitteilung zu Freiburg : Vor allem Grüne hätten eine „durch und durch ökologisch nachhaltige Bewerbungskonzeption“ durchgesetzt. München 2018 sei die „mit Abstand grünste Bewerbung, die je für Olympische Spiele abgegeben wurde“.
Das behauptet spätestens seit Vancouver inzwischen jede Bewerbung.

München könnte 2018 „die ersten nachhaltigen Spiele ausrichten. Dafür werde ich mich als Sportpolitischer Sprecher weiter einsetzen.“
Vulgo: Das Votum des Parteitages ist Hermann völlig egal.

Hermann hätte es besser gefunden, „den Antrag auf der Bundesdelegiertenkonferenz wegen Nichtzuständigkeit auch nicht zu befassen. Bewerber ist nämlich die Stadt München und nicht die Grüne Partei“ (Hermann 22.11.2010).
Interessante Sichtweise: Zwar traten und treten Michael Vesper (DOSB-Generaldirektor), Winfried Hermann, die Grünen Münchner Stadträte und andere als Verfechter von München 2018 und Vertreter der Grünen Partei auf, aber Hermann spricht seiner Partei eine Ablehnung der Bewerbung wegen „Nichtzuständigkeit“ ab.

Hermann spottete im Tagesspiegel-Interview: „Zwei junge Delegierte aus Bayern, die ich nicht kannte, haben mit ihren Beiträgen das Herz der alten Väter und Mütter der Grünen gerührt.“ Zum Vergleich mit Stuttgart 21 merkte Hermann an: „Ihr in München habt nicht einmal eine Demo gegen Olympia auf die Beine gestellt.“
Das Bild der Demo ging durch alle Zeitungen.

Und er lobte München 2018 in höchsten DOSB-Tönen: „München ist die grünste Bewerbung… Alle ökologischen Vorschläge sind umgesetzt worden, mit Ausnahme eines Biosphärenreservats…“ (Der Tagesspiegel 22.11.2010)

Hermann verbreitete dazu unwahre Angaben: „Die Schneekanonen sind alle gebaut. Sie werden nicht mehr mit Wasser betrieben, das Bächen entnommen wird…“ (FAZ 24.11.2010)
Nun sollen allein in Schwaiganger zwei Kilometer Leitung zur Loisach und acht Kilometer Leitungen zum Beschneien gebaut werden: temporär! Und da das IOC eine Beschneihöhe von 50 Zentimeter vorschreibt, wird auch in Garmisch-Partenkirchen nachgebessert werden müssen.

Am 22.11.2010 setzte Hermann Folgendes auf seine eigene Website: „Deutscher Olympischer Sportbund: Stellungnahme zur 2018-Entscheidung der Grünen. DOSB-Präsident Thomas Bach und Generaldirektor Michael Vesper beziehen Position“.
Ist Winfried Hermann noch bei den Grünen oder schon beim DOSB?!

Aus der DOSB-Zentrale:

Thomas Bach, DOSB-Präsident, IOC-Vizepräsident, erzählte: „Aber wir brauchen keine neue Eisenbahnlinie, keine neue Straße“ (Grün ohne Grüne, in Der Tagesspiegel 22.11.2010).
Falsch: 600 Millionen Euro sollen in den Straßenausbau für die A 95 mit zwei Tunneln, den  vierspurigen Ausbau Föhringer Ring in München etc. gesteckt werden.

Bach führte weiter aus, „dass nur eine Fläche von der Größe eines Fußballfeldes versiegelt würde“ (Grün ohne Grüne, in Der Tagesspiegel 22.11.2010).
Diese Aussage ist eine solche Frechheit und so eindeutig falsch, dass sie hier nicht weiter kommentiert werden muss.

Die Abstimmung der Grünen sei laut Bach angeblich völlig folgenlos: „Die Erfolgschancen der Bewerbung werden durch diese Verweigerungshaltung einer Oppositionspartei nicht beeinträchtigt“ (Sport-Funktionäre kritisieren Grünen-Beschluss, in spiegelonline 21.11.2010).

DOSB-Generaldirektor Michael Vesper verfasste vor Freiburg ein fünfseitiges Papier „Ja zur Olympiabewerbung München 2018“, in dem die üblichen verharmlosenden DOSB-Plattitüden standen. Vesper behauptete: „Der Antrag enthält leider viele Fehlinformationen, die in einer zwanzigminütigen Debatte kurz vor Mitternacht nicht geklärt werden können“ (Sport-Funktionäre kritisieren Grünen-Beschluss, in spiegelonline 21.11.2010).
Wenn ein kritischer Antrag nicht mit der olympischen DOSB-Welt übereinstimmt, ist er eine „Fehlinformation“.

Aus dem Münchner Rathaus:
Christian Ude kritisierte überraschend Claudia Roth, die eine „wenig überzeugende Vorstellung abgegeben“ habe, die entweder auf einen „Verlust an Persönlichkeit oder an Überzeugung“ schließen lasse (Hutter 21.11.2010; Bauchmüller 22.11.2010).
Bei solchen Freunden braucht man keine Feinde mehr.

