Wolfgang Zängl
1.6.2011, aktualisiert 7.6.2011
1) Der Antrag
Am 11.5.2011 stellten die Fraktionen von CDU/CSU und FDP folgenden Antrag im Deutschen Bundestag:
Daraus sollen einige Punkte kurz skizziert werden.
Wie schon in meinen Beitrag „Vom Naturschutz zum Natursport“ geschildert, wird auch hier Sport mit Natursport gleichgesetzt: „Auch der Natursport ist nicht gleich belastender Umweltfaktor“ (Antrag S. 2). Lobend erwähnt wird der „12. Sportbericht der Bundesregierung“ (den ich demnächst hier ausführlich und kritisch vorstelle). Sport „kann als eine große Chance zur Förderung des Gedankens des Klima- und Umweltschutzes gesehen werden“ (S. 2)
Und dann kommt der Antrag umgehend zu seiner eigentlichen Absicht, Lobby für München 2018 zu betreiben: „Der organisierte Sport in Deutschland setzt mit seinen Programmen zu Umwelt- und Klimaschutz und mit seinem Engagement zu internationalen Sportgroßveranstaltungen zukunftsweisende Maßstäbe, um einen Sport im Einklang mit der Natur zu ermöglichen. Dies wird insbesondere bei der Bewerbung Münchens um die Austragung der Olympischen und paralympischen Winterspiele 2018 mit dem umfangreichen Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzept deutlich“ (S. 2).
Groß-Sportevents werden per se als umweltfreundlich deklariert. Ich erspare dem Leser die üblichen Plattitüden von Nachhaltigkeit, positivem ökologischer Bilanz und „grünem Erbe“. Siehe unsere „18 Gründe gegen Olympia“.
Der Antrag geht noch einen Schritt weiter. Er fordert u. a. die Bundesregierung auf,
– „das von den Vereinten Nationen ausgerufene ‚Internationale Jahr der Wälder’ … als Chance zu begreifen und eine direkte Verbindung zum naturfreundlichen Sport herzustellen“ (S. 3) und
– „den organisierten Sport (also den DOSB-Sport; W.Z.) … bei der vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz verfolgten ‚Waldstrategie 2020’ einzubinden bzw. zu beteiligen, um fachspezifische Kenntnisse im Breiten- und Freizeitsport und im Tourismus zu nutzen“ (S. 3).
Wieder sollen eindeutig dem Naturschutz dienende Initiativen wie das „Internationale Jahr der Wälder“ dem Sport untergeordnet werden, der damit einen weiteren Schritt zur Deutungshoheit über den Naturschutz gewinnen will.
– „sich bei der Bewerbung um Sportgroßveranstaltungen in Deutschland, wie z.B. bei der Bewerbung Münchens um die olympischen und paralympischen Winterspiele 2018, für analoge Konzepte zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, des Klimas sowie für eine nachhaltige Sport- und Regionalentwicklung einzusetzen“ (S. 4).
Präzisiert: Die Massenbewegung von Spitzensportlern und Funktionären im Rahmen von Sport-Großereignissen wie Europa- und Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen mit immensen globalen Transporten und Flugbewegungen werden mit falschen, weil unvollständigen CO2-Berechnungen schöngerechnet.
Der Antrag an sich ist als eine kaum verhohlene Werbemaßnahme für München 2018 zu verstehen. Dies kam dann auch bei den Reden dazu im Bundestag klar zur Sprache.
2) Die Diskussion im Bundestag am 27.5.2011
MdB Klaus Riegert (CDU) lobte den Sport als „wichtigen Partner beim Umwelt- und Klimaschutz“ und erwähnte lobend einen Ausspruch von IOC-Präsident Jacques Rogge, dass eine globale Sportcommunity die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren und die Umwelt zu schützen habe.
Das klänge nicht schlecht, wenn man nicht schon viel über die negativen Implikationen dieser „Sportcommunity“ wüsste, wozu auch diese Webseite beitragen möchte.
Der DOSB hat laut Riegert den Arbeitsauftrag, die Umwelt nicht als Ressource, sondern als Partner zu sehen.
Das ist rein rhetorisch zu verstehen – in der Realität betrachten die Sportverbände und ihre Funktionäre die Umwelt tatsächlich als Ressource für den Sport, siehe den Begriff „Sportraum“ Natur weiter unten.
Riegert brachte dann das Standardargument des DOSB mit den 91.000 Sportvereinen und den 27,5 Millionen Mitgliedern.
