Webseite-Besucher
Im Mai 2015 besuchten 28.668 Internet-Nutzer unsere Nolympia-Webseite. Von Februar 2010 bis einschließlich Mai 2015 hatten wir damit 1.248.830 Besucher: Wir bedanken uns für das anhaltende Interesse.
Neu unter “Aktuelles”:
Fifa-Kongress Mai 2015 und Folgen (4.6.2015); Hamburg 2024: Keine Bürgerbefragung!; Hamburg 2024: Dabei sein ist wichtiger als siegen; Hamburger für Hamburg 2024? Berliner für Berlin 2024?; Berliner Senat ist nicht Charlie; Boston 2024: Privatbewerbung eines Baukonzerns; Die verkauften Leichtathletik-Weltmeisterschaften
2015 im Kritischen Olympischen Lexikon:
20.6.2015: Aserbaidschan-Sport (mit European Games 2015); 21.5.2015: Beilschmidt, Rolf; 25.1.2015 Aktualisiert nach Pechstein-Urteil: Court of Arbitration for Sport (Cas); 20.1.2015: DFB gegen Galopprennbahn; 19.1.2015 und laufend aktualisiert; Afrika-Cup 2015; 19.1.2015: Handball-WM 2015; 17.1.2015: Deripaska, Oleg; 7.1.2015: Gazprom-NTW; 1.1.2015: Totalitärer Sport-Terminkalender
Laufend aktualisiert:
Hamburg-Berlin 2024 – Zur deutschen Bewerbung um Olympische Sommerspiele 2024: bis Juni 2014: hier; 7-8/2014: hier; 9-10/2014: hier; 11/2014 – 3/2015: hier. Ab April 2015 „Loser-Bewerbung Hamburg 2024“ in der laufenden Chronologie unter IV.
Gazprom-Chronik – Was ein Gaskonzern und Sport, Oligarchen und Putin miteinander zu tun haben. Gazprom-Chronik (1) bis 31.12.2012: hier; Gazprom-Chronik (2) 1/2013 – 8/2014: hier; Gazprom-Chronik (3) ab 9/2014: hier; Gazprom-Chronik (4) ab 11/2014: hier
Neue Studie von Sylvia Hamberger und Axel Doering: Der gekaufte Winter – Eine Bilanz der künstlichen Beschneiung in den Alpen (22.4.2015)
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In eigener Sache
Ich bemühe mich meinerseits, korrekt zu zitieren und Quellen anzugeben. Umgekehrt wäre es fair, wenn auch die Nolympia-Webseite als Quelle in den Artikeln von Journalisten angegeben wird.
Dr. Wolfgang Zängl
Die Gliederung im Juni 2015 sieht so aus:
I: Zitate des Monats
II: Nachrichten von Olympischen Spielen, dem IOC und den Internationalen Sportverbänden
III: Die „European Games“ in der Diktatur Aserbaidschan
IV: Aktuelle Sportsplitter von DOSB und den deutschen Sportverbänden
V: Loser-Bewerbung Hamburg 2024
VI: Allgemeine Nachrichten
VII: Aktuelle Sportsplitter von Fifa, Uefa, DFB etc.
VIII: Sport-Millionen und -Millionäre
IX: Der totalitäre Sport-Terminkalender
X: Doping-News
XI: Die Sportsender ARD/ZDF
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I: Zitate des Monats
Jens Weinreich zu Blatter und zum Fifa-Skandal: „Grundsätzlich lässt sich sagen: Deutschland ist ein Hort der Sportkorruption – das moderne, weltumspannende Korruptionssystem wurde von einem Deutschen erfunden: dem ehemaligen Adidas-Chef, ISL-Gründer, Beckenbauer-Freund und Blatter-Busenfreund Horst Dassler (†1987). Das System Dassler wirkt in Strukturen und Personen bis heute“ (Weinreich, Jens, Q & A zur Parallelgesellschaft FIFA, in krautreporter.de 5.6.2015).
Imke Duplitzer, Fechterin, zu den European Games in der Diktatur Aserbaidschan: „Für beide Seiten ist es eine Win-win-Situation. Die Verbände veranstalten ein Sportfest und müssen sich nicht mit demokratischen Strukturen oder lästigen Bürgerbefragungen herumschlagen; die Despoten profitieren, weil der Sport stets latent ein Wir-sind-ja-die-Guten-Gefühl transportiert“ (Becker, Christoph, Die große Show des Präsidenten, in faz.net 10.6.2015).
DOSB-Vorstandsvorsitzender Michael Vesper zur Kritik an der Diktatur Aserbaidschan, wo im Juni 2015 die European Games stattfinden: „Ich habe den Eindruck, viele, die früher nicht wussten, wo Aserbaidschan liegt, sind jetzt Experten in Menschenrechtsfragen“ (Becker, Christoph, Die große Show des Präsidenten, in faz.net 10.6.2015; siehe unter II).
Walter de Gregorio, Fifa-Mediendirektor (vermutlich deswegen am 10.6.2015 zurückgetreten), erzählte einen Witz im Schweizer Fernsehen: „Fifa-Chef Sepp Blatter, sein Kommunikationschef und der Generalsekretär sitzen im Auto. Wer fährt? – Die Polizei!“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Hilfsgelder, die nie ankommen, in SZ 10.6.2015).
Der ehemalige/immer noch?-Fifa-Präsident Sepp Blatter: „Ich bin nicht zurückgetreten, sondern stelle mein Mandat an einem außerordentlichen Kongress zur Verfügung“ („Ich bin nicht zurückgetreten“, in spiegelonline 26.6.2015).
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II: Nachrichten von Olympischen Spielen, dem IOC und den Internationalen Sportverbänden
– Olympische Winterspiele immer billiger. Für Olympische Winterspiele 2022 in Almaty/Kasachstan sind Organisationskosten von 1,752 Milliarden Dollar geplant und ein Infrastrukturbudget von 1,853 Milliarden Dollar. Peking 2022 gibt ein Organisationsbudget von 1,558 Milliarden Dollar an (DPA, IOC-Prüfbericht zu Kandidaten Almaty und Peking, in sueddeutsche.de 1.6.2015).
– Neues von Boston 2024. Die New York Times meldete, dass das Olympische Komitee der USA die Wiederbelebung der Bewerbung von Los Angeles und San Francisco betreibe. Ende Mai 2015 wurden die Unterlagen der Bewerbung Boston 2024 veröffentlicht. „Laut ‚New York Times‘ wird darin entgegen der öffentlichen Beteuerung mit Steuergeld kalkuliert. Es soll beim Erwerb von Grundstücken und für die Schaffung von Infrastruktur eingesetzt werden. (…) Die ‚New York Times‘ zitiert Charlie Baker, den Gouverneur von Massachusetts, mit der Aussage, er sei nie darüber informiert worden, dass Boston 2024 bei seinen Olympia-Plänen von einem Ausbau des Messegeländes der Stadt ausgehe. Dieser wird mit rund einer Milliarde Dollar veranschlagt. Bostons Vorort Brookline, wo die Golf-Wettbewerbe stattfinden sollen, stimmte am Donnerstag gegen die Olympiabewerbung“ (Reinsch, Michael, Boston benötigt doch Steuergelder, in faz.net 1.6.2015).
Eine neue Umfrage am 10.6.2015 mit 502 eingetragenen Wählern vom Radiosender WBUR brachte eine landesweite Ablehnung von 49 Prozent und nur 39 Prozent Zustimmung. Verantwortlich dürfte auch das im Mai 2015 bekannt gewordene Bid Book von Boston 2024 sein: Die Boston-2024-Group hatte stets behauptet, dass nur private Gelder eingesetzt würden: Im Bid Book steht aber, dass hunderte Millionen Dollar öffentlicher Gelder eingeplant sind. Der Umfrageleiter Steve Koczela sagte dazu: „Die Zeit vergeht, die Unterstützung geht immer noch zurück, und Massachusetts ist zehn Punkte unter Wasser“ (Seelye, Katharine Q., Support for Boston’s 2024 Olympic Bid Slips, Along With Time to Reverse It, in nytimes.com 10.6.2015). Bostons Bürgermeister Marty Walsh teilte am 11.6.2015 mit: „Ich werde keinen Vertrag unterschreiben, der die Bürger von Boston für etwaige Kostenüberschreitungen verantwortlich macht“ (Hersh, Philip, Boston Mayor’s stance could effectively end 2024 Olympic bid, in chicagotribune.com 11.6.2015). Falls Walsh nicht unterschreibt, wäre das für Autor Hersh ein weiteres Beispiel, dass Boston gar nicht weiß, was die private Boston-2024-Group mit der Bürgerschaft vorhat. Deshalb hat das Boston Magazine diese Woche einen Artikel betitelt: „Hat irgendjemand im Rathaus das Boston 2024 Bid Book gelesen?“ (Ebenda). Hersh stellt eine weitere Frage: „Hat irgendjemand im Rathaus den Host City Contract gelesen?“ (Ebenda).
