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September 2015

Webseite-Besucher
Im August 2015 besuchten 28.045 Internet-Nutzer unsere Nolympia-Webseite. Von Februar 2010 bis einschließlich August 2015 hatten wir damit 1.334.653 Besucher: Wir bedanken uns für das nach wie vor anhaltende Interesse. Witzig: Anscheinend schauen viele am jeweils 1. des Monats nach, wie viele Besucher wir hatten. Am 1.9.2015 taten dies 2.590 Leute.

Neu unter “Aktuelles”:
Leichtathletik-WM 2015 in Peking (21.8.2015; wird aktualisiert); Fifa-Kongress Mai 2015 und Folgen (4.6.2015; wird laufend aktualisiert); Hamburg 2024: Keine Bürgerbefragung!; Hamburg 2024: Dabei sein ist wichtiger als siegen; Hamburger für Hamburg 2024? Berliner für Berlin 2024?; Berliner Senat ist nicht Charlie; Boston 2024: Privatbewerbung eines Baukonzerns; Die verkauften Leichtathletik-Weltmeisterschaften
2015 neu im Kritischen Olympischen Lexikon:
23.7.2015: Eurosport; 20.6.2015 (aktualisiert 19.7.2015): Aserbaidschan-Sport; 21.5.2015: Beilschmidt, Rolf; 25.1.2015 Aktualisiert nach Pechstein-Urteil: Court of Arbitration for Sport (Cas); 20.1.2015: DFB gegen Galopprennbahn; 19.1.2015: Afrika-Cup 2015; 19.1.2015: Handball-WM 2015; 17.1.2015: Deripaska, Oleg; 7.1.2015: Gazprom-NTW; 1.1.2015: Totalitärer Sport-Terminkalender
Laufend aktualisiert:
Hamburg-Berlin 2024 – Zur deutschen Bewerbung um Olympische Sommerspiele 2024: bis Juni 2014: hier; 7-8/2014: hier; 9-10/2014: hier; 11/2014 – 3/2015: hier. Ab April 2015 “Chancenlose Bewerbung Hamburg 2024″ in der laufenden Chronologie unter IV.
Gazprom-Chronik – Was ein Gaskonzern und Sport, Oligarchen und Putin miteinander zu tun haben. Gazprom-Chronik (1) bis 31.12.2012: hier; Gazprom-Chronik (2) 1/2013 – 8/2014: hier; Gazprom-Chronik (3) ab 9/2014: hier; Gazprom-Chronik (4) ab 11/2014: hier

Studie von Sylvia Hamberger und Axel Doering: Der gekaufte Winter – Eine Bilanz der künstlichen Beschneiung in den Alpen (22.4.2015)
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In eigener Sache
Ich bemühe mich meinerseits, korrekt zu zitieren und Quellen anzugeben. Umgekehrt wäre es fair, wenn auch die Nolympia-Webseite als Quelle in den Artikeln von Journalisten angegeben wird. Tut eh niemand.
Dr. Wolfgang Zängl

Die Gliederung im September 2015 sieht so aus:
I: Zitate des Monats
II: Nachrichten von Olympischen Spielen, dem IOC und den Internationalen Sportverbänden
III: Aktuelle Sportsplitter von DOSB und den deutschen Sportverbänden
IV: Chancenlose Bewerbung Hamburg 2024
V: Allgemeine Nachrichten
VI: Aktuelle Sportsplitter von Fifa, Uefa, DFB etc.
VII: Sport-Millionen und -Millionäre
VIII: Totalitärer Sport-Terminkalender
IX: Doping-News
X: Die Sportsender ARD/ZDF
XI: Überraschungspunkt: IOC = Fifa
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I: Zitate des Monats

Klaus Hoeltzenbein in der SZ zur Ablösesumme von rund 80 Millionen Euro für den Fußballer de Bruyne: „Würde man die Ablösesumme für den Fußballer Kevin De Bruyne in Wolfsburg direkt in den Kauf von Fahrzeugen der Marke Golf investieren, man würde als Gegenwert um die 4200 Autos erhalten“ (Hoeltzenbein, Klaus, Monopoly mit Menschen, in SZ 1.9.2015).

Surferin Blanca Manchon zur Guanabara-Bucht, wo bei Rio 2016 die olympischen Surf- und Segelwettbewerbe stattfinden werden: „Ich habe noch nie so einen dreckigen Ort erlebt. Das Wasser ist schwarz“ (Mölter, Joachim, Gefahrenherd Rio, in SZ 2.9.2015).

DOSB-Präsident Alfons Hörmann zur exakten Kostenplanung Hamburg 2024: „Es wird rechtzeitig vor der Abstimmung absolut verlässliche Zahlen geben“ („Wir sind nicht blauäugig“, in Der Spiegel 38/12.9.2015).
Das wird er selbst nicht glauben: Die Kosten aller Olympischer Sommer- und Winterspiele der letzten Jahrzehnte haben ihre geschönten Prognosen um ein Vielfaches übertroffen.

Der ehemalige Fifa-Reformer Mark Pieth zur Vernehmung von Fifa-Präsident Sepp Blatter am 25.9.2015: „Blatter hätte längst zurücktreten sollen. Je länger er wartet, desto schlimmer wird es“ (Wagner, Elmar, „Je länger Blatter wartet, desto schlimmer wird es“, in nzz.ch 27.9.2015).

