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Dezember 2010

Wie die Olympiabewerbung einen Ort spaltet

Zu den Auseinandersetzungen der Bewerbung München 2018, dem dadurch hervorgerufenen sozialen Unfrieden und den entsprechenden Differenzen in Garmisch-Partenkirchen veröffentlichte der BN-Kreisvorsitzende Axel Doering am 3.12.2010 eine Presseerklärung mit dem Titel:
Enteignung oder Erpressung? Wie die Olympiabewegung einen Ort spaltet
„Die betroffenen Grundbesitzer haben von Anfang an klar gemacht, dass sie ihre Grundstücke nicht schon wieder für eine Riesenveranstaltung – diesmal die Olympischen Winterspiele 2018 – zur Verfügung stellen wollen.“ Deshalb hatten sie einen Rechtsanwalt beauftragt, über den die Kontakte laufen sollten, mit dem aber niemand sprach. Minister Schneider verhandelte mit den falschen Ansprechpartnern und erweckte fälschlicherweise den Anschein, die benötigten Grundstücke stünden zur Verfügung.

Doering wies im Zug des aktuellen Drucks auf die Grundbesitzer auf folgenden Fakt hin: „Bei vielen dieser Grundbesitzer wurden bereits die Eltern oder die Großeltern für die Olympische Winterspiele 1936 und die Bewerbung 1940 enteignet. Die Grundstücke wurden auch nach 1945 von der Gemeinde nicht wieder zurückgegeben, obwohl die Spiele von 1940 nicht stattfanden“ (PM Bund Naturschutz, Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen, Enteignung oder Erpressung? Wie die Olympiabewerbung einen Ort spaltet, 3.12.2010).

Es gehe darum, dass der Ort durch die Spiele weiter verstädtert, dass die Ausübung der Landwirtschaft für die Bauern immer schwieriger, dass das Leben im Ort noch teurer würde und dass der Ort nicht dem Diktat von IOC und Sportfunktionären ausgeliefert werden darf. Und schließlich geht es auch um den Frieden im Ort.

Vergleiche: https://www.nolympia.de/2010/12/enteignung-oder-erpressung-wie-die-olympiabewerbung-einen-ort-spaltet/

München probt 2011 schon mal vorolympisch

1) Audi FIS Skiweltcup am 2.1.2011: Parallelslalom vom Piz Olympiaberg (vulgo Großer Schuttberg) im Münchner Olympiapark auf 200 Meter Streckenlänge (siehe unter 2.1.2011). 2) Crashed Ice Downhill in der Weltmeisterschaftsserie „Red Bull Crashed Ice“ am 15.1.2010: Vierer-Blöcke von Schlittschuhläufern rasen den Olympiaberg (vulgo Großer Schuttberg) hinunter. 3) Air & Style-Snowboard-Spektakel am 12.2.2010 im Olympiastadion: „Atemberaubende“ Tricks von Snowboardern plus zwei Bands und Party (Kampf auf Kanten und Kufen, in SZ 2.12.2010).
München ist bestens gerüstet für 2018 – Hully Gully everywhere.

Vom Naturschutz zum „Natursport“

Der Sport versucht seit längerem, die Deutungshoheit über Begrifflichkeiten wie Naturschutz, Nachhaltigkeit, Naturnutzung etc. zu gewinnen. Euphemistisch benennt er sich in „Natursport“ um. Einen Artikel hierzu habe ich Anfang Dezember 2010 unter „Aktuelles“ veröffentlicht:
https://www.nolympia.de/2010/12/vom-naturschutz-zum-natursport-oder-wie-der-sport-den-naturschutz-ubernimmt/

Nichts neues von OB Ude

Christian Ude sagte einen Tag vor der Mitgliederversammlung des DOSB in München, dass München in Acapulco eine überzeugende Präsentation hingelegt hätte und München sehr gut im Rennen liege. Mit den Olympischen Spielen 2018 „hätten wir wieder ein Zukunftsprojekt, auf das man alle Kräfte der Stadt und des Umlands acht Jahre bündeln kann.“
Und alle wirklichen Probleme und sozialen Nöte damit aus der Diskussion verdrängen könnte.

Ude kritisierte den Freiburger Bundesdelegierten-Beschluss der Grünen zu München 2018 („völlig mutwillig viel Porzellan zerschlagen“), lobte die Grünen Stadträte und zitierte den berühmten Sportpolitgischen Sprecher der Bundestagsfraktion Winfried Hermann: „die ökologisch beste Bewerbung, die es je gab“.
Olympia wäre „eine Hilfe zur Finanzierung und keine Verschärfung von Finanzproblemen“.
Die Stadt München würde zu einem Drittel für die sicher zu erwartenden Defizite des Non-OCOG-Budgets haften.

50 Millionen Euro zahle München allein für Umweltprojekte, und dann kritisierten Umweltschützer die hohen Kosten.
Angesichts der mäßigen Qualität der vorgeschlagenen Projekte sind 50 Millionen Euro allerdings wirklich rausgeworfenes Geld – von den ökologischen Zerstörungen durch die Spiele gar nicht zu reden.
(Ude: München liegt sehr, sehr gut im Rennen“, in focus.de 3.12.2010)

Thomas Bach ist Deutscher Olympischer Sportbund

Die Mitgliederversammlung des DOSB tagte am 4.12.2010 in München im Fünf-Sterne-Hotel Westin Grand, und seine etwa 400 Sportarten-Vertreter wurden am Abend vorher von Horst Seehofer geladen: Schließlich hatte Katarina Witt Geburtstag und durfte auch neben ihm und Thomas Bach sitzen. Auf der Geburtstagstorte stand, was sonst: „München 2018“. Das Ganze fand im Kaisersaal der Residenz statt: die neuen Sport-Kaiser neben dem CSU-Kaiser.

Ude durfte die Delegierten erheitern, als er auf die Schneefälle hinwies und die Klimaerwärmung und die Kritiker der Bewerbung wieder einmal ins Lächerliche zog. Die Bewerber gaben sich im Übrigen „sieben Monate vor der Vergabe der Spiele derart zuversichtlich, dass Beobachter beinahe zu der Überzeugung gelangen konnten, München habe die Spiele bereits in der Tasche… DOSB-Präsident Thomas Bach stempelte Bewerbungsgegner als ‚fundamentalistische Zukunftsverweigerer’ ab“ (Hungermann, Jens, München macht mobil für Olympia, in welt.de 6.12.2010), wurde dafür mit 360 von 392 Stimmen (92 Prozent) für vier weitere Jahre gewählt und bewertete dies gleich selbst: „Das drückt die Einheit des deutschen Sports aus“ (Hahn, Thomas, Kraft der Schlagworte, in SZU 6.12.2010).

Der frühere Bundeskanzler Horst Köhler klopfte auf Bitte von Bach höflich an. ob er Nachfolger für Richard von Weizsäcker als „Persönliches Mitglied“ werden dürfe: Er durfte. Bach sagte, seit der DOSB-Gründung 2006 „verfolge man das Ziel, auch Persönliche Mitglieder aus den Bereichen Politik, Kultur und Wirtschaft zu werben“ (Köhler will Weizsäckers Nachfolger werden, in spiegelonline 2.12.2010). Neben Köhler durfte auch Rosi Mittermaier „Persönliches Mitglied“ werden.

Die DOSB-Delegierten bekundeten ihre Zustimmung zu Winterspielen mit einhundert Prozent.
Das übertrifft noch Wahlergebnisse der ehemaligen DDR. Dass dieses Ergebnis entweder mit olympischer Gehirnwäsche und/oder mit der erfolgreichen Gleichschaltung der deutschen Sportfunktionäre zu tun haben könnte, drängt sich auf.

Bundesinnenminister de Maizière durfte auch vor dem DOSB-Plenum auftreten und den Wunsch der Wahl Münchens am 6.7.2011 verkünden. Nicht fröhlich verkündete er die Deutschlandtrend-Umfrage von Infratest im Auftrag der ARD, welche ergeben hatte, dass 60 Prozent der Deutschen die Spiele befürworteten und 35 Prozent sie ablehnten. Damit war die Zustimmung von März 2010 (68 Prozent Befürworter) erneut gefallen. Und dann würgte er Konkurrenten Pyeongchang (Südkorea) noch eins rein: „Unsere Chancen sind in den letzten Wochen besser geworden.“ Damit meinte er, ohne das Land nennen zu müssen,  Nordkorea. (Eichler, Christian, Appelle an den Ehrgeiz der Nation, in faz.net 6.12.20109

Dagegen führte die Münchner Abendzeitung seit Anfang Dezember 2010 eine Online-Befragung durch. Am 19.12. sah das Ergebnis so aus:
Ja, das ist doch toll für die Stadt:       20,9 Prozent
Nein, das kostet zu viel Geld:               76,5 Prozent
Beide Ergebnisse sind schwer in Übereinstimmung zu bringen und gegenläufig: Die Nicht-Internetnutzer sind traditioneller und damit eher auch zu den Ablehnern zu rechnen.