Wo bleibt eigentlich die in der IOC-Agenda 2020 versprochene Transparenz?
Ende Juni 2015 verdichtete sich die Vermutung, dass Boston durch Los Angeles ersetzt wird (Reinsch, Michael, Los Angeles statt Boston: Neue Konkurrenz für Hamburger Olympia-Bewerbung, in faz.net 23.6.2015). – Bewerbungschef Richard Davey musste vor dem Bostoner Stadtrat antreten und bekam unangenehme Fragen gestellt, weil die Finanzlage nach wie vor unklar war. Stadtrat Josh Zakim: „Wir haben eine nette Präsentation der Sportstätten. Aber nichts Neues über die Finanzen. Es ist frustrierend“ (Ryan, Andrew, Irons, Meghan E., Boston city council grills Olympic bid chief about plans, in bostonglobe.com 27.6.2015). Stadtrat Tito Jackson drängte Davey, ein Exemplar des kompletten, nicht veröffentlichten Bid Books mit sechs Kapiteln zu veröffentlichen, das dem US Olympic Comittee von der Boston-24-Group übergeben wurde. Davey wies dies zurück (Ebenda).
– Chefverkäufer Bach: Österreich großartiger Gastgeber. IOC-Präsident Thomas Bach zu einer Bewerbung Österreichs um Olympische Winterspiele: „Österreich hat alle Voraussetzungen, um ein großartiger Gastgeber für Olympische Winterspiele zu sein. (…). Daher wäre eine Bewerbung von Österreich alleine durch die Tatsache, dass sie aus Österreich kommt, eine sehr starke“ (Zankl, Manuel, Olympia: Bach im Interview über das IOC-Image und Österreichs Chancen, in tt.com 3.6.2015). ÖOC-Präsident Karl Stoss sprang gleich auf den IOC-Zug auf: „… wir stehen Gewehr bei Fuß, wir arbeiten gerne mit, wir haben schon mehrfach bewiesen, dass wir die olympische Familie gern in Österreich haben“ („Sehr gut vorstellbar“ – Olympische Spiele bald in Österreich? in sportnet.at 5.6.2015).
Salzburg scheiterte drei Mal – unter ominösen Bedingungen.
– IOC ändert Wettbewerbe für Pyeongchang 2018. Das hochheilige IOC-Exekutivkomitee kann bis drei Jahre vor den Spielen eigenmächtig über Wettbewerbe entscheiden, und Pyeongchang muss umdisponieren. Raus: Parallelslalom für Frauen und Männer, Mixed-Wettbewerb im Skispringen. Rein: „Big Air-Springen“, Mixed-Teams im Curling und Alpin-Ski, Massenstarts beim Eisschnelllauf (SID, DPA, Neue Olympia-Wettbewerbe, in SZ 9.6.2015). In Vancouver 2010 waren es 86 Medaillen-Wettbewerbe, in Sotschi 2014 schon 98, und Pyeongchang 2018 wird mit 102 Medaillen-Wettbewerben einen neuen Rekord für Winterspiele setzen (Winter-Olympia 2018 soll richtig cool werden, in faz.net 8.6.2015).
Das betagte IOC-Exekutivkomitee hat entschieden: Alles rein, was fetzt, TV-tauglich ist und die Jungen anzieht. Damit geht ein weiterer Ausbau und Gigantismus einher.
– Niederlande nicht mehr an European Games 2019 interessiert. Am 10.6.2015 zog die Niederlande die Notbremse und wollte die European Games 2019 nicht mehr ausrichten, die sie erst kürzlich erhalten haben. Die Regierung hatte erklärt, sich angesichts leerer öffentlicher Kassen nicht an der Finanzierung mit 57,5 Millionen Euro zu beteiligen (Niederlande ziehen sich als Ausrichter zurück, in spiegelonline 10.6.2015; diese Summe hätte zudem bei weitem nicht ausgereicht). Auch sei es unsicher, welches sportliche Niveau die Veranstaltung 2019 haben werde (Brandau, Bastian, Die Niederlande mögen nicht mehr, in deutschlandfunk.de 10.6.2015).
Wie man hört, soll Sotschi interessiert sein…
– London 2012: Couch-Potatoes. Die Olympischen Sommerspiele 2012 in London sollten als „Legacy“ (Erbe) eine höhere Sportbeteiligung in der Bevölkerung bringen. Das ging daneben: Die Zahl derer, die mindestens einmal pro Woche Sport treiben, ist in den letzten sechs Monaten um 222.000 gefallen. Die Zahl derer, die überhaupt keinen Spott treiben, ist 2014 um 1,2 Millionen gestiegen. Rund sechs von zehn betätigen sich nicht regelmäßig sportlich (Gibson, Owen, Olympic legacy ends in lethargy as sporting participation plummets, in theguardian.com 11.6.2015).
– Bach: „Das IOC ist keine Weltregierung“. Im Spiegel-Interview äußerte IOC-Präsident Thomas Bach zur Vergabe der Europa-Spiele in die Diktatur Aserbaidschan: „Es ist kein Votum für ein politisches System. Das IOC ist keine Weltregierung“ (Eberle, Lukas, Großekathöfer, Maik, „Langsam, langsam“, in Der Spiegel 25/13.6.2015).
Bach zieht sich hier taktisch zurück auf den reinen Sportkonzern IOC. Damit legitimiert er die Vergabe an jede Diktatur.
Bach weiter: „Uns geht es darum, dass sich im olympischen Dorf alle Athleten vorurteilsfrei begegnen“ (Ebenda; Hervorhebung WZ).
Wie es außerhalb des olympischen Dorfes aussieht, wie viel politische Gefangene in der Alijew-Diktatur Aserbaidschan sitzen und gefoltert werden, interessiert das IOC damit nicht mehr.
Die Spiegel-Redakteure verwiesen auf Paragraph 6 der Olympischen Charta, der die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung verbiete und dass damit Kasachstan und Peking für die Olympischen Winterspiele 2022 abgelehnt werden müssten: In Kasachstan wird seit Jahren ein Anti-Homosexuellen-Gesetz nach Putinschem Modell gefordert, in China werden Homosexuelle mit Stromschlägen gequält. Bach: „Die Verantwortung und die Möglichkeiten des IOC beziehen sich auf die Olympischen Spiele und auf Vorgänge, die damit unmittelbar in Zusammenhang stehen“ (Ebenda).
Die Redakteure erwähnten zu Rio 2016 die Kosten von 20 Millionen Euro und die Zerstörung des Naturschutzgebietes (vgl. Mai 2015). IOC-Präsident Thomas Bach erwiderte, dass dies der erste öffentliche Golfkurs in Rio werden würde (Eberle,
Das ist angesichts der luxuriösen Bautätigkeit um den Golfplatz äußerst unwahrscheinlich: Reich und reich gesellt sich gern.
Außerdem hätte der Bürgermeister von Rio Bach versichert, an anderer Stelle würde eine 17-mal so große Fläche aufgeforstet und auf dem Golfplatz würden 625.000 Setzlinge gepflanzt (Ebenda).
Die übliche Antwort auf die Zerstörung von wertvollen Naturschutzgebieten: Man pflanzt irgendwo irgendetwas an und legitimiert damit die Zerstörung der ursprünglichen Vegetation.