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II: Nachrichten von Olympischen Spielen, dem IOC und den Internationalen Sportverbände

– Siebeneinhalb Jahre Gefängnis für Khadija Ismailowa. Ein weiteres Beispiel der angeblich „friedensstiftenden Wirkung“ der European Olympic Games 2015 in Baku: Schon im Vorfeld dieser Spiele nahmen die Verhaftungen kritischer Journalisten und Menschenrechtler zu. Aserbaidschans bekannteste Journalistin Khadija Ismailowa (39), die über Korruption und Vetternwirtschaft des Aliyev-Diktatorenclans recherchiert hatte, wurde jetzt zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Sie wurde schuldig gesprochen wegen „wirtschaftlicher Delikte, darunter illegales Unternehmertum und Steuerhinterziehung“ sowie Steuerhinterziehung und illegaler Geschäfte (Regierungskritische Journalistin zu langer Haftstrafe verurteilt, in spiegelonline 1.9.2015). „Aserbaidschan bleibt eines der weltweit gefährlichsten Länder für Journalisten: Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt das Land Platz 160 von 180 Staaten. Derzeit sitzen hier acht Journalisten und vier Blogger im Gefängnis. Seit Sommer 2014 geht die Regierung verstärkt gegen die wenigen verbliebenen Oppositionsmedien und unabhängigen Journalisten vor. Am 9. August 2015 starb der freie Journalist Rasim Alijew, nachdem er tags zuvor in einen Hinterhalt gelockt und zusammengeschlagen worden war. Die schwer kranken Menschenrechtler Leyla Yunus und Arif Yunusov wurden Mitte August ebenfalls zu langen Haftstrafen verurteilt, was der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, Christoph Strässer, scharf kritisierte“ (Ebenda).
Vergleiche auch: Aserbaidschan-Sport

– Von Boston 2024 zu Los Angeles 2024. Am 2.9.2015 stellte Scott Blackmun von US Olymic Committee den neuen USA-Kandidaten Los Angeles vor. L. A. hatte bereits die Olympischen Sommerspiele 1932 und 1984 ausgerichtet. Für 1984 war LA der einzige Kandidat – und nutzte die Situation: „Die Stadt unterschrieb nicht den IOC-Knebelvertrag, der besagt, dass die Gastgeber für eventuelle Mehrkosten aufkommen müssen. Um diese Unterschrift wird (der Bürgermeister von L. A., Eric) Garcetti angesichts der Mitstreiter Hamburg, Paris, Rom und Budapest jetzt jedoch nicht herumkommen. Knapp sechs Milliarden Dollar soll das Olympia-Budget betragen, rund 1,7 Milliarden Dollar kommen von privaten Investoren. Allein 925 Millionen Dollar dieser Summe sollen ins Athletendorf gesteckt werden, das auf einem 125 Hektar großen Bahn-Gelände geplant ist. Problem: Das Areal gehört nicht der Stadt. Wirtschafts-Professor Andrew Zimbalist vom Smith-College in Massachusetts hat deshalb bereits gewarnt, dass die anvisierten Kosten auch schnell in das Zwei- oder gar Dreifache ausufern können“ (Oldörp, Heiko, Sexy und stolz darauf, in spiegelonline 2.9.2015; Hervorhebung WZ). Der Stadtrat votierte mit 15:0 für Los Angeles 2024. Bürgermeister Garcetti: „Dies ist ein großartiger Tag für Los Angeles“ (DPA, SID, 15:0 für L.A., in SZ 3.9.2015; Los Angeles gibt Gas, in faz.net 2.9.2015).
Schaun mer mal…

– Warum Boston NEIN zu Boston 2024 gesagt hat. Chris Dempsey von „No Boston Olympics“ erklärte in einem Beitrag die Gründe. Die durchschnittliche Spende an die Boston-Gegner lag bei 100 Dollar, die an die Befürworter bei 70.000 Dollar. Diese hatten die finanziellen Vorteile, die Gegner die besseren Argumente. Das PR-Getöse der Befürworter kam bei der Bevölkerung nicht an. Die Bewerbung Boston 2024 stagnierte. Die Gegner hatten es mit sehr mächtigen Befürwortern zu tun: eine David-Goliath-Situation (Q&A: Chris Dempsey of No Boston Olympics, in scoutcambridge.com 8.9.2015). – Die Bewerbung Boston 2024 hat Schulden in Millionenhöhe hinterlassen. Dazu gehören unbeglichene Rechnungen – allein über eine Million Dollar Honorar für den Architekten, dazu einige hundert Dollar für Catering und 7.500 Dollar, die dem David Ortiz Children’s Fund versprochen wurden. Insgesamt sollen die ausstehenden Gehälter und unbezahlten Rechnungen die Summe von vier Millionen Dollar erreichen (Arsenault, Mark, Olympic bid left debt of millions, in bostonglobe.com 11.9.2015).

– Warum Toronto Nein zu Toronto 2024 sagen sollte. Der Direktor des Martin Prosperity Institut an der Universität Toronto, Richard Florida, fasste die Gründe u. a. so zusammen: Viele Studien haben bewiesen, dass die Spiele blicherweise weit mehr kosten, als eingenommen wird und die regionale Wirtschaft und Regierung über Jahre ausbluten kann. – Toronto 2024 würde die Stadt 30 Milliarden kanadische Dollars kosten, das sind 20 Prozent der Wirtschaftsleistung Torontos. – Die explodierenden Kosten der Olympischen Spiele sind schlecht für die Austragungsorte. – Olympische Austragungsorte sind mit kostspieligen „White Elephants“ verschandelt: Die Sportstätten liegen nach den Spielen verlassen da. – Der regionale Tourismus geht durch die Spiele zurück. – Die versprochenen Arbeitsplätze sind nur kurzfristig und schlecht entlohnt. – Die versprochene PR durch die Spiele bleibt meist aus. – Proteste oder Skandale sind bei solchen Megaereignissen inzwischen üblich, terroristische Angriffe müssen einkalkuliert werden. Fazit: Die Spiele bringen der Bevölkerung von Toronto keine Vorteile (Florida, Richard, Why Toronto should say No to the Olympics, in theglobeandmail.com 8.9.2015).
Am 15.9.2015 verkündete Bürgermeister John Tory den Verzicht Torontos auf eine Bewerbung wegen fehlender Unterstützung der Bevölkerung (Toronto verzichtet auf Olympiabewerbung, in spiegelonline 15.9.2015).

