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Mai 2010

Albert Speer

Das Büro Albert Speer & Partner, Frankfurt (AS&P) plant die olympische Bewerbung München 2018.

In einem Interview wurde Albert Speer von SZ-Redakteur Gerhard Matzig gefragt: „Die Stadt München erhofft sich mit Ihrer Hilfe die Olympischen Winterspiele 2018. Auch die Expo in Shanghai, die soeben eröffnet wird, stammt in gewisser Weise von Ihnen. Braucht man Spektakel?“

Speer antwortete: „Städte entwickeln sich am besten, wenn die bürokratischen Hemmnisse überwindbar werden. Wenn alle an einem Strang ziehen und Energien freigesetzt werden. Die Events beschleunigen Prozesse und politische Entscheidungen.“

Frage SZ: „Jetzt planen Sie gewaltige Megacitys für Millionen von Einwohnern. Haben Sie keine Angst vor zu viel Größe, vor dem Gigantismus, der riesigen Vorhaben nun mal innewohnt?“

Er antwortete ausweichend: „Größe ist relativ.“ Und: „Das Leben ist Risiko.“

Auf der Website des Büros stehen Großprojekte in Europa, dazu Russland, China, Ägypten, Libyen, Nigeria, Katar, Saudi-Arabien, Aserbaidschan etc.

Frage SZ: „Als Albert Speer für nichtdemokratische Länder zu arbeiten: kein Problem?“ Antwort Speer: „Wir helfen, das Umfeld von Menschen zu verbessern. Politik machen wir nicht. Die Unterscheidung von Demokratien und Nichtdemokratien berührt auch nicht das Grundproblem der heutigen Stadtplanung.“

Stadtplanung erfolgt anscheinend am effektivsten in demokratiefreien Räumen.

Im Interview mit spiegelonline sagte Speer: „Das Hochhaus ist doch eine schöne Bauform – wie der Kirchturm.“ Und er betonte: „Der Architekt ist kein Sozial-Ingenieur.“ Zu seiner derzeitigen Arbeit gab er an: „Wir untersuchen die Begabung der Zwölf-Millionen-Metropole Kairo zur Ausrichtung von Olympischen Sommerspielen. Vielleicht haben die Ägypter im Jahr 2020 eine Chance.“

(Matzig, Gerhard, Albert Speer über Größe, in SZ 30.4.2010; „Die Geschichtslosigkeit ist schuld an der Baumisere“, in spiegelonline 18.5.2010)

Albert Speer ist der Sohn von Hitlers gleichnamigem Baumeister und Rüstungsminister. Letztlich sieht sich Speer offenbar in der gleichen Rolle des unpolitischen Technokraten, die schon sein Vater eingenommen hatte.

Kuratorium der Bewerbungsgesellschaft

In diesem Kuratorium sitzen Berühmtheiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Kuratoriumsvorsitzende ist Katarina Witt. Neu hinzu kamen Anfang Mai 2010 Altoberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der evangelische Landesbischof Johannes Friedrich und der Vertreter des Muslim-Dachverbandes, Bekir Alboga.

(Alt-OB Vogel wirbt für Olympia 2018, in SZ 6.5.2010)

Als einzige Kirche widerstand bisher die katholische der olympischen Versuchung.

Salzburg

Der Olympia-Untersuchungsausschuss des Salzburger Landtags brachte neue Skandale bei der Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2014 zutage.

Es gab enge Verflechtungen zwischen der Salzburger Bewerbungsgesellschaft und dem Wiener Förderverein. Der Geschäftsführer der Bewerbungsgesellschaft war gleichzeitig Rechnungsprüfer des Fördervereins und verschob Summen von einem Verein zum anderen. Den Rechnungsprüfern wurden pro Monat nur fünf Stunden Zeit für ihre Tätigkeit gegeben.

Ein großer Konzern wurde Sponsor, da er bei Ausschreibungen profitieren wollte; sollte er nicht zum Zug kommen, wurde ihm das Recht eingeräumt, die Konditionen des Konkurrenten zu erfahren und einen „Last Call“ abzugeben.

Die Salzburger Bewerbung kostete die öffentliche Hand 6,7 und die Sponsoren 3,5 Mill. Euro.

