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Nach der Party: Was von Schladming übrig blieb

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22.2.2013

Hintergrundmaterial zu Schladming unter „Aktuelles“: Ein Ort wird zerstört

Viele Zitate stammen aus dem Beitrag von Franz Schandl „Österreich und der Skizirkus: Der alpine Größenwahn“ (diepresse.com 15.2.2013). Die Fotos sind von Wolfgang Zängl/Gesellschaft für ökologische Forschung. Sie entstanden am 18. und 19.2.2013, kurz nach dem Ende der Ski-WM in Schladming (4. bis 17.2.2013).
Matthäus Kattinger bezifferte in der Neuen Züricher Zeitung bei 400 Millionen Euro Kosten einen Anteil über 290 Millionen Euro durch Bund und Land:  “Allerdings ist der Haushalt  des Landes Steiermark bezüglich Ski-WM ein gut behütetes, jede Saldierung vermeidendes ‘Belastungs-Geheimnis’” (Kattinger, Matthäus, Schladming und die Illusion vom nachhaltigen Gästezustrom,  in nzz.ch 8.2.2013). Gebaut wurde auch eine 15 Meter hohe Zuschauertribüne, ein christliches Freizeithaus „Tauernhof Austria“, eine neue Polizeistation, dazu „einen neuen Bahnhof, ein Kongresszentrum für 2000 Personen, ein multifunktionales Sportzentrum, eine Umfahrungsstraße und verbesserte Zufahrten“ (Schwaiger, Rosemarie, Landschaftsflegel: Schladming erstickt in teuren Bausünden, in profil.at 21.1.2013).

Großbauten-Überblick/Panorama-Bilder von oben:


„Der alpine Größenwahn ist das stabilste Fundament des Glaubens an Österreich. Das Land ist zweifellos schwer abhängig. Was haben wir denn sonst noch? Der alpine Größenwahn mag ein psychischer Defekt sein, aber da so viele ihn haben, fallen eher jene auf, die von ihm nicht befallen sind.“ – „Dieser Patriotismus, obwohl ein industrielles Produkt, mimt die Unschuld vom Lande. Während es inzwischen verpönt ist, sich aggressiv zum Nationalismus zu bekennen, findet dieser im rot-weiß-roten Almauftrieb seine ideale und zeitgemäße Hardcore-Transformation. Flaggen und Uniformen, Kriegsbemalung und Werbespots, alles passt zusammen.“ Franz Schandl



Mitreden können die Sponsoren, wie zum Beispiel Audi: “Die feindliche Übernahme zeigt sich schon bei der Ortseinfahrt. Die beiden Skistrecken laufen ideal beinahe mitten in das Ortszentrum.
Obwohl sie selbst bei Dunkelheit im Flutlicht gut zu erkennen sind, überstrahlt der knallig rot beleuchtete Schriftzug eines Sponsors, der den Ort mit zahlreichen ausgestellten Limousinen in eine große Automobilausstellung verwandelt, das Bild. Schladming war gestern, heute ist es nur noch ‘Home of Quattro’“ (Winterfeldt, Jörg, Hang zur Übertreibung, in berliner-zeitung.de 9.2.2013).


 

„Spitzensportler werden als Pin-ups hergerichtet und ausgestellt. Frauen wie Männer. Da wird das Land ganz selig und sexy, da penetrieren wir die ganze Welt…“ Franz Schandl


„Der Präsidenten-Zipfel“ wird die Voest-Alpine-Glasgondel von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel genannt.
„Der ältere Herr mit dem Skitour-Häuberl, der Herr Reichsschneeverweser, hat des Winters immer alles fest im Griff. Die Sportler, die Funktionäre, die Veranstalter, das Money und die Politik. Dem Wiener Bürgermeister ließ ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel erst kürzlich ausrichten, dass nicht Olympische Sommerspiele, sondern Winterspiele gefordert seien. Mal schauen, wie der Zuruf wirkt.“ Franz Schandl


„Fan-Arena und VIP-Zelt verhalten sich wie Mob und Snob. Ihr Band ist die Flagge und ihr Medium das Geld: Werden die einen abkassiert, kassieren die anderen ab. Sind die einen die Blöden, verdienen sich die anderen blöd. Blöd ist beides.“ Franz Schandl




Die Tenne:Direkt neben der Seilbahn gelegene Alkohol-Abfüllstation, in der 1500 Gäste Platz haben, eine “rustikalen Saufburg“ (Pfeil, Gerhard, Gebläse und Champagner, in Der Spiegel 6/4.2.2013).



Medal Plaza, Rathaus:


Weitere Zitate als Eindrücke vor Ort:
„Zum Glück waren die Bäume vor dem Rathaus alt und hätten eh ersetzt werden müssen.“
(Einwohnerin von Schladming).

„Wir haben viel erlebt in Schladming. Nun sind die WM vorbei. Nichts wie weg!“ (Geisser, Remo, Unvergessliche Ski-WM, in nzz.ch 18.2.2013).