Zur Frage, ob es nicht ein Problem sei, dass sehr wahrscheinlich die Vergabe der Fußball-Europameisterschaft 2024 nach Deutschland erfolgen wird – bei gleichzeitiger Bewerbung mit Hamburg 2024 sagte Bach: „Nein. Ein wirtschaftlich starkes und gleichzeitig sportbegeistertes Land wie Deutschland kann beides stemmen“ (Ebenda).
Reiner Humbug – siehe Interview mit Uefa-Präsident Michel Platini (unter IV), der auf das Beispiel der Türkei 2020 verwies, die dann weder EM noch Olympische Spiele erhalten hat. Außerdem würden die Sponsoren zwei Mega-Sportereignisse kurz hintereinander nicht mitmachen.
– „Öffentlichen Raum beanspruchen und zerstören“. Christopher Gaffney, Geograph, der sich u. a. mit den Auswirkungen der Fußball-WM 2014 in Brasilien beschäftigt hat: „Ein Teil des Geschäftsmodells der Fußball-WM und der olympischen Spiele besteht darin, öffentlichen Raum zu beanspruchen, ihn mit öffentlichem Geld zu zerstören und neu zu bauen. Dann wird er privatisiert und muss wieder mit Menschen gefüllt werden, die dann noch mehr Geld bezahlen müssen. (…) Es gibt derzeit keinen Weg, Olympische Spiele vernünftig auszurichten. Derzeit dienen sie nur der städtebaulichen Aufwertung, die nur einem kleinen Teil der Bevölkerung nützt: Immobilien- und Baufirmen, Medienhäuser und vielleicht auch Politikern“ (Knödler, Gernot, „Stadien werden zerstört“, in taz.de 17.6.2015). Gaffney zur Agenda 2020 des IOC: „In der ‚Agenda 2020’ steht nichts, was das Geschäftsmodell in Frage stellt. Es besteht darin, die Stadt kurzfristig in eine Gastgeberstadt zu verwandeln. Öffentlicher Raum wird privatisiert, viel Geld für Veranstaltungen und Sicherheit ausgegeben, und es werden keine Einschränkungen bei der Immobilienspekulation oder beim Verkehr akzeptiert. Dann macht sich das IOC aus dem Staub, ohne Rechenschaft dafür zu geben, was mit der Stadt passiert“ (Knödler, Gernot, „Stadien werden zerstört“, in taz.de 17.6.2015).
– Neue Interessenten für die European Games 2019. Ein exklusiver, nicht eben demokratieverdächtiger Klub hat sich für 2015 angemeldet: Als Interessenten gelten Russland mit Kasan, Weißrussland mit Minsk und die Türkei. „Ein offizielles, transparentes Bewerberverfahren wie bei Olympischen Spielen gibt es bei Europaspielen mit Verweis auf die damit einhergehenden Kosten bislang nicht“ (SID, Türkei zeigt Interesse an Europaspielen 2019 – angeblich sieben Kandidaten, in zeit.de 20.6.2015).
– Bewerbung Paris 2024 erobert 14. Juli: Die Kandidatur soll zeremoniell am Nationalfeiertag, den 14. Juli offiziell bekannt gegeben werden (DPA, Paris gibt seine offizielle Olympia-Bewerbung bekannt, in zeit.de 20.6.2015). „Wie ernst es Frankreich meint, soll eine weitere Auftaktveranstaltung am französischen Nationalfeiertag am 14. Juli zeigen. Präsident François Hollande versprach am Dienstag schon mal die Mobilisierung des ganzen Landes für das Sportspektakel: ‚Der Staat wird alles einsetzen, um die Sportbewegung zu begleiten und diese Kandidatur zu unterstützen‘, erklärte er“ (DPA, Paris will Hamburg die Olympischen Spiele wegschnappen, in zeit.de 23.6.2015).
Mit Olympischen Spielen versuchen häufig unbeliebte und erfolglose Politiker, ihr Image aufzubessern und von ihren Fehlern abzulenken. 2024 wäre der Politiker Hollande schon einige Zeit im Ruhestand – sofern er 2017 überhaupt noch einmal gewinnt.
„Den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung hat die Bewerbung: Nach einer aktuellen Umfrage der Sonntagszeitung ‚Journal du Dimanche‘ halten 72 Prozent der Bewohner des Pariser Großraums die Spiele für eine gute Sache für die Stadt“ (Ebenda). – „Kurz vor der Eröffnung wurde bekannt, dass Paris sich diesmal die Dienste des britischen Spin-Doktors Mike Lee gesichert hat, der damals für den Sieger London arbeitete. Lee führte als Berater auch Rio 2016 und Pyeongchang 2018 zum Erfolg. Und auch am Gewinn der Fußball-WM 2022 durch Qatar war Lee beteiligt“ (Schubert, Christian, So plant Paris für Olympia 2024, in faz.net 24.6.2015).
– Widerstand gegen Paris 2024 (I). Eine Gruppe von 16 Professoren und Intellektuellen um Jean-Marie Brohm und Fabien Ollier formulierten den Aufruf: „Nous refusons la candidature de Paris aux JO 2024“ („Wir verweigern die Kandidatur von Paris 2024 um Olympische Spiele“). Sie kritisierten die geplanten Ausgaben von 6,2 Milliarden Euro, dazu die in den letzten Jahrzehnten regelmäßigen Kostenüberschreitungen, die „pharaonenhaften Sport-Infrastrukturen“, etc. Dazu werden solche Phantasien von einer Gruppe ohne jegliche demokratische Legitimation in die Welt gesetzt. Paris würde in einen militärisch-polizeilichen Bunker verwandelt mit einem Laboratorium für neueste Technologien zur Überwachung der Bevölkerung. Dazu werden Illusionen geweckt über die Zukunft des Olympischen Dorfes als Studentenunterkünfte oder Sozialwohnungen, genau wie über „grünen“ Leistungssport. Paris sollte einen anderen Ehrgeiz entwickeln als sein Erbe, seine Kultur und sein Territorium dem multinationalen Sportkapitalismus zu verkaufen. Zum Aufruf: hier
– Widerstand gegen Paris 2024 (II). Danielle Simonnet, Pariser Stadträtin der Parti de gauche (PG), hat eine Petition auf den Weg gebracht mit dem Titel: „Olympische Spiele 2024: Paris darf nicht kandidieren!“ Auch sie erwähnte „pharaonenhafte Investitionen“, welche den Staatshaushalt ruinieren, sowie „Umweltzerstörung“. Die Organisation Olympischer Spiele wird für multinationale Konzerne organisiert, nicht für die Bedürfnisse der Bevölkerung. Erstere füllen sich die Taschen dank der Steuerbefreiung. Dazu kämen die permant steigenden Kosten der Spiele. Die Petition ist erst von knapp tausend Leuten unterschrieben worden. – Der Pariser Stadtrat der Grünen Partei EELV, Jérôme Gleizes, teilt diese Kritik. Die Spiele würden auch die Zentralisation auf den Großraum Paris noch verstärken. Auch die Gentrifizierung, die auf London 2012 gefolgt ist, darf in Paris nicht stattfinden (Mestre, Abel, JO 2024: ceux qui disent non à la candidature de Paris, in lemonde.fr 24.6.2015).
– Stadtrat für Rom 2024. Am 25.6.2015 stimmten 38 römische Stadträte für und sechs gegen Rom 2024. Bürgermeister Ignazio Marino: „Wir werden diese Herausforderung alle gemeinsam angehen mit dem Ziel, die Stadt zu verändern“ (DPA, Roms Stadtrat stimmt Olympia-Bewerbung 2024 zu, in sueddeutsche.de 25.6.2015).
Vielleicht würde Rom vor lauter Veränderung nicht wiederzuerkennen sein. Erwachsene römische Politiker glauben an Olympische Spiele: kaum zu glauben… vor allem angesichts der realen Probleme Roms.