(Olympia-Untersuchungsausschuss bringt neue Kuriositäten ans Licht, in salzburg.com/online 11.5.2010; Olympia: Zeugen schildern brisante Details, in salzburg.orf.at 15.5.2010)

Es ist nicht die erste Bewerbungsgesellschaft, bei der es drunter und drüber geht, Schlampereien an der Tagesordnung sind und Unterlagen verschwinden. Das zeigen zum Beispiel auch die deutschen Bewerbungen von Berlin (1993 für die Spiele 2000) und Leipzig (2004 für 2012).

Die Vorsitzende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, Astrid Rössler schrieb Anfang Juli 2010, dass die Erkenntnisse bei der Bewerbung „Salzburg 2014“ alle Befürchtungen übersteigen.

Informationsbüro in Garmisch-Partenkirchen

Am 18. Mai richtete die Bewerbungsgesellschaft 2018 in Garmisch-Partenkirchen im Rathaus ein Informationsbüro ein. „Das Büro wird uns helfen“, erklärte Bürgermeister Thomas Schmid. Grünen-Landeschef Dieter Janecek kritisierte: „Das ist kein Info-, sondern ein Propagandabüro.“

Mit Sicherheit wäre statt eines neuen Büros dem Informationsfluss in Garmisch-Partenkirchen mehr gedient, wenn Bürgermeister Schmid im Gemeinderat das Thema konsequent und damit demokratisch behandeln lassen würde. Stattdessen bleibt die Problematik dort bewusst unbehandelt. In der Gemeinderatssitzung am 21.4.2010 kündigte Schmid großzügig an, irgendwann demnächst eine „Olympia-Sitzung“ abzuhalten.

Drei Sport-Vertreter aus Garmisch-Partenkirchen sollen die Bevölkerung künftig informieren: Franz Reindl, der Generalsekretär des Deutschen Eishockeybundes, Peter Fischer, der Geschäftsführer für die Ski-WM 2011 und Michael Maurer, Präsident des SC Partenkirchen. Ministerpräsident Horst Seehofer eröffnete das Büro höchstpersönlich und brachte noch die Zusage für die Bauern mit, dass diese ihre Wiesen und Äcker gefahrlos zur Verfügung stellen könnten, da das Land Bayern haften würde. Für die temporäre Nutzung der benötigten landwirtschaftlichen Grundstücke wird „eine finanziell vollumfängliche Garantie für die Wiederherstellung des Ursprungszustands“ gegeben.

Die landwirtschaftliche Kulturlandschaft mit artenreichen Blumenwiesen wird nicht mehr in der früheren Form und Qualität rückzubauen sein.

Einstehen sollen neben dem Freistaat die Gesellschafter der Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH. Die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen und der Landkreis Berchtesgaden sollen freigestellt werden. Diese Vereinbarung gilt allerdings nur für den Fall des Zuschlags der Spiele 2018.

Sollte die Bewerbungsgesellschaft den Zuschlag für 2018 nicht erhalten und die 30 Millionen Euro an Sponsorengeldern verfehlen, werden die Gesellschafter Bund, Land, München plus beteiligte Gemeinden und Landkreis Berchtesgaden einstehen müssen.

Das ist auch eine interessante Botschaft mit dem eindeutigen Signal an Garmisch-Partenkirchen und Berchtesgaden: Wenn ihr euch anpasst und euch erfolgreich um die Spiele bemüht, stellen wir euch frei. Wenn der Widerstand anhält, zahlt ihr eueren Anteil an den Bewerbungskosten, der fehlt.

Parallel dazu beschloss die Staatsregierung die Einrichtung eines Ombudsmannes, der die Belange der Grundstückseigentümer vertreten soll. Nach Staatskanzleichef Siegfried Schneider wären damit „die Voraussetzungen geschaffen, dass in den nächsten Wochen die benötigten Gestattungsverträge für die Nutzung landwirtschaftlicher Grundstücke für Olympia 2018 zügig abgeschlossen werden können“.

(Bayerische Staatskanzlei, Pressemitteilung 18.5.2010)

Diese Maßnahmen der Staatsregierung sind insgesamt ein durchsichtiges Manöver, um den Widerstand der Bauern einzudämmen. Dieser Vorgang ähnelt einer aktiven Bestechung, und dessen Kosten müssten dem Bewerbungsetat hinzuaddiert werden. Die Staatsregierung gibt Garantien, die der Steuerzahler zu zahlen hat; und von der Bewerbungsgesellschaft zahlen nur die öffentlichen Gesellschafter Bund, Land Bayern und Landeshauptstadt München, da der DOSB von jeder Zahlung ausgenommen ist.