Olympische Hochbunker 2018

Die Bebauung des Parks der Bundeswehr war dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude schon seit langem ein Anliegen – schon lange vor den Plänen für München 2018. Über das zu bauende Olympische Dorf möchte er dieses Anliegen endlich verwirklichen und in den Besitz des Geländes kommen. Von den 36 Hektar gehören nämlich 18 Hektar dem Bund, rund 14,5 Hektar dem Freistaat und nur 3,5 Hektar der Stadt. „Olympia sei eine enorme Chance, auf dem Bundeswehr-Gebiet ein Wohnquartier zu entwickeln, sagte Ude: ‚Manche haben noch nicht verstanden, welche Möglichkeiten sich hier bieten, die Wohnungsnot zu lindern“ (Dürr, Alfred, Athleten im Landschaftspark, in SZ 4.12.2010).

Hauptsache, der Oberbürgermeister hat alles verstanden: Dass nämlich eine preisgekrönte Bürobebauung mit intakten, fragilen Gebäuden einer ziemlich klotzigen Wohn-Architektur weichen würde, dafür mindestens 1280 wertvolle Bäume zu fällen seien, siehe unten und die Bundeswehr in Neubauten für 120 Millionen Euro an der Dachauerstraße umziehen müsste, was wiederum weitere zahlreiche Baumfällungen bedeuten würde. Das übliche Totschlagargument Wohnungsbau zieht hier weniger denn je.

Der Wettbewerb für das Olympische Dorf (und das Mediendorf an der Leonrodstraße) wurde im EU-Amtsblatt 9.6. bis 12.7.2010 ausgeschrieben. In der Jury saßen 16 Architekten und Städteplaner, u. a. Albert Speer, der Planungschef von München 2018 sowie Bernhard Schwank und Jürgen Bühl von der Bewerbungsgesellschaft München 2018, dazu 15 Politiker, u. a. OB Ude, die Grüne Stadträtin Sabine Krieger, Stadtbaurätin Elisabeth Merk, Kommunalreferentin Gabriele Friedrich.

Anfang Dezember 2010 stellte die Stadtspitze stolz den Sieger des Wettbewerbes für das Olympische Dorf 2018 vor: das Berliner Büro Léon Wohlhage Wernik mit den Landschaftsarchitekten ST raum a, Berlin. Sie lieferten ein Modell ab, in dem die Hochhäuser aussehen wie Olympische Hochbunker mit Balkonen. Je drei Hochhäuser mit sieben bis 14 Geschossen und bis zu 50 Meter Gesamthöhe bilden eine der sechs Hochhausgruppen. Der Preisträger kann in keinster Weise an die prämierte Behnisch-Architektur von 1972 anschließen, auch wenn im Erläuterungstext steht: „Auf kongeniale Art und Weise wird das Thema der architektonischen Landschaft neu aufgegriffen, ohne sich an die existierenden Bauten von 1972 anzubiedern“ (Alle Zitate des Preisgerichts aus: competitionline, Erläuterungstext ID 43278).

Der ruhende Verkehr ist in Tiefgaragen zwischen den Hochhäusern vorgesehen. Das Modell zeigt sehr wenig übrig gebliebene Bäume, und das entspricht auch folgender Aussage: „Positiv zu bewerten ist, dass 95 Prozent des als ‚sehr erhaltenswert’ eingestuften Baumbestandes berücksichtigt wurde. Dagegen wird der als ‚erhaltenswert’ eingestufte Bestand zu 80 Prozent beseitigt“ (Preisgericht, competitionline, Erläuterungstext ID 43278).

Also doch: Dramatische Fällungen!

Zur Erinnerung: Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung führte im Rahmen der Bewerbung München 2018 für das Olympische Dorf und das Mediendorf eine Untersuchung bezüglich des Bewuchses durch. Eine Aufstellung vom 28.9.2010 ergab, dass insgesamt 2630 Bäume gefährdet wären. Dazu zählen 108 sehr erhaltenswerte Bäume und 1.594 erhaltenswerte Bäume, sowie 14.784 Quadratmeter flächige Gehölzbestände (davon 4.652 Quadratmeter erhaltenswerte).

(Vergleiche unter https://www.nolympia.de/chronologie/september-2010/ in der Chronologie den Abschnitt: Olympiapark und Bundeswehrgelände München)

Geplant: mindestens 1275 gefällte Bäume

Es werden fünf Prozent des „sehr erhaltenswerten“ Gesamtbestandes gefällt, pardon, „beseitigt“, das wären sechs Bäume, dazu aber auch 80 Prozent des „erhaltenswerten Gesamtbestandes“ gefällt, also 1275 Bäume! Nach der Baumschutzverordnung der Landeshauptstadt München (Stand 12.4.2010) „sind alle Gehölze (Bäume und Sträucher), die einen Stammumfang von mindestens 80 Zentimeter in 100 cm Höhe über dem Erdboden haben, unter Schutz gestellt“.

„Sehr erhaltenswerte“ (108) und „erhaltenswerte Bäume“ (1594) ergeben zusammen 1702 Bäume. Aufaddiert wurden aber in der Liste des Planungsreferates 2630 Bäume: Hier fehlt der Nachweis, was mit den restlichen 928 Bäumen geschehen würde: Vermutlich wird auch von ihnen ein beträchtlicher Teil gefällt..

Journalisten übernehmen oft genug unkritisch die offiziellen Presseinformationen der Stadt und der Bewerbungsgesellschaft München 2018, und das liest sich dann so: „Durch die Anordnung der Häuser können auf dem Gelände ein Biotop und 95 Prozent der wertvollen alten Bäume erhalten bleiben“ (Patzig, Johannes, Ein neues Olympiadorf für München, in merkur-online 4.12.2010). Hier wurde übersehen, das 80 Prozent der „erhaltenswerten Bäume“, nämlich die erwähnten 1275, abgeholzt würden.

„Nachhaltiges“ Bauen?

Kritisiert wird in der Beurteilung durch das Preisgericht: „Die Tiefgarage ist jeweils zwischen den Zeilen organisiert. Das führt zu einer hohen Versiegelung.“ Auch vom vielgerühmten „nachhaltigen Bauen“ würde vermutlich nicht viel übrig bleiben. „Die Konstruktion ist konventionell als Stahlbetonkonstruktion vorgesehen“. – „Nachhaltige Rohstoffe finden keine Verwendung: Die Wärmeverbund-Fassade ist nur bedingt (!W.Z.) dauerhaft“ (Preisgericht, competitionline, Erläuterungstext ID 43278).

Plusenergiestandard?

Und zum Plusenergiestandard heißt es: „Das Projekt bietet die baulichen Voraussetzungen, den Plusenergiestandard in der weiteren Behandlung zu erreichen“ (competitionline, Erläuterungstext ID 43278).

Das ist eine mehr als schwammige Formulierung! Nun wurde der Plusenergiestandard im Vorfeld von jedem Grünen Münchner Stadtrat und jedem DOSB-Funktionär inflationär in die Debatte geworfen. Ob der Plusenergiestandard – auch angesichts der Kosten – tatsächlich erreicht werden wird, steht in den Sternen.

*

Es gibt einige interessante Parallelen von Stuttgart 21 zu München 2018: Bei Stuttgart 21 geht es um 292 erhaltenswerte Bäume, bei München 2018 um 1300 und mehr. Bei Stuttgart 21 „gehe es um die bestmögliche Verwertung der Flächen in der Innenstadt… Das Verfahren zur Planfeststellung dient in erster Linie dazu, Baurecht zu schaffen“ (Beck, Sebastian, Kopfbahnhof, eingleisig, in SZ 30.11.2010).

Im Fall des Münchner Parks der Bundeswehr, in dem das Olympische Dorf 2018 entstehen soll, schaut es nicht anders aus.

Ohne die Spiele steht das Areal nicht zur Verfügung, mahnte Ude. Auch aus diesem Grund: kein München 2018!

Nicht nebenbei:
Alle Zitate zum Modell Olympisches Dorf und die Zahlen zu den verheerenden Baumfällungen sind natürlich nicht in den offiziellen Beschreibungen der Bewerbungsgesellschaft zu finden, sondern versteckt unter http://www.competitionline.de/wettbewerbe/43278, dort unter „Beitrag ansehen“ und „Beurteilung durch das Preisgericht“.

Beitrag auch unter: https://www.nolympia.de/2010/12/olympische-hochbunker/

Korruptionssystem Sport

Im Vorfeld der skandalösen Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 enthüllten britische Journalisten, dass zwei Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees ihre Stimme gegen Geld zur Verfügung stellen würden. Kurz danach wurden Vorwürfe gegen drei weitere hohe Fifa-Funktionäre bekannt. Bei der Sportkorruption handelt es sich nicht um Einzelfälle, folgerte Grit Hartmann in einem Kommentar in dradio.de vom 5.12.2010.

In der Schweiz sind nicht von ungefähr dreißig internationale Sportverbände ansässig: Sie sind steuerfrei gestellt, und ihre Funktionäre dürfen nicht wegen Bestechlichkeit verfolgt werden. (Interessanterweise soll dieses „Privileg“ aufgrund der permanenten Vorfälle nun vom Schweizer Bundesrat in nächster Zeit enger reglementiert werden; vgl. Wulzinger, Michael, Zürcher Sündenfall, in Der Spiegel 48/2010)

Nun darf auch in Deutschland „der Geschäftszweig Spitzensport Sonderstatus beanspruchen“, wie Grit Hartmann schreibt. Hier wurde kürzlich die Vergabe von Tickets für die VIP-Loge des Energieversorgers EnBW im Rahmen der Fußball-WM 2006 vom Bundesgerichtshof überprüft, der die Grenzen dieser Vorteilsgewährung für Amts- und Mandatsträger regelte. Der Sportausschuss des deutschen Bundestages rügte umgehend das Urteil, da Besuchen in VIP-Logen ein Riegel vorgeschoben würde, Sponsoren sich zurückzögen und die Ligen an das Existenzminimum kämen.