– Tokio 2020: absehbar teurer. Die olympischen Sommerspiele Tokio 1964 sollten 130 Millionen Dollar kosten: Sie kosteten schließlich 1,9 Milliarden, das 15-fache (Neidhart, Christoph, Olympia und kein Ende, in SZ 4.9.2015). Tokio 2020 sollte 4,9 Milliarden Dollar kosten – das behaupteten die japanischen Bewerber beim Olympia-Kongress im September 2013 in Buenos Aires. Sieben Wochen nach dem Zuschlag war diese Summe schon weit überschritten – und wird wohl noch weiter steigen: „Für einige Sportstätten veröffentlichte Tokio schon im Juli Ausschreibungen, so für den Musashino-Sportkomplex im Vorort Chofu. Keine einzige Baufirma hat sich beworben. Der Kostenrahmen sei zu eng. Erst für eine zweite Runde mit zehn Prozent angehobenen Kosten gingen Angebote ein“ (Ebenda).

– Aus für Zaya Hadids Olympiastadion. Tokio 2020: Die Kosten für das Olympiastadion nach dem Entwurf von Hadid sind auf umgerechnet rund 1,8 Milliarden Euro gestiegen: Premierminister Shinzo Abe stoppte daraufhin das Projekt, das wahlweise als Fahrradhelm, Schildkröte oder Toilettensitz geschmäht wurde. Zaha Hadid stieg aus. Nun soll ein neuer Entwurf her. Die Sitzplätze wurden von 72.000 auf 68.000 reduziert – mit der Möglichkeit, um 12.000 auf 80.000 aufzustocken, falls Japan die Fußball-WM bekommt (McCurry, Justin, Zaha Hadid abandons new 2020 Tokyo Olympics stadium bid, in theguardian.com 18.9.2015).
Der Zeitdruck zur rechtzeitigen Fertigstellung ist dadurch immens gewachsen – die Chancen auf ein billigeres Stadion sind gering, da die Baufirmen über ein beträchtliches Druckmittel verfügen.
Inzwischen trat der japanische Sportminister Hakuban Shimomura wegen der explodierenden Baukosten und zeitlichen Verzögerungen zurück. Eine Untersuchungskommission wies ihm eine Teilschuld zu (Japanischer Sportminister tritt zurück, in faz.net 25.9.2015).  

– Tokio 2020: noch größer. Die Organisatoren der Sommerspiele 2020 empfehlen dem IOC die Aufnahme von fünf neuen Sportarten: Baseball/Softball, Karate, Sportklettern, Skateboarden und Surfen. Die Erweiterung würde eine Aufblähung von 28 auf 33 Sportarten und 500 weiteren Sportlern bedeuten (Wird Skateboarden bald olympisch? in spiegelonline 28.9.2015). 

– Olympisches Erbe Rio 2016: Der Dreck bleibt. Das Segel- und Surfrevier in der Guanabara-Bucht ist verdreckt und bleibt auch nach den Olympischen Sommerspielen verseucht. „Eines der zentralen Versprechen in Rios Bewerbung aus dem Jahr 2008 war, die Bucht bis 2016 um 80 Prozent zu säubern. Das sollte das große Vermächtnis dieser Spiele sein. Daraus wird nichts, das räumt inzwischen auch Luiz Fernando Pezão, der Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, ein. Die meisten der angekündigten Kläranlagen wurden nie gebaut oder nie in Betrieb genommen. Das Problem liegt aber nicht nur in der Umsetzung des Versprechens, sondern in dem Versprechen selbst. Es war vollkommen irreal. Eine tiefenverseuchte 380 Quadratkilometer große Bucht säubert niemand in acht Jahren. Nach Ansicht von Experten wäre ein Reinigungsplan bis 2035 realistisch. Das war aber gewiss nicht das, was das Internationale Olympische Komitee (IOC) hören wollte, als es die Spiele vergab. (…) Der Dreck von 6,6 Millionen Menschen ergießt sich jeden Tag in diese Bucht, ungefiltert. Dazu das Schweröl aus den Raffinerien, die Abwässer mehrerer Krankenhäuser, und wenn es regnet, spült es auch noch den Unrat aus den Favelas dazu. Von jenen Hängen, wo noch nie die Müllabfuhr gesichtet wurde“ (Herrmann, Boris, Regatta in der Kloake, in SZ 5.9.2015).