Nun sitzt Mario allerdings nicht mehr fest im Sattel. Durch den „Mafia Capitale“-Skandal“ von Rom ist die Partei von Ministerpräsident Matteo Renzi auf Talfahrt. „Straßen und Bürgersteige voller Löcher, brüchiger Beton in Unterführungen ohne Licht, Abfall an fast jeder Ecke. (…) Dass es die überhaupt gibt, wollten die meisten Römer lange nicht glauben. Bis im vorigen Dezember über 40 Lokalpolitiker und Unternehmer verhaftet wurden und ein Geflecht sichtbar wurde, in dem Stadträte und Behördenchefs mit Zigtausenden Euro geschmiert wurden. (…) Lieber heute als morgen würde Renzi den römischen Bürgermeister, seinen Parteifreund Ignazio Marino, in die Wüste schicken“ (Schlamp, Hans-Jürgen, Knietief im Müll, in spiegelonline 28.6.2015).
– Olympiastadion Tokio 2024: protzig, kostspielig, antiurban. Die Agenda 2020 passt so richtig zu Tokio 2020: Das Olympiastadion liegt schon bei fast zwei Milliarden Euro. Die Stadt Tokio verweigert eine Kostenbeteiligung. „Ursprünglich sollte der gewaltige Bauentwurf, bei dem sich an zwei 370 Meter langen Bögen ein Schiebedach wie eine Schildkröte über die 80.000 Sitzplätze wölbt, einmal 130 Milliarden Yen (rund 900 Millionen Euro) kosten. Dann stiegen die erwarteten Kosten auf bis zu 300 Milliarden Yen (2,2 Milliarden Euro), weil angeblich das Baumaterial teurer würde. Modifikationen des Plans führten zu einer immer noch vorläufigen Rechnung von 163 Milliarden Yen (1,2 Milliarden Euro)“ (Welter, Patrick, Krach um das neue Olympiastadion in Tokio, in faz.net 25.6.2015). Dann wollte man aus Kostengründen auf das Schiebedach verzichten. Nun will die Regierung doch wieder das Schiebedach – und die Kosten sind wieder bei 1,8 Milliarden Euro. „Der Entwurf des Olympiastadions stößt dabei in Japan nicht nur wegen der Kostenexplosion auf Kritik. Bekannte Architekten monieren, dass der gewaltige Bau mitten im Stadtteil Shinjuku der Umgebung Gewalt antue. Derweil räumen in Tokio Bagger den Schutt des alten Olympiastadions beiseite, das als sympathisch schlichter Bau mit 54.000 Sitzen in den Olympischen Spielen in Tokio 1964 glänzte. Schon im Oktober will die Regierung dort mit dem Neubau beginnen, gegen den das alte Stadium fast zwergenhaft anmutet. Der Abriss der historischen Sportarena ist mit Kosten von 6,7 Milliarden Yen (48 Millionen Euro) veranschlagt“ (Ebenda; Hervorhebung WZ).
Hamburg 2024: aufgepasst!
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III: Die „European Games“ in der Diktatur Aserbaidschan
Hierzu gibt es ein vorläufiges Stichwort „Aserbaidschan-Sport“ im Kritischen Olympischen Lexikon. Es wird demnächst noch ergänzt und neu geordnet.
– Diktatoren-Familie. Vom 12. bis 28.6.2015 beherbergt Diktator Ilhjam Alijew das Sportereignis des European Olympic Comitee (EOC). Alijew ist seit 1997 Präsident des NOK Aserbaidschans, seit 2003 Staatspräsident (geerbtes Amt von seinem Vater, dem Diktator Heydar Alijew). 6000 Sportler reisen an: Ihre Reise und Unterkunft bezahlt die Alijew-Diktatur. „Die Alijews gelten als die ‚Corleones vom Kaspischen Meer‘, Staatsoberhaupt Ilham Alijew wurde 2012 zum korruptesten Herrscher der Welt erkoren. An den Europa-Spielen verdienen die Alijews kräftig mit, viele Bauaufträge für Sportstätten und Infrastruktur gingen an Familienmitglieder und enge Vertraute. (…) Die Funktionäre um IOC-Präsident Thomas Bach werden in Baku die Ehrentribüne füllen“ (Hartmann, Grit, Kempe, Robert, Scheinheilige Sportfest, in wdr.de 1.6.2015. Film im WDR: 1.6.2015, 22.45 – 23.15). Turner Fabian Hambüchen darf die Fahne der deutschen Mannschaft tragen und sagte: „Ich bin sprachlos, das ist eine große Ehre“ (Kreisl, Volker, Sinnsuche in Baku, in SZ 12.6.2015).
Die Sportfunktionäre – und viele Sportler – schämen sich mitnichten, die Diktatur in Aserbaidschan aufzuwerten. Alle werden sie freudestrahlend dem Diktator die Hand schütteln und den Mund halten. wiederum: Die IOC-Agenda 2020 kommt auch hier nicht über pseudodemokratische Floskeln hinaus.
– Amnesty International zu Aserbaidschan. Amnesty International (AI) musste seinen Besuch in Aserbaidschan anlässlich der European Games absagen: Die Regierung wollte den Termin nach den European Games verschieben. „Auch die Londoner Organisation Platform teilte mit, dass ihre Menschenrechtlerin Emma Hughes am Dienstagnachmittag am Flughafen von Baku an der Einreise gehindert, vorübergehend festgenommen und des Landes verwiesen worden sei. Sie habe eine Presse-Akkreditierung gehabt, hieß es in der Mitteilung“ (Amnesty Inernational darf nicht nach Baku reisen, in spiegelonline 1.6.2015).
Denis Krivosheev von AI verwies auf die systematische Ausschaltung kritischer Stimmen und die Schaffung einer kritikfreien Zone rund um die European Games. Unabhängige Medien existieren nicht mehr, Zeitungen und TV-Stationen sind in Regierungshand. „Weit entfernt von den Zielen der Pressefreiheit und Menschenwürde, die in der Olympischen Charta verehrt werden, wird das Erbe dieser Spiele eine weitere Ermutigung der repressiven Kräfte der Welt sein, internationale Sportereignisse durchzuführen als Eintrittskarte zu internationalem Prestige und Anerkennung. Die näheren Details zeigen, wie im letzten Jahr in Aserbaidschan durchgegriffen wurde und Journalisten, Menschenrechtler, Oppositionelle und junge Demokratieverteidiger schikaniert, festgenommen, eingesperrt und gefoltert wurden, je näher die European Games heranrückten. Die systematische Zerstörung der Zivilgesellschaft vor Beginn der European Games hat ernsthaft jede Hoffnung für ein positives Erbe dieses Events zerstört“ (Amnesty International barred from Baku ahead of European Games, PM amnesty.org 9.6.2015; Hervorhebung WZ). Rasul Jafarov, Gründer des Human Right Clubs: eingesperrt im August 2014, im April 2015 zu sechseinhalb Jahren verurteilt. Leyla Yunus, Menschenrechtsaktivistin, festgenommen im Juli 2014, Vorbeugehaft bis nach den Spielen. Arif Yunus, inhaftiert Juli 2014, mit seiner Frau angeklagt wegen Landesverrat, illegaler Geschäfte, Steuerhinterziehung, Betrug und Urkundenfälschung. Intigam Aliyev, Menschenrechts-Anwalt, inhaftiert im Juli 2014, im April 2015 zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Institut for Reporter’s Freedom and Safety: im Juli 2014 Überfall auf das Büro, Beschlagnahmung von Dokumenten, Festnahme von Mitarbeitern einschließlich des Direktors Emin Huseynov. Radio Free Europe/Radio Liberty: Dezember 2014 Überfall auf das Büro, Beschlagnahme von Dokumenten, Festnahme von zwölf Mitarbeitern. Khadija Ismayilova, Radio Free Europe-Journalistin, berichtete über lukrative Geschäfte der Alijew-Familie, Verhaftung im Dezember 2014, erwartet zwölf Jahre Gefängnis. NIDA, pro-demokratische Jugendorganisation: Turgut Gambar von Nida berichtete von sechs politischen Gefangenen (Aufschrei in Baku, in Der Spiegel 23/30.5.2015). Ihnen wurde u. a. Sprengstoff untergeschoben. Shahin Novruzlu, NIDA-Mitglied, 17, verlor beim Verhör vier Vorderzähne (Ebenda).