Der Sportausschuss rügte umgehend diese Einschränkung: „Besuchen in den VIP-Logen der Profiligen ist quasi ein Riegel vorgeschoben. Sponsoren ziehen sich zurück und die Ligen geraten ans Existenzminimum. Als Experten hatte der Sportausschuss fast nur Sponsoren– und Liga-Vertreter geladen. Ausnahme: Peter Heermann von der Universität Bayreuth… Tatsächlich liegt kaum Konkretes vor zur angeblichen Verödung der VIP-Logen. Nach der Anhörung verbreitete der Sportausschuss trotzdem Untergangsstimmung. Die einzige Expertise, die in der Pressemitteilung unerwähnt bleibt, ist die mäßigende: die von Heermann“ (Hartmann, Grit, Sonderrechte für das Sondersystem Sport, in dradio.de 5.12.2010; Heermann hatte auch den Host City Contract für die bayerischen Landtagsgrünen untersucht.)

Grit Hartmanns Fazit: „Man kann in der Schweiz nachfragen, was die Korruptionskultur im globalen Milliardengeschäft Sport befördert. Man kann aber auch in Berlin fragen“ (Hartmann, Gritt, Sonderrechte für dass Sondersystem Sport, in dradio.de 5.12.2010).

Mutig, mutig!

Am 6. Dezember 2010 erhielt kontakt@nolympia.de folgende Nachricht von dudu@web.de:

Betreff: …
Nachrichtentext: Diese Seite gehört VERBOTEN!!

Bemerkenswert ist hier fünferlei: 1. das Demokratieverständnis des Absenders. 2. Er verwechselt Deutschland mit China, wo kritische Websites in olympischen Zeiten gesperrt werden. Dazu 3. seine Feigheit, diese Botschaft anonym zu senden. Und 4. zeigt sich, wohin eine olympisch verblendete Sportbegeisterung führen kann. Wobei 5. der Absender über keinen wirklichen Sportsgeist verfügt.

DAV sagt schon wieder ja

Am 9.12.2010 organisierte der DAV für die im „Olympiagebiet“ ansässigen Sektionen eine Informationsveranstaltung „zur Rolle des DAV als kritischer Begleiter bei der Bewerbung“ (Sektionen tragen Position des DAV-Hauptvereins mit! PM 10.12.-2010). Die 18 Sektionen einigten sich auf das vermutlich von oben vorformulierte Bekenntnis: „Wir tragen die von Verbandsrat und Präsidium des DAV Hauptvereins mit, die Bewerbung weiterhin kritisch zu begleiten.“ – „Der DAV ist überzeugt, dass sich München 2018 unter dem Strich und auf lange Sicht für die nachhaltige Entwicklung der bayerischen Alpen positiv auswirkt“ (PM).

Da es immer noch Kritiker in den Sektionen gäbe, muss der DAV „die Kommunikation mit seinen Mitgliedern, den Sektionen und die Öffentlichkeitsarbeit noch verstärken“ (PM).
Die armen Mitglieder!

In verschiedenen Sendungen des Bayerischen Fernsehens brachten DAV-Präsident Josef Klenner und Hauptgeschäftsführer Thomas Urban ihre Unterstützung der Bewerbung München 2018 unter. Besonders lobten sie ihr Umweltprojekt „BergTour 2018“, mit dem der DAV Ökologie und Tourismus im Alpenraum in Einklang bringen will. Der DAV hatte sich „BergTour“ selbst ausgedacht. (Olympia-Bewerbung: Alpenverein sagt ja, in br-online 11.12.2010)

Geben und nehmen

Zwei Tage später warfen die Landtagsgrünen dem DAV und dem LBV vor, nicht uneigennützig die Bewerbung zu unterstützen. Denn die „BergTour 2018“ mit einem Etat von fünf Millionen Euro soll ohne Ausschreibung an den DAV gehen und das Projekt zur „Aufwertung der Biotopqualität alpiner Sportstätten“ mit zwei Millionen Euro an den LBV.

MdL Ludwig Hartmann beurteilte das Verhalten der Bewerbungsgesellschaft, die unter „Realisierung“ DAV und LBV benennen, als skandalös: „Es hat den Anschein, dass die Zustimmung des DAV und des LBV zum Umweltkonzept erkauft wird“ (Lode, Silke, Sebald, Christian, Streit um grüne Spiele, in SZ 11.12.2010).

Der Grüne Stadtrat und Umwelt-Angestellte der Bewerbungsgesellschaft 2018 Boris Schwartz verwies darauf, dass die Staatskanzlei das Konzept geprüft und keine Ausschreibung für nötig gehalten hätte.
Sehr gut, Herr Staatskanzleichef Schneider!

Beim LBV spielte man die Verknüpfung zur Realisierung herunter: Auftragnehmer könnten durchaus andere sein. Der Hauptgeschäftsführer des DAV verwies dagegen auf das „Urheberrecht“: „Das war unsere Idee, wir haben sie eingebracht“.
Grundsätzlich gilt für viele Projekte im Umweltbereich, für die öffentliche Gelder beantragt werden, dass dieses Projekt öffentlich ausgeschrieben wird – in vielen Fällen sogar europaweit. Und häufig bekommt der dann den Auftrag, der dieses Projekt am kostengünstigsten durchführt.
So ist denn auch BergTour nicht nur inhaltlich ein äußerst dürftiges Projekt, sondern wohl auch ein Versuch, ohne Ausschreibung an fünf Millionen Euro heranzukommen.

Der LBV wies in der Pressemitteilung „LBV verwehrt sich gegen den Vorwurf der Käuflichkeit“ vom 13.12.2010 die Mutmaßungen, er habe sich kaufen lassen, scharf zurück.
Aus Sicht der Bewerbungsgesellschaft diente die Teilnahme an der Fachkommission Umwelt vor allem einem Zweck: die Chancen auf den Zuschlag für München 2018 zu erhöhen. Ohne Naturschutzverbände kein Zuschlag, das gilt inzwischen für olympische Bewerbungen. Unter anderem deswegen haben die anderen Naturschutzverbände gut begründet die Fachkommission Umwelt verlassen.

In der Pressemitteilung stand auch der Satz: „Der LBV betont erneut, dass er kein Befürworter der olympischen Spiele im Alpenraum ist.“
Das ist seit Monaten ein Standardsatz des LBV, dem die Schizophrenie dieser Aussage in Verbindung mit dem eigenen konkreten Handeln schon gar nicht mehr auffällt. Dafür hat der Garmisch-Partenkirchner LBV-Geschäftsführer Schödl alles getan, damit der LBV bei der (olympischen) Fahne blieb und bleibt. Und falls München 2018 käme, könnte der LBV noch mit zwei Millionen Euro untersuchen, ob und wohin sich Raufußhühner, Kiesbankgrashüpfer und Flussuferläufer vor den olympischen Umbauten in Sicherheit gebracht haben – oder vielleicht doch leider wegen München 2018 aussterben mussten.

Naturschutzorganisationen sagen nein

Am 13.12.2010 organisierten der Bund Naturschutz (BN), der Verein zum Schutz der Bergwelt, Mountain Wilderness, der Deutsche Naturschutzring (DNR) und die Gesellschaft für ökologische Forschung (GÖF) eine Pressekonferenz zur Kritik des Umweltkonzeptes der Bewerbung 2018. Der BN kritisierte das 190-Seiten-Konzept als Augenwischerei. Der 1. Vorsitzende Prof. Hubert Weiger urteilte: „Viel Papier und wenig Inhalt“. Es gäbe keinen Anlass, die bisherige Kritik zu entkräften. Sebastian Schönauer, der stellvertretende Lamdevorsitzende des BN und im Präsidium des DNR, bezeichnete die ökologischen Mini-Schauprojekte für DAV und LBV als „ökologische Mäntelchen“ und rief die deutschen Naturschutzverbände auf, gemeinsam gegen die Zerstörung der Naturlandschaften vorzugehen.