– Rio 2016 und die Arbeitssklaven. Im Zusammenhang mit dem Bau des Olympischen Dorfes ermittelt Rios Staatsanwaltschaft gegen die zwei größten Baukonzerne Brasiliens, Odebrecht und Carvalho Hosken. Sie beschäftigen diverse Subunternehmer zum Bau des Olympischen Dorfes. „Die luxuriöse Wohnanlage wird bei den Spielen nächstes Jahr als Olympisches Dorf dienen“ (Upadek, Carsten, Arbeitssklaven im Olympischen Dorf, in deutschlandfunk.de 12.9.2015). Staatsanwältin Guadalupe Couto bezeichnete die Arbeitsbedingungen der Arbeiter als „analog der Sklaverei“: „Das gilt, wenn man ohne Pause arbeitet, keine Rechte hat, die Unterkünfte inhuman sind. wenn der Arbeiter eine Geisel seiner Situation ist, aus der er nicht herauskommt“ (Ebenda). Der Eigentümer der Baufirma Carvalho Hosken sagte „in Bezug auf das Luxusviertel, man sollte keine armen Menschen in die Siedlung lassen“ (Ebenda). Der Generaldirektor des Immobilienunternehmens Ilha Purin mit 31 luxuriösen Wohnblocks, Mauricio Cruz, ergänzte, die Wohnungen hätten einen hohen Verkaufswert: „Gerichtet an ein bestimmtes ökonomisches Segment der Bevölkerung. Diese Apartments sind konstruiert für eine spezifische Klasse“ (Ebenda). Nach den Spielen werden die 3604 Wohnungen verkauft – mit einem geschätzten Gesamtwert von über eine Milliarde Euro (Ebenda).
Schöner nacholympisch Wohnen: im Luxus-Wohnungsbau à la IOC…

– IOC: Ein Herz für Flüchtlinge? Das IOC stellt zwei Millionen Dollar für Flüchtlingsprojekte zur Verfügung, wie IOC-Präsident Thomas Bach in einer Pressemitteilung mitteilte. Eine Million Dollar kommt vom IOC, eine Million Dollar von der „Olympic Solidarity“ (IOC announces emergency two million dollar fund to help refugees, in olympic.org 4.9.2015). IOC-Präsident Thomas Bach: „Wir wissen  aus Erfahrung, dass der Sport helfen könne, die Not von Flüchtlingen zu lindern“ (Ebenda). „Nach eigenen Angaben schüttet das IOC im Schnitt pro Tag zur Unterstützung von Sportlern und Vereinen weltweit etwa 3,25 Millionen Dollar aus“ (SID, IOC spendet, in SZ 5.9.2015).
Man kann sich richtig vorstellen, wie die IOC-Häuptlinge in Lausanne herumsaßen und sich überlegten, wie man mit dem Thema Flüchtlinge über ein olympisches Almosen in die Schlagzeilen kommen kann… Außerdem positioniert sich das IOC wieder wie so oft als enger und ernstzunehmender Partner der United Nations bzw. des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR: Der Sportkonzern IOC beansprucht quasi wie die United Nations übernationale globale Bedeutung.

– Vinerstan: Das Reich von Irina Viner. Anfang September 2015 fand in Stuttgart die WM in der Rhythmischen Sportgymnastik statt – die Siegerinnen standen schon vorher fest. „Die Rhythmische Sportgymnastik ist in vielerlei Hinsicht eine ganz spezielle Disziplin des Turnsports. Zum Beispiel, weil man schon vor dem Beginn der Wettbewerbe am heutigen Montag schreiben kann, wer den Weltmeistertitel gewinnen wird: Russland wird ihn gewinnen. Man kann es sogar genauer sagen: Jana Kudratsjewa oder Margarita Mamun wird gewinnen. (…) Eine Überraschung sind russische Siege nie gewesen. In der Historie der Welttitelkämpfe seit 1963 haben mit einer Ausnahme ausschließlich Gymnastinnen aus dem damaligen und ehemaligen Ostblock Medaillen gewonnen, in der Regel sowjetische. (…) Seit 2000 gewinnt Russland bei den Olympischen Spielen den Mehrkampf und die Gruppenkonkurrenz, sprich: alles. (…) In Russland gibt es viel Geld für die Sportgymnastik, etwa vom Gazprom-Konzern. Nicht ganz zufällig, denn die Cheftrainerin und Verbandspräsidentin Irina Viner ist die Gattin von Oligarch Alisher Usmanow, einem der reichsten Männer Russlands. Sie gilt als die mächtige Frau der Gymnastik-Welt“ (Schmitt, Sandra, Auf der Karte „Vinerstans“ gewinnt immer Russland, in faz.net 7.9.2015). Und dazu gibt es Unregelmäßigkeiten bei der Schiedsrichterprüfung: „Vor zwei Jahren hatten auffällig viele Referees bei einer Lehrgangsprüfung auf die Kommastelle genau die richtige subjektive Wertungsnote eingetragen, das hatte es noch nie gegeben… vielleicht war es eine akute Warnung, dass ausgerechnet einen Tag vor der WM vier Kampfrichterinnen wegen ‚partisan judging‘ (Heimbevorteilung) bei jüngsten Wettkämpfen gesperrt wurden“ (Kreisl, Volker, Hitze unterm Deckel, in SZ 10.9.2015). Viner erhielt für ihre Verdienste 2015 den Olympischen Orden von IOC-Präsident Thomas Bach.

– Grandiose Idee: European Olympic Winter Games
. Der Diktatorenfreund Aserbaidschan und Präsident des European Olympic Comitee (EOC), Patrick Hickey, propagierte angesichts des „großen Erfolgs“ der European Games 2015 in Aserbaidschan auch für Europäische Winterspiele (SID, EOC erwägt Einführung von Europaspielen im Winter – DOSB zurückhaltend, in zeit.de 14.9.2015). 
Hallo, Mr. Hickey, ein Vorschlag: Kasachstan wäre doch ideal für Europäische Winterspiele, und eine Diktatur wäre auch vorhanden. – Steht nur zu hoffen, dass sich die olympischen Sportsfreunde irgendwann an der Sport-TV-Orgie übersehen haben.  