– 2014: Opposition in Aserbaidschan beseitigt. Der Regimekritiker Emin Milli lebt nach zwei Gefängnisaufenthalten inzwischen in Berlin. Er berichtete über die Welle der Repression, nachdem Aserbaidschan die European Games erhalten hat. „2014 seien die letzten Nichtregierungsorganisationen praktisch geschlossen worden. Reporter ohne Grenzen spricht von einer Verschärfung der Lage. Die Journalistin Khadija Ismajlowa, die mit ihren Recherchen belegen konnte, wie sich Mitglieder des Alijew-Clans bereichern, oder der Menschenrechtler Rasul Jafarow, der Wahlbeobachter Anar Mammadli oder das Aktivisten-Ehepaar Junus – sie alle sitzen im Gefängnis oder warten auf ihre Strafen. Von insgesamt 100 politischen Gefangenen spricht Emin Milli: ‚Alle Leute, die während des Eurovision Song Contests kritische Interviews gegeben haben, sind entweder im Gefängnis oder im Ausland. Das wurde extra gemacht, damit es vor den Europaspielen wenige kritische Leute gibt, die sich gegenüber den internationalen Medien äußern können'“ (Aumüller, Johannes, Ein Fest für den Autokraten, in SZ 10.6.2015).
– DOSB-Vorstandsvorsitzender will mit Opposition sprechen. Originalton Michael Vesper: “Wir werden die Themen selbstverständlich bei unseren Gesprächen vor Ort und mit Vertretern des Gastgeberlandes ansprechen“ (DOSB, HRW informiert DOSB über Menschenrechtssituation in Baku, in dosb.de 28.1.2015). – “Zudem werde man versuchen, sich – wie schon bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi so auch in Baku – mit NGOs und Aktivisten zu Hintergrundgesprächen zu treffen” (Ebenda).
Vesper wird keine Opposition mehr vorfinden, mit der er reden könnte – falls er das jemals vorgehabt hätte. Also, Sportfunktionäre: klatschen, feiern, dem Diktator die Hand schütteln und den Mund halten. Genau wie bei Sotschi 2014.
Vesper übte sich dann in Zynismus vor den European Games: “Ich habe den Eindruck, viele, die früher nicht wussten, wo Aserbaidschan liegt, sind jetzt Experten in Menschenrechtsfragen” (Becker, Christoph, Die große Show des Präsidenten, in faz.net 10.6.2015).
Ein weiteres Beispiel aus dem Kapitel Sport-Demokratur. Man darf an dieser Stelle an Vespers Aussage zu Peking 2008 erinnern:
„Bei uns sind es rechtsradikale Seiten, die gesperrt werden. Und es ist natürlich auch in China so, dass einzelne Seiten gesperrt werden“ (Vesper spielt Zensur herunter, in SZ 6.8.2008; Kistner, Thomas, Nicht ganz angekommen, in SZ 7.8.2008). Gesperrt wurden von Peking unter anderem die Seiten von Amnesty International und anderen Menschenrechtsorganisationen, der BBC und der Deutschen Welle. Mit seinen Äußerungen löste Vesper eine breite Welle der Empörung bei Politikern von SPD und Grünen aus. Die Reporter ohne Grenzen nannten den Vergleich ‚unsäglich’. Der erste Parlamentarische Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Volker Beck, nannte die Äußerungen „absurd und irritierend“. Auch der Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses Peter Danckert (SPD) protestierte: „Wir sprechen über Amnesty International“ (SZ 6.8.2008).
– Grit Hartmann schrieb zum DOSB-Vorstandsvorsitzenden Michael Vesper und den European Games in Cicero: “Am flottesten legte Michael Vesper, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes, den Rückwärtsgang ein: ‘Ich war lange selbst Politiker’, gab er in Baku zu Protokoll, ‘aus meiner Sicht sollte der Sport nicht für politische Zwecke benutzt werden.’ Da waren die ersten Europaspiele gerade einen Tag alt, und die regierungsnahe aserbaidschanische Nachrichtenagentur APA widmete dem Appell des Deutschen für politische Enthaltsamkeit im Nu eine Meldung. Denn der Grüne Vesper, ehemals Minister in NRW, zielte damit nicht auf den Gastgeber Ilham Alijew, der aus dem Sportfest eine möglichst ungestörte PR-Aktion für seine Petrokratie am Kaspischen Meer machen wollte. Er meinte Alijews Kritiker. (…) Rund 100 Bürgerrechtler, Journalisten und deren Anwälte sitzen in Aserbaidschan hinter Gittern. Alijew sorgt fürs kritikfreie Binnenklima bei den Europaspielen” (Hartmann, Grit, Ein Fest für Funktionäre, in cicero.de 26.6.2015; Hervorhebung WZ).
– Internationaler Sport: Diktaturen im Kommen. Der Rückhalt in der Bevölkerung für Sport-Großereignisse schwindet in westlichen Demokratien, anders als in Diktaturen. Und die European Games 2015 sind nur ein Beispiel für Sport-Großereignisse in Diktaturen. „Schwer vorstellbar ist in Katar oder Kasachstan, in Usbekistan oder Aserbaidschan (plus Russland, China etc; WZ) eine aufflammende öffentliche Debatte, ob das Geld nicht besser in ein neues Netz von Kindertagesstätten, in Bildung oder Wasserleitungen investiert wird als in Rennpisten und überdimensionierte Sportpaläste. Hier treffen sich die Interessen mächtiger Sportverbände mit denen mächtiger Präsidenten, die offenen Diskurs und schmerzliche Kompromisse scheuen“ (Nienhuysen, Frank, Schneller, höher, anrüchiger, in sueddeutsche.de 10.6.2015).
– Aus einem Resumée von Volker Kreisl in der SZ: “Michael Vesper, der Vorstandschef des Deutschen Olympischen Sportbunds DOSB, sagte: ‘Das war eine gelungene Premiere.’ So top organisiert war alles, so zufrieden waren die Athleten, dass in Baku keine Sportler-Stimme zu hören war, die auf die Missachtung von Grundrechten und den Missbrauch des Sports für die Propaganda hinwies. Zum Thema wurde das eher am Rande, etwa durch die wenigen eigenen Pannen der Top-Organisatoren, als beispielsweise herauskam, dass jener im aserbaidschanischen Fernsehen die Spiele über den Klee lobende englische Tourist in Wahrheit Aserbaidschaner war. (…) Einen Tag vor der Schlussfeier 2015 in Baku hatten noch mal Worte des aserbaidschanischen Sportministers Azad Rahimow für Aufregung gesorgt. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) äußerte sich besorgt über dessen Warnung an den Regimekritiker Emin Milli, der von Berlin aus Meydan TV betreibt, jenen Sender, der den gefälschten englischen Touristen entlarvt hatte. Rahimow habe Milli über Dritte die Botschaft zukommen lassen, dass er nicht mehr sicher sei, erklärte ROG. Der Minister habe wissen lassen, der Staat werde ihm nicht verzeihen und man werde ihn kriegen, in Deutschland oder woanders” (Kreisl, Volker, Das leichtere Gold, in SZ 29.6.2015; Hervorhebung WZ).
– European Games: Fackellauf mit Diktatorenfamilie. „Eine olympische Staffel der besonders zweifelhaften Art hat sich da zusammengefunden. Einen Part des Fackellaufes übernimmt Ilham Alijew, der Vater des Clans und autoritäre Präsident Aserbaidschans. Einen anderen sein Sohn Heydar. Einen dritten Mehriban, die Ehefrau, und einen weiteren Leyla, die Tochter. Jeder aus der Herrscherfamilie darf mal ran, und somit illustriert diese Fackelstafette durch die Straßen Bakus trefflich, was die Sportwelt von Freitag an erwartet, wenn in der Hauptstadt des öl- und gasreichen Landes die ersten Europaspiele starten: ein großes Fest als Propagandabühne für einen Autokraten und seine Familie – und der internationale Sport hofiert mal wieder nach Kräften mit“ (Aumüller, Johannes, Ein Fest für den Autokraten, in SZ 10.6.2015; Hervorhebung WZ).