Die Grünen Münchner Stadträte machen weiter, als wäre nichts geschehen. Fraktionschefin Lydia Dietrich sagte: „Wir gehen unseren Weg weiter“ (Hutter 21.11.2010)
Grüne Stadträte allein zu Hause – aber unverbrüchlich vereint mit CSU, SPD und FDP. Das Münchner Rathaus wird zum Olympischen Isolationsbunker.

FDP-Fraktionschef Michael Mattar forderte den Rückzug der Grünen Stadträte aus Olympia-Gremien, da sie auf keiner Partei-Ebene mehr Rückhalt hätten. SPD-Chef Hans-Ulrich Pfaffmann lobte die Grünen Münchner Stadträte und kritisierte die Grünen Landtagsangeordneten, „die im Wind der Anti-Haltung vieler Parteifreunde segeln und dabei in erster Linie die persönliche Profilierung im Sinn  haben“ (Koalition steht zu Olympia, in SZ 23.11.2010)
Pfaffmann leidet wie die anderen Stadträte von SPDCSUFDP am bedingungslosen Olympia-Virus, der zu Kritiklosigkeit und Beratungsresistenz führt.

Die sportpolitische Sprecherin der SPD, Diana Stachowitz erklärte: „Mit den Bedenkenträgern aus der Partei der Grünen können die Probleme der Zukunft nicht gelöst werden“ (SPD PM 23.11.2010).
Wenn die Probleme der Zukunft wie zum Beispiel München 2018 erst gar nicht erzeugt werden, braucht man sie auch nicht zu lösen.

Aus der Staatskanzlei:
Staatsminister Siegfried Schneider wusste: „Die Grünen stellen sich ins gesellschaftliche Abseits“; die Partei hätte ihre „destruktive Haltung erneut unter Beweis gestellt“ ((Hutter 21.11.2010)
Die Destruktion erfolgt mit Hilfe der Staatskanzlei, wenn man sich die geplanten olympischen Bauwerke und die gefährdete Garmisch-Partenkirchner Landschaft ansieht.

Dieter Janecek:
Der Landesvorsitzender der Grünen in Bayern kommentierte die Abstimmung so: „Es gibt endlich eine klare Positionierung“ (Hutter 21.11.2010).
Janecek kommentierte auch die Aussagen von Thomas Bach zum Ausstieg der Grünen: Sie seien „mehr als unverschämt und zeigen sein mangelndes Verständnis für demokratische Prozesse“. „Ausgerechnet der Präsident einer Organisation, die vor Intransparenz und kommerziellen Verflechtungen nur so strotzt, stellt Parteitagsbeschlüsse einer basisdemokratisch organisierten Partei im Grundsatz infrage“ (zeit.de 22.11.2010). Siehe ebenfalls: Greens reproach will not hit Munich Olympic bid: Bach, in Reuters 22.11.2010
Janecek kritisierte auch Ude, der Claudia Roth einen “Verlust an Persönlichkeit” unterstellt hatte und nannte Udes Aussagen „schäbig und unverschämt“ (Koalition steht zu Olympia in SZ 23.11.2010).

Quellen:
Bauchmüller, Michael
– Auftrag: 2018, in SZ a22.11.2010
– Beide Seiten müssen abrüsten“, in SZ b22.11.2010
– Grüne wenden sich gegen Olympia 2018, in SZ c22.11.2010
„Das ist ein durch und durch ökologisches Projekt“, in FAZ 24.11.2010
Denkler, Thorsten, Der erzwungene Rücktritt der Claudia Roth, in sueddeutsche.de
DOSB, Stellungnahme zur 2018-Entscheidung der Grünen, Frankfurt 21.11.2010
Gathmann, Florian, Grüne torpedieren Roths Olympia-Pläne, in spiegelonline 21.11.2010
Greens reproach will not hit Munich Olympic bid: Bach, in Reuters 22.11.2010
Grün ohne Grüne, in Der Tagesspiegel 22.11.2010
Grüner Olympia-Gegner attackiert Bach, zeit.de 22.11.2010
Hermann, Wilfried, „Ich werde das Projekt weiter kritisch begleiten“, Pressemitteilung 21.11.2010
Hutter, Dominik, Münchner Grüne halten an der Bewerbung fest, in sueddeutsche.de 21.11.2010
Koalition steht zu Olympia, in SZ 23.11.2010
Lohre, Matthias, Claudia Roth abgewatscht, in taz.de 22.11.2010
„München ist die grünste Bewerbung“, Interview mit Winfried Hermann in Der Tagesspiegel 22.11.2010
Olympia 2018 – Eine Chance für ganz Bayern, SPD-Fraktion Bayerischer Landtag
Olympia 2018: „Wir dürfen uns nicht wegducken“, in merkuronline 21.11.2010
Schwarze, Till, Grüne zwingen Roth zum Rücktritt, in n-tv.de 21.11.2010
SPD-Pressemitteilung: Grüne Bedenkenträger lösen Probleme der Zukunft nicht, 23.11.2010
Sport-Funktionäre kritisieren Grünen-Beschluss, in spiegelonline 21.11.2010
Vesper, Michael, Ja zur Olympiabewerbung München 2018!, Frankfurt, 16.11.2010