Axel Doering von der BN-Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen zeigte eindrucksvolle Bilder aus Schwaiganger und Ruhpolding und sagte: „Die so genannten Umweltleitprojekte sind für Außenstehende nett zu lesen, aber absolut inhaltsleer.“ Christian Hierneis verwies darauf, dass Projekte aufgeführt sind, „die zum Teil längst existieren, gesetzlich normiert sind, zum Teil keinen Sinn ergeben oder nicht umsetzbar sind.“ Außerdem werde nicht ein halber Hektar Land neu überbaut, sondern zusammen mit den temporären Bauten 156 Hektar. Unklar wäre auch, wo die beträchtlichen Summen herkommen sollen, da häufig von Stiftungen und Spenden die Rede sei. (Hutter, Dominik, „Viel Papier, wenig Inhalt“, in SZ 14.12.2010; Huber, Till, Massive Kritik an Olympia, in donaukurier.de 13.12.2010)

Kritisiert wurde auch, dass das Konzept für die Öffentlichkeit nicht einsehbar sei: „Von Transparenz keine Spur“ (Pressemitteilung Bund Naturschutz, „Viel Papier und wenig Inhalt“, 13.12.2010). Vergleiche auch:
https://www.nolympia.de/2010/12/pressemitteilung-naturschutzverbande-kritisieren-das-konzept-als-augenwischerei-viel-papier-und-wenig-inhalt/

Christoph Himmighofen, der zweite Vorsitzende des Vereins zum Schutz der Bergwelt, bezeichnete Olympische Winterspiele als „Fest der Verschwendung“: Dies dürfe aber nicht so benannt werden. Das Umweltkonzept springt nicht mutig über die Latte der existierenden gesetzlichen Vorgaben, sondern bemüht sich, „die Latte von unten nicht zu reißen“. „Niveaulimbo“ heißt das Jugendwort des Jahres 2010, und dies betreibt auch das Umweltkonzept: „Mit viel Tamtam unter jedem gesetzten Niveau gekonnt durchzutanzen“ und nur auf die Akzeptanz der Kommunalpolitiker zu schauen. Kritisiert wird auch der verschwenderische Umgang mit dem Begriff der Nachhaltigkeit (PM Verein zum Schutz der Bergwelt, „Wo der Mut zur Ehrlichkeit fehlt, da fehlt auch der Mut zum großen Wurf“, 13.12.2010).

Sylvia Hamberger von der GÖF wies darauf hin, es „könne nicht einmal davon ausgegangen werden, dass die Schneeverhältnisse in acht Jahren überhaupt noch im Ansatz ausreichend seien“ (Olympia 2018, Verbände gegen Umweltkonzept, in welt.de 14.12.2010).

Die Bewerbungsgesellschaft 2018 gab umgehend eine Pressemitteilung heraus und widersprach. Wobei der Widerspruch aus uralten Satzbausteinen bestand, die zudem meist nicht auf die Argumente der Naturschützer eingingen.
Ich gehe einmal davon aus, dass vielen der gut bezahlten Mitarbeitern von München 2018 zumindest ansatzweise die Totalität des olympischen Zerstörungsprozesses in München, Schwaiganger, Garmisch-Partenkirchen und Berchtesgaden bekannt ist. Dass zum Beispiel, wie schon beschrieben, für das Olympische Dorf in München 80 Prozent des „erhaltenswerten Gesamtbestandes“ gefällt werden würden, also mindestens 1275 Bäume, wahrscheinlich noch weit mehr!
Welche Arbeitsfreude muss es an den Arbeitsplätzen der Bewerbungsgesellschaft bereiten, diesen Zerstörungsprozess über Monate und Jahre immer wieder zu rechtfertigen und die Unwahrheiten der Chefetage zu veröffentlichen.
Hört auf und zieht die Bewerbung zurück.

Olympiagesetz, zum Zweiten

Am 14.12.2010 fand im Bayerischen Landtag die zweite Lesung über das Olympiagesetz statt. Auf Antrag von MdL Ludwig Hartmann in namentlicher Abstimmung. Hartmann erklärte: „Das Olympiagesetz der Staatsregierung ist ein Blankoscheck für das IOC und bürdet finanzielle Lasten einseitig den SteuerzahlerInnen auf.“ Außerdem müsste der Freistaat für ein Drittel des Defizites der Winterspiele aufkommen; damit würde die Bayerische Haushaltsordnung außer Kraft gesetzt, „die zwingend die Begrenzung einer Bürgschaft vorschreibt“ (Olympia: Wo bleibt die Transparenz, Pressemitteilung Fraktion Bündsnis 90/Die Grünen, 14.12.2010).

Dagegen stimmten 18 Grüne Abgeordnete, dafür stimmten sämtliche anwesenden Abgeordneten von CSU, SPD, Freie Wähler und FDP plus die Grüne Abgeordnete Theresa Schopper, Ehefrau von Boris Schwartz (Bayerischer Landtag, 16. Wahlperiode, 62. Vollsitzung am 14.12.2010Abstimmungsliste).
Einige Abgeordnete hatten es wohl vorgezogen, nicht anwesend zu sein.

SPD-MdL Florian Ritter setzte noch eins drauf und forderte ein Sonderbudget des Bundes: „Die Olympischen Spiele sollen zum Erfolg für alle Regionen Bayerns werden“ (PM SPD-Landtagsfraktion 13.12.2010):

„Die Staatsregierung soll durch Verhandlungen mit dem Bund gewährleisten, dass die Unterstützung für Baumaßnahmen im Zuge von Olympia 2018 durch ein Sonderbudget des Bundes erfolgt, das nicht zu Lasten der für ganz Bayern zur Verfügung stehenden Infrastrukturmittel geht. Gegebenenfalls muss dies durch ein ergänzendes Sonderinvestitionsprogramm des Freistaats bzw. durch entsprechende Vorfinanzierungen des Freistaats gewährleistet werden.“

Alle Regionen Bayerns sollen profitieren, wie schön. Alle Regionen würden draufzahlen – und vor allem die Region Werdenfelser Land.  SPD-Mann Ritter nimmt mit seinem Vorschlag teil an der Wahl zum Abgeordneten-Sportler des Jahres, allerdings unter starker Konkurrenz.

Der Siegfried-Schneider-Bluff findet ein Ende:
Bauern und Grundbesitzer fordern Rückzug der Bewerbung München 2018

Die Grundeigentümer waren für die Bewerbungsgesellschaft und die Staatsregierung lange nicht existent. Im August hatte Ignaz Streitel im Fernsehen gefordert, dass endlich mit ihnen gesprochen würde. Dann kam Rechtsanwalt Seitz dazu.

„59 willigten ein, sich von ihm vertreten zu lassen. Erst jetzt wurde aus den Einzelkämpfern eine Gruppe, und bis zum Ultimatum sollten Monate vergehen, in denen man in der Staatskanzlei vor allem eines tat: sich taub stellen. Als erstes forderte Anwalt Seitz von der Staatskanzlei die Pläne für Olympia an. Keine Antwort. Seitz verfasste wieder ein Schreiben. Wieder keine Antwort. Anfang November erhielt er ein Fax, kaum lesbar, es waren die Pläne. Seitz schrieb erneut. Schließlich kamen die Pläne, per Post. Erst jetzt erfuhren die Bauern, wo was gebaut werden sollte“ (Frenzel, Veronica, Die Olympia-Gegenspieler, in Tagesspiegel 21.12.2010).
Wieder einmal ein Beweis für die Intransparenz von München 2018!

Von Minister Schneider und der Bewerbungsgesellschaft wurde immer wieder fälschlicherweise der Eindruck erweckt, die für die Bewerbung nötigen Grundstücke stünden zur Verfügung. Ungeachtet der eindeutigen Eigentumsverhältnisse wurde ungeniert am 6.10.2010 im Münchner Stadtrat, im Garmisch-Partenkirchner Gemeinderat und in Berchtesgaden für München 2018 abgestimmt, und noch am 14.12.2010 hatte man das Olympiagesetz im Bayerischen Landtag durchgewunken.
Das war also die Strategie von Staatsregierung und DOSB: Grundeigentümer ignorieren, Rechtsanwaltsschreiben nicht beantworten, Probleme aussitzen, Fakten schaffen, Rechtsgrundlagen beschließen.

Am 13.12.2010 schrieb Anwalt Seitz dem Staatskanzlei-Minister Siegfried Schneider einen Brief, in dem er diesem mitteilte, dass er 59 Garmisch-Partenkirchner Grundeigentümer vertrete. Deren Grundstücke sind für die Sportstätten „Kandahar“, „Hausberg“ und „Ski-Stadion Gudiberg“ unverzichtbar: Schneider selbst hatte dieses Wort bei einer Versammlung am 26.11.2010 vor den Mandanten verwendet und den Abschluss der Gestattungsverträge als zwingend erforderlich bezeichnet. Der Staatskanzlei-Chef hätte außerdem mit Nachdruck betont, dass eine Enteignung zu Gunsten „eines höchst temporären Ereignisses“ wie Olympische Winterspiele oder eine Ski-WM definitiv auszuschließen seien, da die Enteignung .für ein solch höchst temporäres Ereignis in unserem Rechtsstaat undenkbar sei. Schneider hatte bei dieser Versammlung auch darauf hingewiesen, dass die Stellung des Bayerischen Ministerpräsidenten – gerade mit Blick auf sein bundespolitisches Gewicht – empfindlich geschwächt werde.

Seitz verwies auf weitere fehlende Grundstücke an den Sportstätten, für die es keine Vertragsentwürfe gebe. „Die im Gasthof Zum Lamm versammelten Grundeigentümer hatten Ihnen auf Nachfrage einstimmig erklärt, dass deren Grundbesitz für die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele definitiv nicht zur Verfügung steht. Dies gilt insbesondere und gerade auch für die sämtlichen Flächen, unserer Mandantschaften, die im Kernbereich der drei Sportstätten liegen und die conditio sine qua non für die Olympia-Bewerbung darstellen.