– Baku: Die Diktatur feiert sich. „Die European Games sind mit der erwartet pompösen Eröffnungsfeuer gestartet, der Beginn ergab allerdings auch Negativschlagzeilen. Die Kosten für die Feier waren zweieinhalb Mal so hoch wie die Ausgaben für die Zeremonie bei Olympia 2012 in London. Man habe umgerechnet 84,8 Millionen Euro ausgegeben, sagte Sportminister Azad Rahimov. (…) Athleten des verhassten Nachbarn Armenien werden teils kategorisch niedergebuht“ (DPA, SID, Pedal verwechselt, in SZ 15.6.2015). Überraschungsgast Lady Gaga wurde tagelang im Hotelzimmer versteckt: Die Vorkämpferin für die Rechte Homosexueller wurde vermutlich mt hohen Summen finanziell beruhigt. Auf der Ehrenloge saßen neben Aserbaidschans Diktator Ilham Alijew und seiner Frau Mehriban auch Wladimir Purin und Recep Tayyip Erdogan – nebst IOC-Präsident Thomas Bach und anderen hohen Sportfunktionären (85 Millionen für Lady Gaga und Co., in tagesschau.de 13.6.2015).
– Aserbaidschan ist Zweiter. Russland holte 164 Medaillen, Aserbaidschan wurde mit 56 Medaillen Zweiter. Und Diktator Ilham Alijew hängte seiner Frau Mehriban, der Leiterin des Organisationskomitees der European Games 2015, am 29.6.2015 den höchsten Orden des Landes um, den Hejdar-Alijew-Orden. Ilhams Vater Hejdar war KGB-Chef in Aserbaidschan und von 1993 bis zum Tod 2003 Präsident. Dann kam Ilham Alijew an die Macht (Hans, Julian, Alijews Alijew-Orden für Alijewa, in SZ 1.7.2015).
Der Plan: Nach ihm wird sein Sohn Hejdar Präsident.Eine richtige Erb-Diktatur…
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IV: Aktuelle Sportsplitter von DOSB und den deutschen Sportverbänden
– Hörmann positiv. DOSB-Präsident Alfons Hörmann sieht keine negativen Folgen des Fifa-Skandals auf die Bewerbung Hamburg 2024 und das Referendum im November 2015. „Daran ändert jetzt eine aktuelle FIFA-Diskussion nichts. Ganz im Gegenteil… Umso mehr ist es Motiv zu sagen: Lasst uns gemeinsam ein Projekt vom absoluter Transparenz beim Bewerbungsprozess über eine professionelle Umsetzung bis hin zum großen nachhaltigen Erfolg für unser Land umsetzen“ (DPA, DOSB-Chef: Weiter Vertrauen in Olympia trotz Fifa-Skandal, in zeit.de 9.6.2015).
Man schaue sich die Bewerbung Hamburg 2024 an – und findet weder „absolute Transparenz“ noch „professionelle Umsetzung“ oder „nachhaltigen Erfolg für unser Land“ (z. B. bei Hafenwirtschaft nachfragen).
Für den DOSB sei laut Hörmann die Niederlage von München 2022 am 10.11.2013 abgehakt (Ebenda).
Schaun mer mal im Novenber 2015, wie Hamburg wählt.
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V: Loser-Bewerbung Hamburg 2024
– Bewerbung Hamburg 2024 liegt schon bei 70 Millionen Euro. 30 Millionen Euro kommen vom Bund, 15 Millionen Euro von der Stadt Hamburg: Und 25 Millionen Euro sollen von der Hamburger Wirtschaft kommen… Sportsenator Michael Neumann (SPD) äußerte stolz, mit diesen Millionen sei man „hervorragend aufgestellt“ (Olympia-Bewerbung soll 70 Millionen Euro kosten, in ndr.de 6.6.2015). Immerhin will die Hamburger Wirtschaft für die Propaganda-Materialschlacht zum Olympia-Referendum 1,6 Millionen Euro beisteuern (Ebenda).
– Die Linke warnt vor Hamburg 2024. Die Kosten der Bewerbung Hamburg 2024 liegen derzeit bereits bei 70 Millionen Euro; davon sollen 15 Millionen Euro auf Hamburg entfallen Der sportpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, Mehmet Yildiz, zog Parallelen zum finanziellen Fiasko der Elbphilharmonie,. „Dass dieses Spielchen jetzt schon bei der Bewerbung losgeht, lässt für die Bauten und die Durchführung von Olympia Schlimmes erwarten. Ursprünglich war ja von 50 Millionen Euro Bewerbungskosten die Rede. Die nächste Kostensteigerung wird dann aber sicher erst nach dem Volksentscheid verkündet werden“ (Die Linke, PM Elphi lässt grüßen: Olympia-Kosten steigen schon bei Bewerbung, linksfraktion-hamburg.de 8.6.2015; Hervorhebung WZ). Yildiz bezweifelt auch die in Aussicht gestellte Übernahme von 25 Millionen Euro durch die Hamburger Wirtschaft: „Das sind relativ unverbindliche Absichtserklärungen. Bei der Elbphilharmonie hieß es auch, dass das überwiegend privat läuft und die Stadt nichts zuzahlen muss. Das Ergebnis ist bekannt“ (Ebenda).
– „Transparenz“ Hamburg 2024: Hafenwirtschaft weiß von nichts, Kosten unbekannt. Die Schwimmhalle soll auf der Fläche nördlich des Moldauhafens gebaut werden, die Olympiahalle im Zentrum des Kleinen Grasbrook (später möglicherweise reduziert von 70.000 auf 20.000 Plätze!), das Olympische Dorf am östlichen Ende. „Auch das Medienzentrum soll auf der anderen Seite des Hansahafens entstehen, obwohl die dort ansässigen Betriebe bei der Vorstellung der Pläne noch nichts davon wussten, dass auch sie wegen Olympia weichen müssen. Die Kritik und Gegensätze sind massiv; am Dienstag waren erste Gespräche zwischen Unternehmerverband und Vertretern der Stadt angesetzt“ (Bellinger, Andreas, Grundriss für Olympic City steht fest, in ndr.de 9.6.2015). Staatsrat Christoph Krupp räumte ein, „dass lediglich eine grobe Kalkulation zu erwarten sei. Abweichungen von 40 Prozent seien in der frühen Planungsphase denkbar“ (Ebenda). Das Referendum im November 2015 wird eine Materialschlacht der Mächtigen: „Rückenwind kommt aus vollen Kassen und aus Umfragen, die in der Bevölkerung eine stabile Pro-Olympia-Stimmung ausmachten. (…) Die Stadt präsentiert Hochglanzstudien der Sportstätten im Sonnenschein, die Olympia-Gegner Schlagworte wie Verdrängung, Mietsteigerung und Milliardensumpf“ (Wolff, Gerd, Wie sehr will Hamburg Olympische Spiele wirklich? in ndr.de 9.6.2015).
– Uefa-Präsident warnt Deutschland. Dem chancenlosen Plan des deutschen Sports, sich für die Fußball-EM 2024 und Olympische Sommerspiele 2024 zu bewerben, erteilte Uefa-Präsident Michel Platini erneut eine Absage. Bei einem Gespräch mit sieben Mitgliedern des Sportausschusses in Nyon äußerte Platini Zweifel an dieser Doppelstrategie. „Ohne Frage habe die Bewerbung Deutschlands um die EM 2024 eine Favoritenrolle, aber wenn Olympische Spiele im gleichen Jahr stattfinden sollten, werde es schwierig, heißt es seitens des Uefa-Präsidenten. (…) Platini nannte das Beispiel der Türkei. Dem Land sei während der Bewerbungsphase Istanbuls für die Sommerspiele 2020 von der Uefa signalisiert worden, dass neben Olympia eine Ausrichtung der EM im selben Jahr nicht in Betracht käme. Am Ende gingen beide Großveranstaltungen an der Türkei vorbei. Vergeben werden die Sommerspiele 2024 in zwei Jahren, danach erst 2018 das EM-Turnier“ (Ashelm, Michael, Platini warnt die Deutschen vor Doppelstrategie, in faz.net 9.6.2015).