-Seid umschlungen, Milliarden. Am 15.9.2015 war die IOC-Deadline für Kandidatenstädte. Es bewerben sich um Olympische Sommerspiele 2024: Budapest/Ungarn, Hamburg/Deutschland, Los Angeles/USA, Paris/Frankreich und Rom/Italien. Fünf Großstädte sind unbegreiflicherweise freudig bereit, für 16 Tage olympische Party einen zweistelligen Milliardenbetrag zu investieren. Der englische Schriftsteller John Priestley (1894 – 1984): „Ein Optimist ist in der Regel ein Zeitgenosse, der ungenügend informiert ist.“

– Schweiz (I): Teure Sportchefs. Der für Sport zuständige Schweizer Bundesrat Ueli Maurer (eifriger Befürworter von Graubünden 2022 und 2026) betont: „Sport ist wirtschaftlich wichtig“ (Kreitewolf, Stefan, Sportbosse sind lieb und teuer, in taz.de 15.9.2015). Damit wurden 45 Internationale Sportverbände in die Schweiz gelockt. Eine im Auftrag des IOC, der Stadt Lausanne und des Kantons Vaud entstandene Studie kommt zu dem – angesichts der Auftraggeber wenig überraschenden – Schluss, dass angeblich pro Jahr mehr als eine Milliarde Schweizer Franken durch die internationalen Sportverbände generiert würden (Dethier, Jean-Jacques, Garelli, Stéphane, The Economic Impact of International Sports Organisations in Switzerland 2008 – 2013, www.aists.org, ojg; PM IOC President launches Festivities marking the IOC’s 100 years in Lausanne, in olympic.org 10.4.2015). – „Im Gegenzug bieten die Eidgenossen Steuervorteile, juristische Schlupflöcher und Mietbefreiungen. Sportverbände profitieren zum Beispiel von ihrer Organisationsform als im Handelsregister eingetragene Vereine. Durch das Wohlwollen des schweizerischen Zivilgesetzbuchs müssen sie nicht einmal halb so viel von ihren Gewinnen versteuern wie ein normales Unternehmen. (…) Die Sportverbände sind mittlerweile zum Reputationsproblem für die Eidgenossen geworden. Insbesondere nach den Razzien und Festnahmen Ende Mai rund um den Fifa-Kongress ist der internationale Druck auf die Schweiz gewachsen“ (Kreitewolf 15.9.2015).

– Schweiz (II): Eine Milliarde Franken in zehn Jahren. Der für Sport zuständige Schweizer Bundesrat Ueli Maurer will zwischen 2018 bis 2029 zusätzlich eine Milliarde Franken Steuergelder in den Schweizer Sport stecken. Swiss Olympic reicht das nicht. Präsident Jörg Schild: „Die jährlichen Investitionen im Bereich Spitzensport seien mit anfänglich 1,6 Millionen und später 8,5 Millionen Franken viel zu tief angesetzt“ (Tribelhorn, Marc, „Die falschen Prioritäten“, in nzz.ch 17.9.2015). Der in Maurers Leistungssportkonzept festgehaltene Ausbau der Sportförderung durch Armee, Grenzwachtkorps, Zivilschutz und -dienst erfordere ebenfalls mehr Mittel. Swiss Olympic fordert deswegen zusätzlich 15 Millionen Franken im Jahr für den Spitzensport (Ebenda).

– Schweiz (III): Ueli Maurer im Privatjet. Bei der Fußball-WM 2014 in Brasilien spielte beim Eröffnungsspiel am 15.6.2014 die Schweiz gegen Ecuador. Ein Gast in Blatters VIP-Loge war der Schweizer Sportminister Ueli Maurer. Er flog mit einem Privatjet der Marke Falcon 7X für 60 Stunden Hin- und Rückflug zum WM-Spiel, Kostenpunkt 202.100 Schweizer Franken. „Zur Frage, wie er das Kosten-Nutzen-Verhältnis seines Brasilien-Trips beurteile, wollte Bundesrat Maurer keine Stellung nehmen“ (Lenz, Christoph, 200.000 Franken für 90 Minuten Fußball, in blick.ch 24.9.2015).

– IOC: Neue 508 Seiten IOC-Regeln. Für die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022 veröffentlichte Oslo neben dem Host City Contract 7.000 Seiten Regelwerk. Nun legte das IOC eine neue Version auf: 508 Seiten sollen genügen. „Die Tücken liegen im Detail, und darüber wird ab jetzt ausführlich debattiert werden in den Bewerberstädten und vor allem in Hamburg, wo Ende November das Referendum ansteht. Tatsächlich hat das IOC nicht nur 350, sondern 508 Seiten in vier neuen Dokumenten vorgelegt: die Prinzipien des Ausrichtervertrages (44 Seiten), den Fragebogen an Bewerber (137), die technischen Anforderungen (275) und den neuen Ablauf (52) des Prozesses bis zur Entscheidung auf der IOC-Session im September 2017 in Lima“ (Weinreich, Jens, 508 Seiten Prinzipien, in spiegelonline 16.9.2015). Lustig, nicht nur für Hamburger: “ Im IOC-Völkchen war bis vor Kurzem noch nicht flächendeckend bekannt, dass sich Hamburg bewirbt. So erzählte ein Mitglied kürzlich noch, es habe geglaubt, Hamburg bewerbe sich für Winterspiele. Mit derlei Missverständnissen haben die Weltmetropolen Paris, Rom und Los Angeles nicht zu kämpfen“ (Ebenda). Tolle Neuheiten werden angeboten – zum Beispiel der Punkt: „The freedom of media to report on the Olympic Games is now integrated in the Host City Contract Principles“ (PM Five world-class cities in strong competition for Olympic Games 2024, Olympic.org 16.9.2015).