Namens und im Auftrag der sämtlich von uns vertretenen Grundeigentümer bitten wir, uns umgehend zu bestätigen, dass – gemäß Ihrer Ankündigung – die Bewerbung offiziell zurückgezogen wird. Sollte uns diese Bestätigung nicht bis Mittwoch, 22. Dezember 2010 vorliegen, so erlauben wir uns, das Internationale Olympische Komitee direkt zu verständigen.“

Seitz übermittelte dieses Schreiben auch an die Bewerbungsgesellschaft München 2018 und dem Markt Garmisch-Partenkirchen. Er betonte die Notwendigkeit dieses Briefes für seine Mandanten: „Ansonsten hätte ihnen der Vorwurf gemacht werden können, sehenden Auges die Abgabe der Bewerbungsunterlagen hingenommen zu haben.“ Seitz berichtete auch von einem Vertreter eines Stuttgarter Planungsbüros, der vom nötigen Ausbau von Straßen sprach und dass „zum Beispiel auch der sehr wichtige Grüngürtel durchschnitten werden muss. Das sei alles Bestandteil des Bid Books. Auch hier wird die Öffentlichkeit hinters Licht geführt. Die Beschwichtigungsformeln gehen völlig an den Fakten vorbei“ („Die Wahrheit ist auf unserer Seite“, Interview mit Ludwig Seitz in taz.de 18.12.2010).

Zu den Grundstücken seiner Garmisch-Partenkirchner Mandanten stellte ihr Rechtsanwalt Ludwig Seitz fest: „Sämtliche Grundstücke liegen innerhalb des Sicherheitszauns, den das IOC rund um die Olympiaanlagen verlangt“ (SZ 14.12.2010. Dieser Sicherheitszaun soll nach IOC-Vorschrift vier Meter hoch sein; Bauer gegen Olympia, Interview mit Ignaz Streitel, tz-online 15.12.2010).

Seitz weiter: „Nach dem Stand der Dinge wird Olympia hier nicht stattfinden.“ Initiatoren seien „praktizierende Landwirte, die hier Milchwirtschaft betreiben… Es geht ihnen nicht um Geld“ (Issig, Peter, Landwirte wollen Olympia in Garmisch verhindern, in welt.de 14.12.2010).

Seitz betonte die Notwendigkeit dieses Briefes für seine Mandanten: „Ansonsten hätte ihnen der Vorwurf gemacht werden können, sehenden Auges die Abgabe der Bewerbungsunterlagen hingenommen zu haben.“ Seitz berichtete auch von einem Vertreter eines Stuttgarter Planungsbüros, der vom nötigen Ausbau von Straßen sprach und dass „zum Beispiel auch der sehr wichtige Grüngürtel durchschnitten werden muss. Das sei alles Bestandteil des Bid Books. Auch hier wird die Öffentlichkeit hinters Licht geführt. Die Beschwichtigungsformeln gehen völlig an den Fakten vorbei“ („Die Wahrheit ist auf unserer Seite“, Interview mit Ludwig Seitz in taz.de 18.12.2010).

Seitz teilte auch mit, dass die ihm übermittelten Vertragsentwürfe „nicht einmal vollständig waren“, dass die Bewerbungsgesellschaft „Probleme verschleiere“, um das Bid Book mit der verbindlichen Planung Anfang Januar 2011 an das IOC zu übermitteln „nach dem Motto Augen zu und durch“ (Riedel, Katja, Von wegen Kompromiss, in SZ 15.12.2010). „Es handelte sich um schlampige Pauschalverträge, in denen schon mal Grundstücke und Personen verwechselt wurden. Die Papiere tragen den Vermerk „Bitte bis zum 26. November Verträge abschließen“ (Kemnitzer, Sebastian, Garmischer Schmarrn, in taz.de 21.12.2010).

Staatskanzleichef Schneider schrieb danach wieder einmal einen Brief – diesmal richtigerweise an den Anwalt Seitz zum Weiterreichen an fünf seiner Mandanten, die Flächen im Bereich der geplanten Sportarenen haben. Für die temporäre Nutzung von Oktober 2017 bis Ende April 2018 bot Schneider 1,50 Euro pro Jahr und Quadratmeter: „Das ist ein faires Angebot“ (Deutschländer, Christian, Schwer, Alexander, Neue Runde im Poker um die Pisten, in merkur-online 17.12.2010).
Nach den Spielen würde der Grund und Boden nicht wiederzuerkennen sein – trotz gegebener Garantien.

Rechtsanwalt Seitz teilte mit, dass er am 22.12.2010 bis 24 Uhr abwarten würde: „Aber danach geht unser Schreiben raus – und zwar gleich dreifach: per Einschreiben mit Rückschein, als E-Mail und per Fax“ (de Ponte, Wolfgang, Olympia: Der Brandbrief ans IOC, in merkur-online 22.12.2010; vergleiche auch: Kippt dieser Brief Olympia, in tz-online 14.12.2010

Axel Doering rechnete nicht mit einem „Plan B“, denn die dann benötigten Grundstücke „gehören dann wahrscheinlich auch Leuten aus dem Kreis der 59.“ Doering urteilte über die Bewerbung: „Es war eine Katastrophenplanung von Anfang an. Die haben die Einwände nicht ernst genommen. Ich habe schon im Herbst, als die Jubelmeldung kam, Olympia sei gerettet und die Grundstücksfrage so gut wie geklärt, gesagt: ‚Es hat sich doch gar nichts geändert’. Und jetzt holt das die Bewerbung eben ein.“ Doering sagte noch voraus: „Diese Bewerbung wird bald enden. Und dann kommt der Untersuchungsausschuss“ (Hettfleisch 15.12.2010). Wohl auch deshalb kam Wolfgang Hettfleisch zu dem Schluss: „Denn sportliche Großereignisse werden nicht nur bei Wladimir Putin von oben verordnet“ (Hettfleisch, Wolfgang, Garmisch 21, in fr-online 15.12.2010)

Die Forderung von Nolympia, die Pannenbewerbung München 2018 endlich einzustellen, erhält durch das Ultimatum der Grundbesitzer weiteren Rückhalt.

MdL Ludwig Hartmann kritisierte den Leiter der Staatskanzlei: „Schneider hat die Lage schöngeredet, um in den Gremien die Beschlüsse herbeizuführen“ (Hutter, D., Effern, H., Sebald, C., Szymanski, M., Bauern setzen Regierung Ultimatum, in SZ 14.12.2010).
Und so war ungeniert am 6.10.2010 im Münchner Stadtrat, im Garmisch-Partenkirchner Gemeinderat und in Berchtesgaden für München 2018 abgestimmt worden, und noch am 14.12.2010 hatte man das Olympiagesetz im Bayerischen Landtag durchgewunken.

Die Landtagsgrünen warnten die Staatsregierung davor, sich über den Willen der Bevölkerung hinwegzusetzen: „Wir hoffen nicht, dass Staatskanzleichef Schneider zu ‚entsprechenden Ersatzlösungen’ auch Enteignungen zählt“ (Olympia: Wo bleibt die Transparenz, Pressemitteilung Fraktion Bündsnis 90/Die Grünen, 14.12.2010) Schneider hatte dies vor Journalisten explizit ausgeschlossen.

München-2018-Fans wiegeln ab

– Ministerpräsident Horst Seehofer ließ verlauten: „Die Bewerbung ist nicht gefährdet.“ Und: „Von einem Rechtsanwalt lassen wir uns kein Ultimatum stellen“ (Seehofer greift Bauern-Anwalt an, in SZ 15.12.2010).

– Staatskanzlei-Minister Siegfried Schneider sagte: „Lediglich eine Handvoll Grundstücke sind relevant für die geltende Planung“. Schneider selbst hatte allerdings am 26.11.2010 bei einem Treffen im Garmisch-Partenkirchner Gasthof Lamm vor 50 Zeugen geäußert, „die besagten Areale seien unverzichtbar, sonst müsste die Bewerbung zurückgezogen werden“ (Hutter, D., Effern, H., Sebald, C., Szymanski, M., Bauern setzen Regierung Ultimatum, in SZ 14.12.2010). Bei diesem Treffen wies Schneider auch darauf hin, dass ein Rückzug aus der Bewerbung besonders Ministerpräsident Seehofer treffen würde, der dadurch an bundespolitischem Gewicht verlöre (Kippt dieser Brief Olympia? in tz-online 14.12.2010). Die SZ zitierte auch aus dem Umfeld der Staatsregierung: „Es wird immer schwieriger zu sagen, jetzt geht es auch ohne dein Land. Man hat noch nicht alle Flächen definitiv zusammen“ (Münchens Olympia-Bewerbung in Gefahr, in SZ 14.12.2010; Müller, Thomas, Garmischer Bauern bleiben hart: Kippt jetzt Olympia 2018? in abendzeitung.de 14.12.2010).

– Bewerbungschef Bernhard Schwank sah in allem kein Problem: „Für alle Eventualitäten liegen Alternativen vor“ (general-anzeiger-bonn.de 14.12.2010)

– Kati Witt beurteilte die Situation so: Es ist natürlich bedauerlich, dass wir noch nicht alle hundertprozentig von der Bewerbung überzeugen konnten“ (Olympia 2018 in München: Probleme? Gibt’s keine, in Abendzeitung 15.12.2010).