Ministerpräsident Seehofer betonte anlässlich der Einweihung noch einmal den direkten Zusammenhang: „Ohne eine Bewerbung für Olympia hätte es nie eine Chance gegeben, dass der Wanktunnel auch nur angedacht werde.“

Gleichzeitig wurde bekannt, dass nach dem Land Bayern (eine halbe Million Euro) und der Landeshauptstadt München (eine Million) nun die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen rund 450.000 Euro (und der Kreis Berchtesgadener Land 111.000 Euro) an die Bewerbungsgesellschaft überweisen müssen, um deren Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten.

Geschäftsführer Schwank versicherte der Gemeinde: „Das heißt, dass das Darlehen am Ende an Sie zurückgezahlt werden wird.“

Darauf wird zurückzukommen sein. Mit Sicherheit wird die finanzielle Situation der Bewerbungsgesellschaft München 2018 bei der zu erwartenden Nichtberücksichtigung durch das IOC im Juli 2011 im ähnlichen finanziellen Desaster enden wie die Bewerbungen von Berlin und Leipzig.

Die seit langem angekündigten neuen Sponsoren Allianz und Baywa sind anscheinend bislang noch nicht willens zum Mitbezahlen. Vor der Grundsatzentscheidung im Garmisch-Partenkirchner Gemeinderat hatte die Bewerbungsgesellschaft 2018 noch behauptet, die Sponsoren würden Schlange stehen.

(Holzapfel, Matthias, 450.000 Euro sind zu überweisen, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 20.5.2010; Kritik an Olympia-Darlehen, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 22.5.2010)

Unverdrossen schritt indes die Mehrheit des Garmisch-Partenkirchner Gemeinderats voran: Am 19.5.2010 stimmte sie – gegen die Stimmen von CSU und SPD und zwei anderen Gemeinderäten – einem Neubau des Kongresszentrums plus Luxushotel und Theater zu – selbst ohne Olympische Spiele.

Niemand weiß, wo die Millionen Euro herkommen sollen. Mark Twain schrieb einmal sinngemäß über die Ruderer im Nebel: Als sie ihr Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten sie ihre Anstrengungen.

Das gilt auch für die derzeitige Mehrheit des Garmisch-Partenkirchner Gemeinderats.

(Bielicki, Jan, Werbung in der Stadt der Olympia-Kritiker, in SZ 17.4.2010; Bergmann, Klaus, dpa: Mannschaft steht: Kein  neuer 2018-Geschäftsführer; Effern, Heiner, Kistner, Thomas, Als Bodyguard enttarnt, in SZ 16.4.2010; Bayerische Staatskanzlei, Pressemitteilung 228/18.5.2010; Holzapfel, Matthias, Garantien für Olympia 2018, in merkur-online 19.5.2010; Riedel, Katja, Staatliche Lockmittel, in SZ 21.5.2010; „Sicherheit für Grundeigentümer“, in Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, 21.5.2010)

Der Garmisch-Partenkirchner Gemeinderat hatte gegen die Stimmen von CSU und SPD einen touristischen „Masterplan“ des Schweizers Charles Fessel mit Neubau des Kongresszentrums, Luxushotel, Theater für 100 Millionen Euro zugestimmt, wobei niemand weiß, woher das Geld kommen soll. (Riedel, Katja, Staatliche Lockmittel, in SZ 21,.5.2010) Fessel hatte bereits ein Jahr vorher in Freudenstadt ein 60-Millionen-Hotelprojekt entwickelt, von dem nun keine Rede mehr ist: Der Masterplan blieb stecken, und Fessel zog mit ähnlichen Versprechungen nach Garmisch-Partenkirchen weiter. (Schmidt, Siegfried, Charles Fessels neue Pläne – an der Zugspitze verspricht er den Menschen die „Riesenzukunft“, in neckar-chronik.de 12.12.2009)

Olympische Spiele und Elektroautos

Seehofer ließ in Garmisch-Partenkirchen auch anklingen, dass der Ort gute Chancen hätte, die bayerische Modellkommune für Elektromobilität zu werden. Die Idee, Elektromobilität mit der Olympischen Bewerbung zu kombinieren, stammte von Seehofers Umweltminister Söder.