– Keine Menschenrechte im IOC-Vertrag. Die Sports and Rights Alliance (SRA), ein Zusammenschluss von Menschenrechts- und Arbeitsschutzorganisationen, hat den neuen „Host City Contract“ als unzureichend kritisiert: Er „beinhaltet keine ausdrückliche Klausel, wonach Menschenrechte umfassend respektiert und geschützt werden müssen“ (Becker, Christoph, „Das Wort Menschenrechte kommt nicht vor“, in faz.net 24.9.2015). Dazu wird die Pressefreiheit nur für den Zeitraum der Spiele garantiert: „Wieso versucht man nicht, die Jahre der Vorbereitung auf Spiele mit einzubeziehen?“ (Ebenda).
Oder die Zeit danach: Die Aserbaidschan-Diktatur hat Kritiker weit vor den European Games im Juni 2015 in Baku weggesperrt und zu vieljährigen Haftstrafen verurteilt – von den Sportfunktionären war keinerlei Kritik zu hören.

– Bach Ki-moon. Der IOC-Sport-Großkonzernchef Thomas Bach darf am 27.9.2015 vor den Vereinten Nationen und ihrem Präsidenten Ban Ki-moon sprechen. Im Vorfeld der Debatte Fußball-EM 2024 in Deutschland und Olympische Sommerspiele 2024 in Hamburg lenkte Bach wieder einmal ab: „IOC-Präsident Bach behauptete zudem erneut, Deutschland könne sowohl die Fußball-Europameisterschaft im Juni 2024 als auch einige Wochen später die Olympischen Sommerspiele austragen. ‚Niemand hat Zweifel daran, dass die Deutschen dazu in der Lage wären‘, sagte er“ (Ebenda).
In der Lage vielleicht. Aber beide Sport-Großereignisse werden sie 2024 nicht bekommen. Das hat schon Uefa-Präsident Michel Platini in aller Deutlichkeit gesagt. Und welches Interesse sollte der DFB haben, sein Sponsoren- und TV-Geschäft – und die Zuschauer – im Abstand von wenigen Wochen mit dem IOC zu teilen?

– London 2012: Kein sportliches Erbe. Die Macher der Olympischen Sommerspiele 2012 in London versprachen viel und hielten wenig. So sollte eine ganze Generation inspiriert werden, mehr Sport zu treiben. Im Nachhinein – auch zu den Commonwealth Games 2002 in Manchester und 2014 in Glasgow – stellt sich heraus, dass es keine Verbindung zwischen Sport-Großereignissen und der Teilnahme am Sport gibt. Der Sportberater Dr. Russell Holden: „Es sieht alles sehr negativ aus. Die Erbe von London scheint vergessen worden zu sein. Die Statistiken des Aktiven-Sports sind absolut schauderhaft“ (Menary, Steve, Failure of Olympic promises forces the government to revise sports strategy, in playthegame.org 28.9.2015).  

– Athen 2004: Wie die NSA die Olympischen Sommerspiele ausspionierte. Die gerade präsentierten Unterlagen von Edward Snowden belegen, wie die NSA die Olympischen Sommerspiele 2024 in Athen ausspioniert haben. „Der US-Geheimdienst verschaffte sich offenbar flächendeckenden Zugang zur griechischen Telekommunikation. ‚Die Welt wird zusehen, und die NSA auch!‘ heißt es in einem der Dokumente, die das Enthüllungsportal ‚The Intercept‘ am Dienstagmorgen deutscher Zeit veröffentlichte und die SPIEGEL ONLINE vorab vorlagen. Die Dokumente geben einen Einblick in das, was passiert, wenn einem Land, einer Stadt die Ehre zuteil wird, die Olympischen Spiele auszurichten: Der Austragungsort wird zum Schauplatz von Überwachungsaktivitäten wahrhaft olympischen Ausmaßes. Das sollte beispielsweise Bewohner und Politiker Hamburgs interessieren, das sich ja um die Ausrichtung von Olympia 2024 bewirbt“ (Stöcker, Christian, Wie die NSA sich auf Olympia vorbereitet, in spiegelonline 29.9.2015). Die NSA spionierte offensichtlich im Einvernehmen mit der griechischen Regierung. Die „Commercial Technologies Group“ untersuchte die eingesetzte griechische Technik, die CIA lieferte Daten der griechischen Mobilfunknetze, die „Special Source Operations“ zapften die Datenkabel an, der „Special Collection Service“, der die  Regierungsviertel über die US-Botschaften abhört, lieferte „zusätzliche Fähigkeiten“ (Ebenda). „Die Amerikaner kamen nicht nur, installierten Wanzen, Abhörschnittstellen und Spionagesoftware – sie ließen sie auch dort, als sie wieder abzogen“ (Ebenda). – „Abgehört wurden nun: der damalige konservative Ministerpräsident Kostas Karamanlis und auch dessen Ehefrau, die Athener Bürgermeisterin und noch ein paar andere griechische Politiker“ (Schlötzer, Christine, Dabei sein ist alles, in SZ 1.10.2015). Ein führender Mitarbeiter von Vodafone Griechenland, Kostas Tsalikidis, wurde am 9.3.2005 erhängt in seiner Wohnung aufgefunden. Er hatte kurz vorher seiner Verlobten mitgeteilt, er müsse die Firma verlassen: dies sei für ihn „eine Frage von Leben und Tod“ (Ebenda). Der NSA-Experte und Autor James Bamford („NSA: Die Anatomie des mächtigsten Geheimdienstes der Welt“) zitierte einen ehemaligen hochrangigen NSA-Mitarbeiter: „Wenn man einmal Zugang hat, hat man Zugang. Wenn man die Gelegenheit hat, Implantate zu installieren, dann ist das eben eine Gelegenheit“ (spiegelonline 29.9.2015).
Hamburg 2024: Athen war schon 2004 – wie wird es erst im Jahr 2024 zugehen!