– DOSB-Generaldirektor Michael Vesper wusste sofort Bescheid: „Die Sportstätten sind von den Weigerungen einiger Grundbesitzer fast gar nicht betroffen“ (Drohung lässt Bewerberteam kalt, in br-online 14.12.2010). Im Spiegel-Interview äußerte er dann: „Die Bayerische Staatsregierung führt freundliche Gespräche… Der Tourismus dort (in Garmisch-Partenkirchen; W.Z.) würde einen gewaltigen Schub bekommen… Heute werden Pisten überall beschneit. Das ist Standard, auch im Freizeit-Sport. Der Vorteil von Garmisch-Partenkirchen ist, dass die Anlagen dort schon fast alle stehen und sowieso benutzt werden… Ich bin optimistisch, dass auch bei uns der olympische Geist siegt“ („Der Olympische Geist siegt“, in Der Spiegel 20.12.2010).
Mit diesen alten, inzwischen vielfach als falsch widerlegten „Argumenten“ wird der olympische Geist mitnichten siegen.

– Die sportpolitische Sprecherin der FDP, Julika Sandt, sah in der „Verunsicherung“ der Bauern „auch ein Ergebnis der polemischen Desinformationspolitik der Landtags-Grünen. Hier wird mit den Sorgen und Ängsten der Menschen auf unverantwortliche Weise gespielt“ (Auer, Katja, Plan B in der Hinterhand? In SZ 15.12.2010).
a) Frau Sandt hat nichts von den Nöten der Bauern im Werdenfelser Land verstanden. b) Die Abteilung Desinformation ist bei der Bewerbungsgesellschaft München 2018 angesiedelt. c) Die Sorgen und Ängste der Menschen werden erst durch eben jene Bewerbungsgesellschaft hervorgerufen.

– Die Gemeinderätin des Christlich-Sozialen Bündnisses (CSB), Alexandra Roos-Teitscheid befleißigte sich einer klar olympisch-ideologischen Sichtweise: „Man muss doch zwischen dem Wohl von 60 Leuten und den Wohl des ganzen Ortes abwägen“ (Brinkmann, Tanja, Ein „klares Signal“ der Grundbesitzer, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 15.12.2010).
Das ist leider eine absichtlich grundfalsche Sichtweise. Hier werden 60 Grundeigentümer als egoistische Minderheit dargestellt, die dem angeblichen Wohl der restlichen 26.000 Garmisch-Partenkirchner im Wege stehen. Die Grundeigentümer werden mehr Solidarität von ihren Mitbewohnern erfahren, als sich die CSB-Gemeinderätin vorstellen kann. Aber vielleicht will die CSB auch nur vom Vorgehen ihres Bürgermeisters ablenken, der durch Nichtinformation und Arroganz mitverantwortlich an dem Desaster ist.

Der Bach des Jahres

Bei der Ehrung der „Sportler des Jahres“ am 19.12.2010 durften Maria Riesch und Rosi Mittermaier lauthals für die Olympischen Winterspiele 2018 in München werben. DOSB-Präsident Thomas Bach nutzte den Auftritt im ZDF und sagte vor einem Millionenpublikum in Richtung der Grundeigentümer in Garmisch-Partenkirchen: „Hier muss die Mehrheit der Deutschen hinter diesen Spielen stehen. Unsere Chancen sind wirklich gut. Das lassen wir uns nicht von einzelnen kaputt machen“ (Hahn, Jörg, Verwirrende Signale, in faz.net 20.12.2010; Jörg Hahn bemerkte dazu: „Und das ZDF übertrug die forschen Worte in die Wohnzimmer.“)
Das ist die Sport-Demokratie: immer fiktive Mehrheiten vortäuschen und Rechtsgrundlagen ignorieren, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Bach verrät seit geraumer Zeit bei seinen öffentlichen Auftritten, dass er seinem Ziehvater Juan Antonio Samaranch politisch näher steht als dem Grundgesetz.

Bauern-Land
Die Münchner tz hat die Grundstücke der Gegner aufgelistet: Am Gudiberg haben am Skistadion mindestens zwei Olympiagegner Grundstücke, an der Halfpipe am Hausberg vier Grundeigentümer und an der Kandahar-Strecke ebenfalls vier (Bauer gegen Olympia: Warum ich mein Land nicht hergebe, in tz-online 15.12.2010).

An der „Alpinarena Kandahar“ soll ein Skistadion für Slalom und Buckelpiste für 18.000 Zuschauer entstehen, an der Großen Schanze und (neu zu errichtender) Kleinen Schanze Areale für das Freestyle-Springen Plätze für 14.000 Zuschauer, am Hausberg für Snowboardcross, Parallelriesenslalom und Skicross auf der Hornabfahrt Plätze für 14.000 Zuschauer und der Halfpipe für 10.000 Zuschauer (Mein Hund, mein Grund, in ftd.de 16.12.2010).

Ignaz Streitel, langjähriges CSU-Gemeinderatsmitglied und Ex-Chef der Weidegenossenschaft, musste feststellen: „Es wurden schon zu viele Fehler gemacht. Die grüne Lunge ist längst weg“ (Vitzthum, Thomas, Scheune statt Spiele, in Welt am Sonntag 19.12.2010). Zur Haltung der Bauern sagte er: „Es geht um unsere Heimat und um sonst gar nix. Aus.“

Theo Geyer soll seinen Grund und Boden hergeben für die Halfpipe, für Parkplätze, für ein VIP-Zelt und für Tribünen am Ziel der Kandahar-Abfahrt. Die Familie fürchtet um ihren Hof, da es bereits Hangrutschungen gegeben hat. „Schon einmal ist Geyers Familie mit Olympia konfrontiert gewesen. Für die Spiele 1940, die nie ausgetragen wurden, wurde die Mutter enteignet. Zurückbekommen haben sie ihr Land nicht“ (Riedel, Katja, Von wegen Kompromiss, in SZ 15.12.2010).

„Anton Hornsteiner hat in seinem Stall 13 Milchkühe. Darunter zwei seltene, dunkelrotbraune, schlanke, edle Tiere. ‚Die sterb’n leider aus wie mia’, sagt der Bauer und streichelt die kleinere der beiden Murnau-Werdenfelser über den Kopf. ‚Sie sind halt nicht so groß, nicht so guad wie die anderen’“ (Vitzthum 19.12.2010).

Was kümmert Sportfunktionäre und Politiker das Leben dieser Bauern?

Aufruf zur Enteignung in der SZ

Eine befremdliche und einseitige Sichtweise entwickelte Annette Ramelsberger in einem Kommentar in der SZ: Die Wünsche der Mehrheit „verschwinden hinter dem lauten Protest der wenigen. Immerhin sprechen sich 64 Prozent der Garmisch-Partenkirchner für die Bewerbung aus…“ Mit dem Ultimatum „haben sie einen kritischen Punkt überschritten. Sie haben sich nicht nur im Ton vergriffen. Mit der Drohung, sich selbst an das IOC zu wenden, fordern sie die Regierung geradezu heraus: Die kann nun nicht mehr auf Einfühlungsvermögen und Entgegenkommen setzen, sie muss jetzt zeigen, dass sie das Gemeinwohl über das Eigentum der Grundbesitzer stellt“ (Ramelsberger, Annette, 59 Bauern gegen den Rest der Welt, in SZ 14.12.2010).

Da dies ein direkter Aufruf zur Enteignung der bäuerlichen Gründstücke in Garmisch-Partenkirchen ist, möchte ich näher darauf eingehen:
1) Zum einen ist das mit Mehrheiten so eine Sache. Beim Online-Voting der Münchner Abendzeitung lagen bis 21.12.2010 die Gegner bei über 75 Prozent, die Befürworter nur bei 20 Prozent. Frühere Online-Voten des BR und der Augsburger Allgemeinen brachten ebenfalls klare Mehrheiten für die Gegner. Und die bekannten Tricksereien der Bewerbungsgesellschaft, nämlich eine hohe Zustimmung zu erhalten, indem man 78 Prozent Sportbegeisterte befragt, lässt doch die angegebenen 64 Prozent Befürworter in Garmisch-Partenkirchen stark bezweifeln.
Vergleiche: https://www.nolympia.de/2010/09/vorsicht-mit-statistiken-die-man-nicht-selbst-gefalscht-hat/
2) Die wirkliche Minderheit ist das IOC: Es hat allerdings Politik, Kapital und Teile des Sports mit unerfindlichen und nicht immer sauberen Mitteln hinter sich geschart. Das sind Mächte, aber keine Mehrheiten. Vor allem, da die Mehrheit der Bevölkerung, nämlich die Steuerzahler, die Zeche für die paar Wochen olympische Party zu bezahlen hätten: Verschuldung auf viele Jahre.
3) Und für diese paar Wochen olympischen Hype sollen die Bauern ihre jahrhundertealten Stadel abreißen, ihre Wiesen von schweren Fahrzeugen komprimieren und versauern und das Landschaftsbild ruinieren lassen und ihre bäuerliche Berufsausübung zwischenzeitlich einstellen oder zumindest reduzieren, dazu – wie die gesamte Garmisch-Partenkirchner Bevölkerung – jahrelang Staub und Dreck, Lärm und Baustellen ertragen? Sollen sich die Bauern quasi freiwillig enteignen und das alles gefallen lassen, ohne gesetzliche Mittel einzulegen, nachdem sie kein Gehör gefunden haben? Das kann doch kein vernünftig denkender Mensch verlangen!
4) Außerdem ist für die Frage der Tonstärke allein die Staatsregierung bzw. der Staatskanzleiminister zuständig: Im August 2010 hat Rechtsanwalt Seitz den ersten Brief geschrieben: Er blieb bis heute unbeantwortet. Die Staatsregierung ging überhaupt nicht auf die Realität ein und tat so, als ob fremdes Eigentum, nämlich das der Bauern, beliebig verfügbare Manövriermasse sei, die einfach an die Bewerbungsgesellschaft München 2018 verschoben werden könnte.
Legal sieht anders aus! Und mit Gemeinwohl hat das rein gar nichts zu tun!