Das ist selbstverständlich als eine Huldigung an den DOSB zu verstehen.
Natürlich setzte sich Riegert auch für München 2018 ein und rühmte die 18 Umweltleitprojekte (die wir grundsätzlich hier kritisiert haben), die bereitgestellten 100 Millionen Euro (die zum Teil in Nonsense-Projekte investiert werden sollen oder bereits gestorben sind), das energiesparende Olympische Dorf in München (für das etwa 2000 Bäume gefällt werden müssten), die Kompensation der CO2-Emissionen durch den olympischen Reiseverkehr (wobei die Berechnung die meisten CO2-Emissionen wie temporäre Bauten unberücksichtigt lässt), die lobenden Worte von Winfried Herrmann vom Bündnis 90/Die Grünen, einem Haupt-Lobbyisten von München 2018.
Riegert verstieg sich zu der Behauptung: „Der Sport kann zusammen mit der Politik einen bedeutenden … Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten.“
In Wirklichkeit ist der internationale Sport längst zu einer immer größeren globalen CO2-Quelle geworden; sein Landverbrauch wächst, und zunehmend mehr ungenutzte Großstadien belasten die Kassen der Städte und Gemeinden.
Auch MdB Dieter Stier (CDU) erfüllte den Auftrag, München 2018 zu loben: „Die aktuelle deutsche München-Bewerbung ist beispielhaft in ihrer umweltverträglichen und ressourcenschonenden Konzeption… Denn auch die Bauplanung für das Olympische Dorf und alle Fragen der Verkehrserschließung und Mobilität verfolgen das Ziel der Umweltverträglichkeit, um unseren Lebens- und Sportraum ‚Natur’ aktiv zu bewahren.“
Zum Olympischen Dorf und dem Verhältnis der Investitionen in den Auto- zu Schienenverkehr zwischen München und Garmisch-Partenkirchen von etwa 500 Millionen Euro zu 35 Millionen Euro ist auf www.nolympia.de viel geschrieben worden. Interessant beim Redner: der „Sportraum“ Natur, wie er in Wirklichkeit gesehen wird.
Stier weiter: „Ich bin dabei der festen Überzeugung, dass das Werben für unsere Natur durch den Sport mit einem Werben für den Sport verbunden werden muss…“
Im Klartext: Natur dient nur als Vehikel zum Werben für den Sport!
MdB Joachim Günther (FDP) übte Kritik am ablehnenden Beschluss zu München 2018 auf der Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen. Er sprach sich aus ganz speziellen Gründen klar und deutlich für die Bewerbung München 2018 aus – mit einer aberwitzigen Begründung:
„Denn die Konsequenz aus einem unbedingten und absoluten Schutz der Umwelt und damit dem Vorrang der Interessen der Wälder vor denen der Menschen wäre doch, dass sportliche Großveranstaltungen gar nicht mehr stattfinden!“
Sehr logische Aneinanderreihungen eines bekennenden Sportfans! Dass die „Interessen der Wälder“ mit dem Überleben der Menschen eng verknüpft sind, hat sich anscheinend bis zu Joachim Günther, Diplomingenieur Maschinenbau, nicht herumgesprochen. Außerdem räumt er damit unbewußt ein, dass der Spitzensport foch dem Naturschutz diametral entgegensteht.
Günther weiter: „Das würde auch das Ende jeden gesellschaftlichen Miteinanders bedeuten.“
Ohne Sport-Großereignisse würde nach Günther eine Gesellschaft also gar nicht existieren können! Wie haben die armen Menschen vor Fifa-WM und dem Olympischen Zirkus nur überlebt?!
Nicht zu Wort meldete sich diesmal die Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, Dagmar Freitag (SPD), gleichzeitig Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV).
Viola von Cramon-Taubadel (Bündnis 90/Die Grünen) übte als einzige fundierte Kritik am Antrag von CDU/CSU und FDP und nannte ihn einen „Wohlfühlantrag“. Zur Bewerbung München 2018 sagte sie: „Der Umweltschutz hat sich durch das kontinuierliche Engagement besorgter Bürgerinnen und Bürger etabliert. Es waren Menschen, die nicht locker gelassen haben. Solange die Kritik der Gegnerinnen und Gegner im Raum steht, dürfen wir daher auch bei der Olympiabewerbung 2018 nicht denken, unsere Hausaufgaben gemacht zu haben.“
Alle Zitate: Deutscher Bundestag, 27.5.2011
3) Fazit
Den Sportfreunden im Bundestag und den Sportfunktionären innerhalb und außerhalb des Bundestages geht es um einen politischen und ökologischen Persilschein für ihre Sport-Großevents, die ständig noch größer werden. Die Zerstörung der Natur wird thematisiert, ist aber nur pro forma von Bedeutung. Letztlich wird Natur tatsächlich als „Sportraum“ (MdB Riegert) entwertet und immer weiter verbraucht.