Dazu Thomas Kistner in der SZ: „Auch wenn es seinen Gästen nicht schmeckte: Michel Platini hat nur die Wahrheit aufgetischt. Der Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa) hat bereits im April den Besuchern aus dem Berliner Bundestags-Sportausschuss klargemacht, dass es, freundlich formuliert, recht unwahrscheinlich sei, dass im Sommer des Jahres 2024 in Deutschland zwei der drei größten Sportevents des Globus stattfinden: Erst eine Fußball-EM mit 24 Mannschaften, dann Olympische Sommerspiele. Um letztere will sich ja nun Hamburg bewerben. (…) Stattdessen soll nun Hamburg gegen favorisierte Mitbewerber wie Boston, Paris, Rom antreten. Und vor allem: gegen sich selbst, gegen eine deutsche Fußball-EM. Die Frage ist, wie transparent die Sachlage der Hamburger Bevölkerung dargeboten wird, wenn sie im Herbst über eine Bewerbung abstimmt, die im Grunde ja ganz Deutschland betrifft. Vor allem diese Botschaft steckt in Platinis Warnung“ (Kistner, Thomas, Die Warnung, in SZ 10.6.2015).
– Grüne Jugend gegen Hamburg 2024. Am 11.6.2015 sprach sich die Grüne Jugend von Hamburg gegen die Bewerbung Hamburg 2024 aus. Die Kampagne „Feuer und Flamme für die Spiele in Hamburg“ „ist aber keine Informationskampagne, sondern eine nur auf Emotionen fußende Werbekampagne“ (PM Olympia in Hamburg? Nicht mit uns, gruenejugendhamburg.de 11.6.2015). Kritik der Grünen Jugend u. a.: – Es werden nur ein Drittel Sozialwohnungen geplant, deren Status nach zehn Jahren erlischt; durch Hamburg 2024 steigen die Mieten; ein riesiges Olympiastadion mitten in der Stadt ist unsinnig; der Host City Contract knebelt die Gastgeberstadt; die Kosten sind derzeit nicht bekannt und werden wie üblich explosionsartig steigen; die Sicherheitsvorkehrungen sind immens und würden Hamburg in einen Hochsicherheitstrakt verwandeln; die Gentrifizierung wird vorangetrieben. „Deshalb positioniert sich die Grüne Jugend Hamburg klar gegen eine Hamburger Olympiabewerbung, wirbt für ein ‚Nein’ beim Olympia-Referendum am 29.11.2015 und wird im Vorfeld des Referendums u. a. mit dem Bündnis NOlympia zusammenarbeiten“ (Ebenda).
– Hamburg 2024: Pro und Kontra. In der ZEIT stellten der Oberbaudirektor Hamburgs, Jörn Walter und Michael Rothschuh, Sprecher von NOlympia Hamburg, ihre Positionen dar (Walter, Jörn, „Ein Glücksfall“, in Die Zeit 11.6.2015; Rothschuh, Michael, „Eine Illusion“, ebenda). Walter lobte erwartungsgemäß das Konzept. So könnten z. B. bis zu 6.000 Wohnungen entstehen, davon ein Drittel Sozialwohnungen. (Dies war auch für das Olympische Dorf in Vancouver 2010 so geplant – bis der Bauträger in Konkurs ging und dann aus den Sozialwohnungen Eigentumswohnungen wurden.) Walter schwärmte auch von der „bis heute vollständig versiegelten Fläche in einen neuen Stadtteil“, vergaß aber nicht zufällig zu erwähnen, dass die abzusiedelnden Hafenbetriebe anderenorts wiederum Versiegelung mit sich brächten. Rothschuh erwähnte dagegen, dass „der riesige Rangierbahnhof Hamburg-Süd direkt neben dem geplanten Olympiagelände grundlegend erneuert“ wurde, dass der Kleine Grasbrook für Hamburg noch einen echten Hafen darstellt, dass es für Walters 6.000 Wohnungen aus Platzgründen ziemlich eng werden dürfte und dass es aus Gründen des Lärms und des Emissionsschutzes für Wohnungen ein schlechter Ort sei. Zu den Platzverhältnissen kamen die Olympia-Planer zu einem ähnlichen Schluss: „Die ersten Entwürfe für den Kleinen Grasbrook zeigen: Es gibt ein Platzproblem“ (Widmann, Marc, Ganz schön sportlich, in Die Zeit 11.6.2015).
Der olympische Gigantismus führt nicht nur zu überdimensionierten Sportstätten, die nach den 16 Tagen nicht mehr benötigt werden (wie das geplante Olympiastadion), sondern auch zu städtebaulichen Todsünden.
– Hafenwirtschaft gegen Hamburg 2024. „Der Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH) hält dem Senat vor, seine Versprechen gebrochen zu haben und sich nicht an Absprachen zu halten Der Verband befürchtet, dass mehr Hafenflächen als geplant durch Olympia in Anspruch genommen und Zufahrtswege blockiert werden. außerdem beklagt der Verband, dass der kleine Grasbrook auch bebaut werde, wenn Olympia nicht kommt“ (Woldin, Philipp, Grüne Jugend und Hafenwirtschaft gegen Olympia, in welt.de 12.6.2015). Vertreter der Hafenwirtschaft stellten Ende Juni 2015 ein Ultimatum mit neun Bedingungen. „Die Erfüllung dieser Rahmenbedingungen bis 15.9.2015 durch die Freie und Hansestadt Hamburg ist für die Hafenwirtschaft Voraussetzung dafür, dass Verhandlungen über mögliche und allenfalls nur temporäre Nutzungen von weiteren Hafenflächen (…) ausschließlich für den Zeitraum der Olympischen Spiele stattfinden“ (Streit zwischen Hafenwirtschaft und Hamburger Senat, in welt.de 30.6.2015).
– Prognose 2015: Sicherheitskosten 1,38 Milliarden Euro für Hamburg 2024. Das streng vertrauliche Sicherheitskonzept, das die Polizei Innenminister Michael Naumann vorgelegt hat, enthält folgende Posten: Einsatz von Polizei und Sicherheitsdiensten, Material und Sicherheitstechnik 850 Mill. Euro, Arbeit der Feuerwehr 530 Mill. Euro (Fengler, Denis, 1,38 Milliarden Euro für sichere Spiele in Hamburg, in welt.de 15.6.2015). 120 Mill. Euro soll allein die Videoüberwachung kosten (wird diese nach den Spielen abgebaut???), vier Millionen kostet der (vier Meter hohe) Zaun um das Olympische Dorf. Hamburg 2024 erfordert bis zu 10.000 Beamte anderer Bundesländer und der Bundespolizei plus 4.000 private Sicherheitskräfte. Laut Polizei lasse sich die „Sicherheitslage 2024 in Hamburg , sowie auf nationaler und internationaler Ebene“ zum jetzigen Zeitpunkt nicht prognostizieren, heißt es denn auch im Sicherheitskonzept“ (Ebenda).
– Was der Senator erzählt… Nachdem die Welt am 16.6.2015 über das vertrauliche Sicherheitskonzept berichtete, ruderte Senator Michael Neumann zurück und stritt erst einmal ab. „Mir ist dieses Sicherheitskonzept bisher nicht vorgelegt worden“, sagte er: Behördenmitarbeiter könnten ja „aufschreiben, was man so denken könnte“ (Woldin, Philipp, Fengler, Denis, Was der Senator zum Sicherheitskonzept sagt, in welt.de 18.6.2015). Das Konzept sei weder „beschlossen“ noch „diskutiert“ worden. – „Ein erwartbares öffentliches Dementi, die Olympia-Planer wollen in der Kostenfrage selbst die Zügel in der Hand behalten. Denn die befürchtete Kostenexplosion des Megaprojekts Olympia und der Sicherheitsapparat während der Spiele sind die sensibelsten, weil umstrittensten Punkte der Olympia-Bewerbung“ (Ebenda).
Erwachsene Hamburger Politiker glauben an Olympische Spiele 2024: kaum zu glauben.