Ähnlich arrogant äußerte sich der Chefredakteur der Münchner Abendzeitung, Arno Makowsky: „Bei aller Liebe zur bayerischen Folklore – so langsam reicht es jetzt mit dem Provinz-Aufstand der Garmischer Grundstücksbesitzer gegen die Olympischen Spiele. Was die Bauern und Grundeigner aufführen, mag mancher für sympathische Aufmüpfigkeit halten – in Wahrheit ist das Sturheit und Egoismus… Aber hier stehen Einzelinteressen gegen die Mehrheit. Es wäre demokratisch, sich zu beugen“ (Makowsky, Arno, Auf dem Ego-Trip, in Abendzeitung 15.12.2010).
Ist es „Sturheit und Egoismus“, wenn man seinen Beruf weiter ausüben, seine Landwirtschaft weiter betreiben und die schon stark verkleinerte historische Kulturlandschaft erhalten will? Der Herr Chefredakteur selbst hat nichts verstanden von Demokratie – und von dem undemokratischen Vorgehen von IOC und DOSB!

Als Schreiber dieser Chronik möchte ich an dieser Stelle den Garmisch-Partenkirchner Bauern und Grundeigentümern für ihre Solidarität und ihren Mut, für die Bewahrung der Heimat und das Eintreten für ihre demokratischen Rechte danken.

Vergleiche auch unter „Aktuelles“: https://www.nolympia.de/2010/12/der-siegfried-schneider-bluff-findet-ein-ende/
und: https://www.nolympia.de/2010/12/der-brief-an-jacques-rogge/

Rechtsanwalt Seitz schreibt an Minister Schneider

Trotz mehrfacher Klarstellungen und eines Briefes, der von Seitz im Namen von 167 Grundeigentümern am 6.10.2010, dem Tag der Entscheidung über das „Bid-Book“, an den Gemeinderat in Garmisch-Partenkirchen adressiert war, wurde von Minister Schneider und der Bewerbungsgesellschaft immer wieder fälschlicherweise der Eindruck erweckt, die für die Bewerbung nötigen Grundstücke stünden zur Verfügung. Ungeachtet der eindeutigen Eigentumsverhältnisse wurde ungeniert am 6.10.2010 im Münchner Stadtrat, im Garmisch-Partenkirchner Gemeinderat und in Berchtesgaden für München 2018 abgestimmt, und noch am 14.12.2010 hatte man das Olympiagesetz im Bayerischen Landtag durchgewunken.
Das war also die Strategie von Staatsregierung und DOSB: Grundeigentümer ignorieren, Rechtsanwaltsschreiben nicht beantworten, Probleme aussitzen, Fakten schaffen, Rechtsgrundlagen beschließen.

Am 13.12.2010 schrieb Anwalt Seitz dem Staatskanzlei-Minister Siegfried Schneider einen Brief, in dem er diesem mitteilte, dass er 59 Garmisch-Partenkirchner Grundeigentümer vertrete. Deren Grundstücke sind für die Sportstätten „Kandahar“, „Hausberg“ und „Ski-Stadion Gudiberg“ unverzichtbar: Schneider selbst hatte dieses Wort bei einer Versammlung am 26.11.2010 vor den Mandanten verwendet und den Abschluss der Gestattungsverträge als zwingend erforderlich bezeichnet. Der Staatskanzlei-Chef hätte außerdem mit Nachdruck betont, dass eine Enteignung zu Gunsten „eines höchst temporären Ereignisses“ wie Olympische Winterspiele oder eine Ski-WM definitiv auszuschließen seien, da die Enteignung .für ein solch höchst temporäres Ereignis in unserem Rechtsstaat undenkbar sei. Schneider hatte bei dieser Versammlung auch darauf hingewiesen, dass die Stellung des Bayerischen Ministerpräsidenten – gerade mit Blick auf sein bundespolitisches Gewicht – empfindlich geschwächt werde.

Seitz verwies auf weitere fehlende Grundstücke an den Sportstätten, für die es keine Vertragsentwürfe gebe. „Die im Gasthof Zum Lamm versammelten Grundeigentümer hatten Ihnen auf Nachfrage einstimmig erklärt, dass deren Grundbesitz für die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele definitiv nicht zur Verfügung steht. Dies gilt insbesondere und gerade auch für die sämtlichen Flächen, unserer Mandantschaften, die im Kernbereich der drei Sportstätten liegen und die conditio sine qua non für die Olympia-Bewerbung darstellen.

Namens und im Auftrag der sämtlich von uns vertretenen Grundeigentümer bitten wir, uns umgehend zu bestätigen, dass – gemäß Ihrer Ankündigung – die Bewerbung offiziell zurückgezogen wird. Sollte uns diese Bestätigung nicht bis Mittwoch, 22. Dezember 2010 vorliegen, so erlauben wir uns, das Internationale Olympische Komitee direkt zu verständigen.“

Seitz übermittelte dieses Schreiben auch an die Bewerbungsgesellschaft München 2018 und dem Markt Garmisch-Partenkirchen. Er betonte die Notwendigkeit dieses Briefes für seine Mandanten: „Ansonsten hätte ihnen der Vorwurf gemacht werden können, sehenden Auges die Abgabe der Bewerbungsunterlagen hingenommen zu haben.“ Seitz berichtete auch von einem Vertreter eines Stuttgarter Planungsbüros, der vom nötigen Ausbau von Straßen sprach und dass „zum Beispiel auch der sehr wichtige Grüngürtel durchschnitten werden muss. Das sei alles Bestandteil des Bid Books. Auch hier wird die Öffentlichkeit hinters Licht geführt. Die Beschwichtigungsformeln gehen völlig an den Fakten vorbei“ („Die Wahrheit ist auf unserer Seite“, Interview mit Ludwig Seitz in taz.de 18.12.2010).

Brief an Jacques Rogge

Wie in der Vergangenheit wurde auch dieser Brief von Rechtsanwalt Seitz von den Adressaten – bis auf einige arrogante Statements der bayerischen Staatsregierung und anderer – nicht beantwortet, und sie ließen auch die Frist 22.12.2010 verstreichen. Damit übersandte Seitz wie angekündigt am 23.12.2010 per Fax, Email und Post einen Brief an IOC-Präsident Jacques Rogge.

Seitz teilte diesem mit, dass der DOSB das Bid Book am 11.1.2011 einreichen werde, dass aber „die Funktionsfähigkeit der Sportstätten in Garmisch-Partenkirchen – Kandahar, Hausberg, Ski-Stadion Gudiberg – nicht gegeben ist. Denn unsere Mandanten sehen sich nicht in der Lage, ihren privaten Grundbesitz – zum größten Teil seit Jahrhunderten im Familienbesitz – zur Verfügung stellen. Eine Enteignung unserer Mandanten ist ausgeschlossen. So auch die ständig wiederholten Beteuerungen der Bayerischen Staatsregierung.“

Die Grundstücke der Mandanten sind zwischen 5.000 und 6.000 Quadratmeter groß und „liegen innerhalb des Areals, das nach den Vorgaben des IOC bei der jeweiligen Sportstätte unverzichtbar ist (innerhalb des geforderten Sicherheitszaunes). Ohne diese Grundstücke sind die Sportstätten ‚Kandahar’, ‚Hausberg’ und ‚Ski-Stadion Gudiberg’ nicht funktionsfähig.“
Der erwähnte Sicherheitszaun ist nach IOC-Vorschrift mindestens zwei Meter hoch!

Seitz schrieb Rogge weiter, dass die Entscheidung der Grundeigentümer unumstößlich ist, dass auch die Einlassung der Bewerberseite mit einem „Plan B“ unrealistisch ist: „Unsere 59 Mandantschaften möchten darauf hinweisen, dass sich über 100 weitere Grundeigentümer mit ihnen solidarisiert haben.“ Schließlich wies Seitz noch für den Fall einer Enteignung auf die Ausschöpfung aller zur Verfügung stehender rechtlicher Möglichkeiten hin.

Die 59 Grundeigentümer und ihre Familien „siedeln zum ganz überwiegenden Teil seit Jahrhunderten in dem engen Werdenfelser Tal. Sie möchten ihre Kulturlandschaft pflegen, Eingriffe in Natur und Landschaft vermeiden und den – ohnehin weltweit bekannten – schönen Wintersportort Garmisch-Partenkirchen in seinem Charakter bewahren.

Bitte berücksichtigen Sie dies bei Ihren weiteren Entscheidungen“.