Persönliche Beobachtung: Die Neubauten waren teuerst. Dagegen verrottet die bestehende Infrastruktur. So sind im Bereich Verkehr die Straßenbeläge löchrig, die Zebrastreifen kaum mehr zu erkennen, die gesamte Infrastruktur verschmudelt.

Kongresszentrum

Das Kongresszentrum für 2000 Personen hat 16,2 Millionen Euro gekostet. Es diente während der 14 Tage WM als Medienzentrum. Danach wird es nur noch mit den Kosten für den laufenden Betrieb die Gemeindekasse belasten.
„Es gibt kluge Leute, die sagen, das alles sei ein bis zwei Nummern zu groß für das kleine Schladming, all die Straßen, die Parkhäuser, das Kongresszentrum, alles Bauten, die vor allem die Illusionen blauäugiger Tourismusmanager widerspiegelten, deren Folgekosten aber in Wahrheit den Ort irgendwann finanziell auffressen würden“ (Steinle, Bernd, Und der Präsident spielt sein Wunschkonzert, in faz.net 11.2.2013).

Alte Polizeistation


Abrissgefährdet, da direkt neben der Fanmeile gelegen.

Neue Polizeistation

Quadratisch und praktisch.

 

Und weiter geht’s! Neue Pläne:

Nachtrag: Schladming rechnet nicht ab. Die monumentale Ski-WM 2013 in Schladming (400 Millionen Euro Gesamtkosten) wird im Vorlauf und im Nachhinein heruntergerechnet. “Offiziell ist stets von 140 Millionen Euro vom Land und 50 Millionen des Bundes die Rede” (Rossacher, Thomas, Die Geldflüsse unter dem Dachstein, in kleinezeitung.at 24.4.2013). Davon gelten 63 Millionen Euro als “WM-relevant”. Schladming erhielt für das “Mediacenter” 10,7 Millionen Euro vom Land Steiermark (Rossacher 24.4.2013). Nachfragen wurden vom Landeshauptmannstellvertreter Hermann Schützenhofer (ÖVP) so abgeschmettert: “Es gibt nichts aufzudecken” (Kosten der Ski-WM und mehr im Visier des Landtages, in kleinezeitung.at 14.5.2013). “Der Frage nach geschwärzten Verträgen, die der ÖSV der Stadt Schladming teilweise vorgelegt haben soll, wich Schützenhöfer in seiner Antwort aus: Die Zusammenarbeit habe hervorragend funktioniert, auch wenn sich der ÖSV nicht so genau hineinschauen habe lassen. Der ÖSV-Organisationsdirektor der Ski-WM, Reinhold Zitz, erklärte zu diesem Verdacht auf APA-Anfrage, dass ‘alles transparent’ sei und geprüft werde… Schützenhöfer (…) wies zurück, dass ‘sich irgendjemand bei der Ski-WM über den Tisch hat ziehen lassen’. Dazu ÖSV-Zitz: ‘Das kann ich mit Sicherheit ausschließen, so etwas haben wir noch nie gemacht’” (Ebenda).
Das ist doch einmal so richtig lustig. “Über den Tisch ziehen”: Da weiß Schröcksnadel doch mit Sicherheit gar nicht, wie das geht…
Keine Angaben über den ÖSV-Gewinn: “Der ÖSV habe die Ski-WM in Schladming auf eigenes Risiko veranstaltet und ein eigenes Budget für die Organisation auf die Beine gestellt. Die fertige Bilanz der Weltmeisterschaften liege nun vor, aber über Gewinn oder Verlust werde man keine Auskunft geben: “Das geht niemanden etwas an, wir haben ja auch das Risiko immer selber getragen.” Zitz verriet aber soviel: “Es schaut gut aus. Wir wollten einen Gewinn erzielen, den wir in den ÖSV-Nachwuchs investieren” (Ebenda; Hervorhebung WZ).
Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) gab an, dass für die WM nur rund 63 Millionen Euro relevant waren. Da stellt sich die Frage, wofür waren die restlichen 77 Millionen Euro? “Antworten gab es zwar, doch diese waren für die Grünen unzureichend und lückenhaft. ‘Nach wie vor fehlt jede Darstellung der Geldflüsse rund um den ÖSV und eine überschaubare Kostendarstellung’, so der Grüne Landtagsabgeordnete Lambert Schönleitner” (Pock, Martina, Was vom Wintermärchen übrig blieb, in wienerzeitung.at 22.5.2013). Und was geschieht mit den Schladmingern White Elephants? “Nun, da der Ski-Zirkus seine Zelte in Schladming wieder abgerissen hat, stellt sich die große Frage nach der zukünftigen Nutzung der neu geschaffenen Infrastruktur. Bereits 2011 wurde das 16,4 Millionen teure Veranstaltungszentrum Congress-Schladming eröffnet, das während der WM als Mediencenter genutzt wurde” (Ebenda).
Der Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark, Jochen Pildner-Steinburg, sah in der Ski-WM 2013 einen “regionalen Größenwahn” (Ebenda).