Bürgermeister Schmid sprang sofort an: „Wir wollen das haben.“ Der Garmisch-Partenkirchner Umweltbeauftragte Wolfgang Seiler sitze bereits an der Formulierung des Antrags. Zusätzliche Wasserkraftwerke sollen dafür gebaut werden.

(Holzapfel, Matthias, Gemeinde will ein grünes Paket schnüren, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 17.5.2010)

Hier ergeben sich interessante Parallelen zwischen Olympischen Spiele und Elektroautos:

– Im Fall Olympische Spiele profitiert das IOC, im Fall Elektroauto die Autoindustrie und die Elektrizitätsversorger.

– Beide kosten den Steuerzahler Milliarden Euro.

– Die Öffentlichkeit wird systematisch über beider tatsächlicher Nutzen getäuscht.

– Beide sollen angeblich nachhaltig und umweltfreundlich sein.

– Beide sind es in Wirklichkeit nicht.

– Beide werden stets teuerer als ursprünglich berechnet.

– Beide sind für ein Gemeinwohl völlig überflüssig – nicht aber für die dahinter stehenden Kreise.

Siehe auch meine Dokumentation unter: www.goef.de/elektroautos

Bis die Elektroautos kommen, dauert es wohl noch etwas. Bis zum Jahr 2012 wird Garmisch-Partenkirchen Gastgeber für die BMW Motorrad Days bleiben: Zum ersten Juli-Wochenende 2010 wurden über 35.000 Motorradbegeisterte erwartet. Selbstverständlich sah Bürgermeister Schmid keine Diskrepanz zum neuen Motto des Ortes „Entdecke deine wahre Natur“: „Ja, die BMW Motorrad Days und das Klientel passen sehr gut zu unserer Philosophie.“ (Holzapfel, Matthias, Weitere drei Jahre Mekka der Biker, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 26.5.2010)

Die Hansestadt Hamburg kam 2010 zu einem anderen Schluss und strich das Biker-Treffen Harley Days aus ihrem Programm. Begründung: Lärm- und Abgaswerte seien überschritten, außerdem habe es viele Beschwerden gegeben. (ndr.de 12.1.2010)

Kein Geld, nirgendwo

Der Münchner Kämmerer Wolowicz verkündete Mitte Mai 2010 einen strikten Sparkurs. 40 Millionen Euro müssen 2010 eingespart werden. Im Zeitraum 2010 bis 2014 rechnet er beim Mehrjahresinvestitionsvolumen mit einer Nettoneuverschuldung von 890 Millionen. (Bielicki, Jan, Finstere Wolken im Jahr 2011, in SZ 15.5.2010; Neff, Berthold, Nur am Rotstift wird nicht gespart, in SZ 26.5.2010; Lode, Silke, München muss sparen, in sueddeutsche.de 15.6.2010)

Fast gleichzeitig garantierten Seehofer und Ude, dass ein Defizit der beteiligten Orte Garmisch-Partenkirchen, Oberammergau und der Landkreis Berchtesgaden zu je einem Drittel von Bund, Lands und Landeshauptstadt getragen würde. Das stieß im Juni selbst den üblicherweise olympiabesessenen Grünen Münchner Stadträten unangenehm auf. (Lode, Silke, Kostenrisiko Olympia, in SZ 16.6.2010; Kristlbauer, Matthias, Olympia 2018: Wie groß ist das Risiko? In Merkur 19.6.2010)

Wieweit dies verfassungskonform bzw. verwaltungsjuristisch einwandfrei ist, bliebe zu prüfen.

Auch in Bayern tauchte ein milliardenschweres Haushaltsloch auf, und Horst Seehofer verordnete Ende Mai 2010 einen großen Spar-Gipfel. Sparen will aber keiner der Minister: Selbst die Bewerbung München 2018 wird als unverzichtbar erachtet. (Szymanski, Mike, Fordern und Knausern, in sueddeutsche.de 28.5.2010)

Auf die Idee, dass man durch einen Rückzug von der Bewerbung München 2018 viele hundert Millionen Euro einsparen könnte, kam keiner der Verantwortlichen.