Gez. Ludwig O. Seitz

Drohende Enteignung

Bereits am 8.12.2010 hatte merkur-online gemeldet, dass die „förmliche Enteignung“ des Grundbesitzers an der Kandahar für die Ski-WM im Februar 2011 in der Sitzung des Marktgemeinderates am 14.12.2010 beschlossen werden soll (Grundstücksstreit vor der Ski-WM: Lösung noch vor Weihnachten? in merkur-online 8.12.2010). Die Rede war auch von „temporärer Enteignung“ (Drohung lässt Bewerberteam kalt, in br-online 14.12.2010). In einem späteren Bericht im Merkur stand, dass der Garmisch-Partenkirchner Bürgermeister Schmid (ohne den Marktgemeinderat darüber abstimmen zu lassen!) ein Enteignungsverfahren gegen den Eigentümer des 4000 Quadratmeter großen Grundstücks im Zielbereich der Kandahar-Abfahrt eingeleitet hat: „Und zwar nicht nur, wie offiziell behauptet wird, für die Zeit rund um die Ski-WM im Februar 2011, sondern auch für ‚ähnliche Veranstaltungen’ – und zwar in den nächsten 30 Jahren!“ (de Ponte, Wolfgang, Olympia: Der Brandbrief ans IOC, in merkur-online 22.12.2010).

Albert Schäffer schrieb zum Begriff der Enteignung im Bayerischen Naturschutzgesetz und das Recht der Bürger auf den „Genuss der Naturschönheiten“: „Ob darunter auch das Hinabstürzen steiler verschneiter Hänge bei Sportveranstaltungen zu verstehen ist, könnte nicht nur juristische Oberseminare beschäftigen“ (Schäffer, Albert, Der „Aufstand“ gegen Seehofersche Olympiadörfer, in Faz.net 19.12.2010).

Anwalt Seitz sieht im Fall eines Zuschlags an München 2018 das Ende der Kompromisse, denn dann würde das „komplette Planungsinstrumentarium greifen“ – einschließlich Enteignungen (Etscheid, Georg, Spiele auf fremden Grund, in zeit.de 17.12.2010). Obwohl Enteignungen rechtlich möglich seien, schrieb Alexander Müller, sähen sie „zu sehr nach chinesischen Methoden auf deutschem Boden aus“ (Müller, Alexander, Rebellische Bayern, in Mannheimer Morgen 15.12.2010).

In einem Brief vom 23.12.2010 an den Rechtsanwalt der Bewerbungsgesellschaft München 2018, Alfred Sauter, zitierte Seitz aus einem Brief von Staatskanzlei-Minister Schneider vom 15.12.2010 an einen seiner Mandanten: „Klarstellen möchte ich auch, dass entgegen teilweise kursierenden Behauptungen ein Eigentumsübergang oder gar eine Enteignung für olympische und paralympische Spiele 2018 in Garmisch-Partenkirchen nicht erfolgen wird.“

Seitz erwähnte den eingereichten Enteignungsantrag gegen einen seiner Mandanten, der das Grundstück an der Zieleinfahrt der Kandahar besitzt. Seinem Mandanten seien seit Jahren Versprechungen gemacht worden, die nie eingelöst wurden: „Seit acht Jahren läuft mein Mandant dem Markt – insbesondere dessen Erstem Bürgermeister – händeringend mit der Bitte hinterher, doch einen Anschlussvertrag abzuschließen“ (Brinkmann, Tanja, Streit um Flächen für Olympia 2018: Ultimatum läuft ab, in merkur-online 21.12.2010; Grundbesitzer lässt Ski-WM zu, in sueddeutsche.de 21.12.2010; Deutschländer, Christian, Schwer, Alexander, Neue Runde im Poker um die Pisten, in merkur-online 17.12.2010).

Bürgermeister Thomas Schmid vertrat die eigenwillige Ansicht: „Wir können nicht gegenüber unseren Einheimischen und Gästen mit fünf beschneiten Talabfahrten werben, wenn zwei davon … dauerhaft nicht verfügbar sind… Wir wollen niemand seinen Grund und Boden wegnehmen, es geht lediglich um eine geduldete Nutzung, eine Grunddienstbarkeit für den Skisport, die sich der Markt sichern muss“ (Garmisch-Partenkirchen beantragt Enteignung für Kandahar-Grundstück, in merkur-online 16.12.2010). Das entsprach nicht den Tatsachen: „Im Antrag ans zuständige Landratsamt, der der tz vorliegt, ist aber auch schwarz auf weiß von Enteignung die Rede. Und zwar nicht nur für die Ski-WM im Februar, sondern auch für ‚ähnliche Veranstaltungen’. Auf die Dauer von 30 Jahren“ (Beez, Andreas, Olympia: Der Plan B, in tz-online 26.12.2010).

Im Ort verschärften sich dadurch die Spannungen: „Die juristische Holzhammer-Attacke aus dem Rathaus spaltet den Ort mehr denn je“ (Beetz, Andreas, de Ponte, Wolfgang, Olympia-Krise spitzt sich zu, in tz-online 17.12.2010). Für Anwalt Seitz war das Vorgehen der Gemeinde zur Ski-WM „wie eine Blaupause für die Olympia-Bewerbung“ (Ebenda).

Der Antrag sieht eine Enteignung auf die Dauer von 30 Jahren vor und bezieht sich auch auf der Ski-WM „ähnliche Veranstaltungen“ – und damit auch auf die Olympischen Winterspiele 2018. Seitz forderte die Bewerbungsgesellschaft München 2018 auf, „auf die Rücknahme des evident unzulässigen Enteignungsantrages hinzuwirken, soweit er sich auf eine Winterolympiade 2018 bezieht“.

DOSB-Präsident Thomas Bach tat so, als bestünde auch nach dem Brief an Rogge nach wie vor kein Grund zur Beunruhigung. “Die IOC-Mitglieder wissen einzuschätzen, wie so etwas abläuft, und dass es für so ein Großprojekt nie 100 Prozent Zustimmung geben kann.” Von den 59 Bauern seien nur wenige von den olympischen Planungen betroffen. Laut Bach wäre eine Enteignung der Grundstückseigner laut Gesetz möglich, aber “keine Option”. Gleichzeitig drohte er: “Natürlich haben wir Enteignungen erlebt bei anderen internationalen Bewerbungen, es wäre nichts ungewöhnliches” (Hannemann, Raik, Hungermann, Jens, “Enteignung nichts Ungewöhnliches”, in welt.de 26.12.2010).
Bachs Nichtverständnis der Situation ist gewollt und Teil seiner Strategie. Und dass für das IOC Enteignungen nichts Ungewöhnliches sind (Peking/China, Sotschi/Russland), lässt tief blicken! Friedliche Spiele?!

 

Ludwig Hartmann schreibt an das IOC

Am 21.12.2010 sandte MdL Ludwig Hartmann seinen turnusmäßigen Brief an IOC-Präsident Jacques Rogge; erstmals erhielten alle IOC-Mitglieder weltweit eine Kopie. Er berichtete vom weiteren Widerstand gegen die Bewerbung und von den Garmisch-Partenkirchner Grundeigentümer, die sich strikt weigern, Grund und Boden herzugeben. Hartmann schrieb auch von der Fehlplanung, Biathlon und Langlauf temporär für 25 Millionen Euro in Gut Schwaiganger zu errichten; dies sei keineswegs ein „nachhaltiges Olympisches Erbe“.

Er verwies auf die schlechte Bahnverbindung in das Werdenfelser Land, auf den Rücktritt des Geschäftsführers Willy Bogner, auf schlampige Finanzplanung und die gefährdeten Bäume durch ein geplantes Olympisches Dorf im Bundeswehrgelände. Dazu erwähnte Hartmann den Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen gegen Olympische Winterspiele 2018 und die Unterschriftensammlung gegen München 2018 – https://www.nolympia.de/unterschriftensammlung/ – sowie die Morddrohungen gegen die Bund-Naturschutz-Vorsitzenden in Garmisch-Partenkirchen.

 

Garmisch-Partenkirchner Bergbau

Viel Geld hat der Garmisch-Partenkirchner Bürgermeister Schmid in den Ski-Bergbau investiert: 80 Millionen für den Wintersport in der Gemeinde, die vor allem vom Sommertourismus profitiert. Straßenbau für 40-Tonner im Bergwald, Tunnels, Überführungen, Unterführungen, Beschneiteiche, Kühltürme für die Beschneiteiche, Schneekanonen, Wasserleitungen, Stromleitungen: ein permanentes Weihnachtsgeschenk für die Bauwirtschaft. Die Schneekanonen röhrten im Winter vor dem Jahreswechsel 2010/11 durchgehend und flächendeckend – trotz Schneefalls.

An der Abfahrtsstrecke Kandahar wurde der „Freie Fall“ eingebaut: mit 92 Prozent Gefälle nicht unbedingt touristenfreundlich, aber dem olympischen Motto „schneller, höher, weiter“ genügend. Man kann gespannt sein, ob die tollkühnen Piloten der Ski-WM diesen Fall unbeschadet überstehen.

Allein der Gudiberg wurde für 6,1 Millionen Euro umgebaut. 2008 wurde der Zieleinlauf in das benachbarte Skisprungstadion verlegt, dann der Start weiter nach oben. Nun sehen die Zuschauer aber die ersten sechs Tore nicht mehr. Und so geht der kostspielige Berg-Bau weiter. Sessel Eins des neuen Gudiberg-Sesselliftes (1,6 Millionen Euro) trägt den Namen Felix, Sessel Zwei Christian Neureuther. Jeder Sieger soll die anschließenden Sessel bekommen (Neudecker, Michael, Der veränderte Berg, in sueddeutsche.de 16.12.2010).
Vorschlag für die Reservesessel: Thomas Schmid, Thomas Bach, Michael Vesper, Christian Ude …

 

Auch Christian Ude möchte graben lassen

Ein nächstes Denkmal für den Münchner Endlos-OB soll unterirdisch w