– Referendum 29.11.2015: suggestive Fragestellung. Die Fragestellung beim Referendum heißt: „Ich bin dafür, dass sich der Deutsche Sportbund mit der Freien und Hansestadt Hamburg um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele im Jahr 2024 bewirbt“ (Hamburg: Olympia-Referendum am 29. November, in ndr.de 16.6.2015). Ein Anschein von Neutralität wäre zumindest mit der Formulierung erreicht worden: „Soll sich Hamburg…“ Staatsrat Christoph Krupp meinte zynisch zur Referendumsfrage am 29.11.2015: „Wir haben uns sehr bewusst für eine völlig neutrale Fragestellung entschieden“ (Woldin, Philipp, Fengler, Denis, Was der Senator zum Sicherheitskonzept sagt, in welt.de 18.6.2015).
Neutralität sieht anders aus!
– Hamburger Studierendenparlament gegen Hamburg 2024. „Die Verfasste Studierendenschaft der Uni Hamburg beteiligt sich in dem Bündnis ‚NOlympia Hamburg – Etwas Besseres als Olympia’ und wird sich stadt-, hochschul- und wissenschaftspolitisch dafür einsetzen, dass die Olympischen Spiele verhindert werden – in Hamburg und überall. (…) Der Senat versucht mit Olympia von der durch ihn verschärften sozialen Spaltung abzulenken. Das Studierendenparlament beauftragt den AStA damit, ein Anti-Olympisches Komitee an der Uni Hamburg zu gründen…“ (Beschluss des Studierendenparlaments, Hamburg 18.6.2015). Am 29.6.2015 stellte der links-grüne Allgemeine Studentenausschuss (AStA) seine Pläne für eine Anti-Olympia-Kampagne im Herbst 2015 vor. Im Oktober soll ein großer Anti-Olympischer Kongress in Hamburg organisiert werden. „Mit einer eigenen Zeitung soll ein ‚Gegengewicht zur emotionalen Politik des Hamburger Senats‘ gebildet werden“ (Koch, Jakob, Studenten-Vertretung gegen Olympia in Hamburg, in welt.de 29.6.2015). Der AStA beruft sich auf Paragraph 102 des Hochschulgesetzes, der die Förderung politischer Bildung und den Bezug von wissenschaftlichen Erkenntnissen für Folgen in der Gesellschaft thematisiert. Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) will dagegen vor das Hamburger Verwaltungsgericht ziehen und spricht dem AStA das Recht ab, sich grundsätzlich gegen Hamburg 2024 auszusprechen (Ebenda).
– Die üblichen Sportpalast-Architekten. Das Hamburger Büro Gerkan Marg & Partner (gmp) ist wieder einmal dabei. Zum Plan, die Hamburger Olympiahalle nach den Spielen zu einem vierten Kreuzfahrtterminal umzubauen, sagte Nikolaus Goetze von gmp: „Mehr als 250 Schiffe besuchen Hamburg pro Jahr. Da wäre ein viertes Kreuzfahrtterminal von großem Nutzen“ (Kritik an Olympiaplänen: „Was mit uns passiert, interessiert keinen“, in elbmelancholie.de 24.6.2015).
– Landesparteitag von Die Linke gegen Hamburg 2024. 98 von 104 Delegierten sprachen sich am 27.6.2015 gegen die Bewerbung aus und wollen am 29.11.2015 für ein Nein werben (Linke kämpfen gegen Olympia in Hamburg, in ndr.de 28.6.2015).
– Ein Rückenwind von zwei Millionen Euro. Der Hamburger Unternehmer Alexander Otto (vom Versand) hat 50 Unternehmen für die „Feuer und Flamme“-Initiative angeworben und rechnet für das Referendum am 29.11.2015 mit zwei Millionen Euro Spendengelder. Otto: „Wir gehen mit Rückenwind in den Volksentscheid“ (Hamburgs Olympia-Botschafter Otto sammelt für nächste Kampagne, in europeonline-magazine.eu 24.6.2015).
Damit ist die Materialschlacht abzusehen. Chancengleichheit der Befürworter und Gegner Hamburg 2024? Fehlanzeige. Eine Chancengleichheit gab es bei der Abstimmung über München 2022 allerdings auch nicht – und die Befürworter verloren trotzdem oder deswegen am 10.11.2013 vier Mal.
– Vollhöfner Weiden-Wald soll für Hamburg 2024 gefällt werden. Wie befürchtet werden die „Ausgleichsflächen“ für die Absiedelung der Hamburger Hafenbetriebe auf dem Kleinen Grasbrook zu Lasten der Natur gegen. Aus einer Pressemitteilung vom Botanischen Verein zu Hamburg: „Flächen in ‚Altenwerder-West‘ sollen dem Hafen-Nutzungsgebiet zugeschlagen werden, um den Flächenbedarf von Betrieben zu decken. (…) Dieser Wald ist, da kaum erreichbar, den meisten Hamburgern vollkommen unbekannt. Man kann ihn aber per Internet aus der Luft anschauen. Der Straßenname „Vollhöfner Weiden, Hamburg“ führt zum Ziel: Südlich der Aluminium-Werke und nördlich der Reste der Alten Süderelbe ist ein Wald erkennbar, den kein Förster oder Landschaftspfleger gepflanzt hat und der sich sehr naturnah und mit hoher Bedeutung für Insekten, Vögel und Fledermäuse in freier Sukzession entwickelt hat – ein echtes Stück Wildnis in Hamburg. Dominiert wird der Wald von Silberweiden und anderen Weichhölzern. Er stellt eine wichtige Biotopverbindung für den Süderelbraum dar. (…) Es gibt derzeit auch keine Aussage der Hafenplaner, wie die Unterbrechung des Biotopverbundes vermieden oder gar Ausgleich für die massiven Waldverluste im Bereich des Eingriffes geschaffen werden könnte. So kann kein Naturschützer für Olympia in Hamburg sein, ist die Meinung beim Botanischen Verein. Horst Bertram“ (PM Botanischer Verein zu Hamburg, Vollhöfner Weiden-Wald soll für Olympia fallen, 28.5.2015, Hervorhebung WZ).
Zur Pressemitteilung: hier
– Bewerbungsgesellschaft gegründet. An der Bewerbungsgesellschaft Hamburg 2024 ist der DOSB wie üblich mit 51 Prozent – und Null Einlage – beteiligt, die Freie und Hansestadt Hamburg mit 26 Prozent, Deutschland mit 18 Prozent, das Land Schleswig-Holstein mit zwei Prozent, die Landeshauptstadt Kiel mit zwei Prozent und die Handelskammer Hamburg (!!!) mit einem Prozent. Der bisherige Staatsrat Nikolas Hill (CDU) wurde Geschäftsführer, der DOSB-Vorstand für Sport und Internationales, Bernhard Schwank, wurde stellvertretender Geschäftsführer mit Prokura. „Besonders Schwank besitzt Erfahrungen mit Olympia-Bewerbungen. Der 54-Jährige war bereits maßgeblich an Münchens Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2018 beteiligt“ (SID, Hamburgs Olympia-Bewerbungsgesellschaft gegründet, in zeit.de 30.6.2015).
Erfahrungen hat Schwank, aber welche… Er war mit München 2018 nicht nur für die 63 zu 25-Niederlage am 6.7.2011 gegen Pyeongchang 2018 verantwortlich, sondern auch bei der Bewerbung München 2022 für die Vierfach-Niederlage bei den Bürgerentscheiden am 10.11.2013.
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VI: Allgemeine Nachrichten
– Creaton AG zu fast 40 Millionen Euro verurteilt. Am 29.5.2015 verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf den Dachziegelhersteller Creaton AG wegen illegaler Preisabsprachen zu 39,9 Millionen Euro Bußgeld. DOSB-Präsident Alfons Hörmann war dort von 1998 bis 2010 Vorstandsvorsitzender. Ursprünglich war die Creaton AG sogar zu 66 Millionen Euro verurteilt worden (Purschke, Thomas, Ex-Firma von deutschem Olympia-Chef muss Millionen-Bußgeld zahlen, in spiegelonline 3.6.2015). Hörmann hatte vor Prozessbeginn einen Bußgeldbescheid über 150.000 Euro plus 75.000 Euro Zinsen akzeptiert.
– NABU gegen DFB-Akademie. Der Vorstand des Naturschutzbund Deutschland (NABU) lehnt die