Aber auch im Kontext Doping leistet der Sportausschuss Beträchtliches. Die bayerische Justizministerin Beate Merk brachte ein „Gesetz zur Bekämpfung des Dopings und der Korruption im Sport“ ein – und scheiterte 2009 damit, „vor allem am Widerstand der Sportverbände und ihrer Lobbyisten, die beispielsweise im Sportausschuss des Bundestages sitzen“ (Weinreich 56.2011).
Wie ich schon an anderer Stelle schrieb: Wenn in einem fiktiven Energieausschuss des Deutschen Bundestages vornehmlich Lobbyisten der Atom- und Kohleindustrie säßen, wäre der Aufschrei groß. Wenn im Sportausschuss fast ausschließlich DOSB-Politik betrieben wird, gilt dies als Normalfall.
4) Zu den Antragstellern
Die Antragsteller stehen meist mit dem Sportausschuss des Bundestages in Verbindung und haben größtenteils einen sport-affinen Hintergrund. Sie sind von daher nicht objektiv oder unbefangen. Hier – wie so oft – vertritt eine im Deutschen Bundestag vertretene Sportfraktion in auffälliger Nähe als verlängerter Arm des DOSB dessen Sportpolitik. Deshalb folgt eine Zusammenstellung der Antragsteller und ihres Sport-Hintergrundes.
Antragsteller von der CDU/CSU:
Peter Altmaier (CDU): keine Informationen
Alexander Dobrindt (CSU): Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Dirk Fischer (CDU): Stellv. Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages; Mitglied im Vorstand Deutscher Fußball-Bund
Eberhard Gienger (CDU): Vielfacher nationaler und internationaler Turnmeister, Vizepräsident DOSB (bis 4.12.2010), Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages, Bewerbungsgesellschaft München 2018/Mitglied im Kuratorium (bis 21.9.2010)
Reinhard Grindel (CDU): Stellv. Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages; Robert-Enke-Stiftung, Hannover/Mitglied des Kuratoriums
Gerda Hasselfeldt (CSU): keine Informationen
Mechthild Heil (CDU): Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Volker Kauder (CDU): keine Informationen
Manfred Kolbe (CDU): Stellv. Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Axel Knoerig (CDU): Stellv. Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages; stellv. Vorstand Kreissportbund Diepholz
Stephan Mayer (CSU): Bewerbungsgesellschaft München 2018/Mitglied im Aufsichtsrat; Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Stefan Müller (CSU): keine Informationen
Klaus Riegert (CDU): Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages; Vizepräsident des Schwäbischen Turnerbundes
Frank Steffel (CDU): Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages; Präsident Reinickendorfer Füchse
Christian Freiherr von Stetten (CDU): Stellv. Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Dieter Stier (CDU): Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages; Funktionen in diversen Reitvereinen
Karin Strenz (CDU): Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Peter Wichtel (CDU): Stellv. Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Antragsteller von der FDP:
Rainer Brüderle (FDP): keine Informationen
Joachim Günther (FDP): Stellv. Vorsitzender im Sportausschuss des Deutschen Bundestages; sportpolitischer Sprecher der FDP
Lutz Knopek (FDP): Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Oliver Luksic (FDP): Stellv. Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Gisela Piltz (FDP): Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Birgit Reinemund (FDP): Stellv. Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Daniel Volk (FDP): Stellv. Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Quellen:
Deutscher Bundestag
– Abgeordnetenangaben, Stand 1.6.2011 (www.bundestag.de)
– Drucksache 17/5779, Antrag Klima- und Umweltschutz im und durch den Sport stärken – Für eine verantwortungsvolle Sportentwicklung in Deutschland, 11.5.2011
– Anlage 2: Zu Protokoll gegebene Reden, Drucksache 12886, 27.5.2011
Webseiten der Abgeordneten
Weinreich, Jens, Irreführung mit System, in dradio.de 5.6.2011
Wikipedia