– Wallis 2026: Billigheimer. Der Präsident des Fußballclubs FC Sion, Christian Constantin, will die Olympischen Winterspiele 2026 in das schweizerische Wallis holen. Kosten soll dies magere 1,56 Milliarden Franken (Olympia 2026 im Wallis: Kantonsregierung schaut genau hin, in srf.ch 29.9.2015). Constantin ist nicht von ungefähr Bauunternehmer (Constantin will Winterspiele 2026 im Wallis, in suedostschweiz.ch 29.9.2015).
Bauunternehmer sind oft Promotoren der Olympia-Bewerbungen. Der letzte, der scheiterte, war bei Boston 2024 John Fish, der Eigentümer von Suffolk Constructions (2,5 Milliarden Dollar Jahresumsatz).

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III: Aktuelle Sportsplitter von DOSB und den deutschen Sportverbänden

– Linker Golfer. Ausgerechnet Christian Görke von der Partei Die Linke, Finanzminister von Brandenburg, stellte den Antrag, den Ryder Cup wie Olympische Spiele oder Fußball-WM steuerfrei zu stellen. Der Ryder Cup ist der Golf-Vergleich zwischen den USA und Europa: Der Deutsche Golf-Verband hatte für 2022 Bad Saarow vorgeschlagen. Nun hat Finanzminister Wolfgang Schäuble das Steuerprivileg verweigert, weil kein besonderes öffentliches Interesse vorliege (Schäuble verweigert Ryder Cup Steuerprivileg, in spiegelonline 12.9.2015). 
Dazu aus einem Kommentar von Claudio Catuognio in der SZ: „Da kommen die besten Golfer aus Europa und den USA, alles Multimillionäre, für drei Tage ins Brandenburgische – und die Veranstalter nehmen danach alle Gewinne netto mit? (…) Wer mit etwas Geld verdient, zahlt Steuern auf den Gewinn. Gibt es einen Grund, warum der Kommerzsport davon ausgenommen werden sollte? Nein. Bis auf diesen: dass es sich der Kommerzsport nun mal erlauben kann, Forderungen zu stellen, die in anderen Lebensbereichen als schamlos empfunden würden. (…) Hinter der Entscheidung, ob der Ryder Cup in Deutschland in den Genuss von Steuervorteilen kommen soll, steht also auch die Frage, inwieweit sich die Politik dem Diktat der Sportveranstalter unterwirft. (…) Olympia, Fußball-WM, Champions-League-Finale, Leichtathletik-WM – diese Groß-Events waren oder sind von der Steuer befreit. Der Ryder Cup ist auch nicht gerade klein – aber er wäre ein Präzedenzfall. Welche Begehrlichkeiten würde man wecken, welche Sportlobby käme als nächstes?“ (Catuogno, Claudio, Jede Menge Nullen, in SZ 16.9.2015). Schäubles Beamten fürchten ein fatales Signal bei anderen Sportereignissen. „Dann würden demnächst auch die Veranstalter der internationalen Ausscheidungen im Kürbiskernweitspucken in Kyritz an der Knatter Steuerbefreiung verlangen“ (Reiermann, Christian, Schwarz. Rot. Geld, in Der Spiegel 38/12.9.2015). Merkwürdig: „Der GC Valley am Tegernsee, 2011 gegen die Lobby der Langer-Brüder gescheitert, aber Ryder-tauglich, wurde erneut ausgebootet mit dem Argument, der Termin kollidiere mit dem Oktoberfest. (…) Am Ende wurde das A-Rosa-Ressort im brandenburgischen Bad Saarow, das sich gar nicht bewarb, gebeten, auszuhelfen“ („Ein Meilenstein“, in SZ 21.9.2015).

– Politik knickt gegenüber dem Golfsport ein. Die Fifa hat für die Fußball-WM 2006 in Deutschland Steuerbefreiung erhalten, die Uefa für das Champions-League-Finale 2015 in Berlin – und nun erhält der Ryder-Cup doch die Steuerbefreiung. Plötzlich ist ein „besonderes öffentliches Interesse“ nach § 50 Absatz 4 Einkommenssteuergesetz gegeben: „Die obersten Finanzbehörden der Länder oder die von ihnen beauftragten Finanzbehörden können mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn dies im besonderen öffentlichen Interesse liegt; ein besonderes öffentliches Interesse besteht…“. Immerhin wird der Ryder Cup im Bezahlfernsehen Sky übertragen wird. Am 18.9.2015 beschlossen Vertreter des Bundes die Steuerbefreiung. Sehr ökologisch: Für die 50.000 Zuschauer gibt es breitere Straßen und zwei riesige Parkplätze – ganz abgesehen vom Golfplatz selbst (Bensiek, Arne, Fröhlich, Alexander, Steuerbefreiung für den Ryder Cup, in tagesspiegel.de 18.9.2015).

– Golf: das Millionenspiel. Die Finanzierung des Ryder-Cups 2022 sieht so aus: 640.000 Mitglieder des Deutschen Golf-Verbandes zahlen zehn Jahre lang drei Euro mehr Mitgliedsbeitrag pro Jahr: macht 19,2 Millionen Euro. Plus acht bis zehn Millionen Euro von den Sponsoren Allianz und BMW. Plus dem Zugeständnis der Politik, dem Antrag auf Steuererlass nach §50 Absatz 4 EStG (öffentliches Interesse!) zuzustimmen. Der frühere European-Tour-Boss George O’Grady hatte extra an Angela Merkel geschrieben und sie aufgefordert, die Chance der Bewerbung zu erkennen („Ein Meilenstein“, in SZ 21.9.2015).
Vielleicht ist ja das Interesse der Bundeskanzlerin das „öffentliche Interesse“.

– Münchner Parallelslalom vor dem Aus? Der Parallelslalom am 1. Januar fand bislang fünfmal statt, besser nur zweimal, nämlich 2011 und 2013. Zum Jahresbeginn 2012, 2014 und 2015 fiel er wegen zu hoher Temperaturen aus (an Weihnachten 2012 hatte es 20,7 Grad plus). Die Versicherung kam für die drei Ausfälle auf (Gesamtetat rund 1,2 Millionen Euro): Nun fordert sie im Bereich der Schneeproduktion größere Sicherheiten. Wie das zu schaffen sein soll, sagt die Versicherung nicht. Auch mit zusätzlichen Schneekanonen oder noch mehr Depotschnee aus Reit im Winkl wird dieses Event im Klimawandel nicht zu bewältigen sein. Der CSU-Stadtrat Mario Schmidberger: „Der Ski-Weltcup wird nicht mehr stattfinden“ (Winter, Sebastian, Slalom im Olympiapark vor dem Aus, in sueddeutsche.de 17.9.2015; Ski-Weltcup steht auf der Kippe, in SZ 17.9.2015; Bovensiepen, Nina, Echter Wagemut geht anders, in SZ 18.9.2015). 

– Parallelslalom parallel zum Skispringen. Nun soll der Parallelslalom am 1.1. nach Garmisch-Partenkirchen: Kurz davor findet dort das Skispringen der Vier-Schanzen-Tournee statt – bzw. Sponsor Audi (DSV-Skifahren) gegen Sponsor Subaru (Skispringen).

– Eliteschulen des Sports doch keine Elite? 43 Eliteschulen des Sports gibt es derzeit in Deutschland, dazu 100 Partnerschulen; 11.500 junge Sportler werden gefördert. „Aber, sagt Arne Güllich, Professor für Sportwissenschaft an der Uni Kaiserslautern, die Eliteschulen sind nicht effektiver als normale“ (Brandau, Bastian, Teuer und ineffizient, in deutschlandfunk.de 27.9.2015). Erfolgreiche Spitzensportler würden erst relativ spät in die Spitzenförderung übernommen – späte Quereinsteiger seien überrepräsentiert. Trotz der gewaltigen Kosten lautet Güllichs Fazit, „dass die Absolventen der Eliteschulen des Sports sich im sportlichen Erfolg nicht unterscheiden von denjenigen von Regelschulen, dass sie aber Beeinträchtigungen in den Abschlüssen beziehungsweise in den nachschulischen Bildungslaufbahnen haben“ (Ebenda). Warum betreibt man diese anscheinend ineffiziente Sport-Sonderschulen dennoch weiter? „Viele Menschen innerhalb des Systems Sport profitieren von den aktuellen Fördermechanismen“ (Ebenda).

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IV: Chancenlose Bewerbung Hamburg 2024

Los Angeles bewirbt sich – neben derzeit Rom, Paris, Budapest und Hamburg – um Olympische Sommerspiele 2024 (siehe unter II). Dazu DOSB-Präsident Alfons Hörmann: „Wir tun gut daran, uns nicht täglich mit unseren Konkurrenten zu befassen“ (DPA, SID, 15:0 für L.A., in SZ 3.9.2015).
Sonst würde selbst den Hamburgern klar, wie aussichtslos die Bewerbung Hamburg 2024 ist.

– Die üblichen olympischen Verdächtigen. Der Aufsichtsrat der Bewerbung Hamburg 2024 besteht aus 14 altgedienten DOSB-Funktionären einschließlich des unvermeidlichen Michael Vesper. Dazu kommen diverse Vertreter der Bürgergesellschaft, da der DOSB immer versucht, möglichst viele Interessen abzudecken und einzubinden: z.B. Katja Karger, Vorsitzende DGB Hamburg; Sylvia Schenk von Transparency International (schwankt immer unentschieden zwischen Kritik am IOC und Mitmachen); Alexander Otto vom Otto Versand – hier eher interessant als Vertreter des Immobilienkonzerns ECE; Alexander Porschke, Grüne, NABU, Ex-Umweltsenator 1997 bis 2001; Hans-Jörg Schmidt-Trenz (Jahresgehalt rund 480.000 Euro), Hauptgeschäftsführer Handelskammer Hamburg, dem wichtigster Promoter für Hamburg 2024 (Seifert, Dirk, Die Olympische Bewerbungsgesellschaft hat (fast) einen Aufsichtsrat, in fairspielen.de 7.9.2015).

– Schanzenfest gegen Hamburg 2024. „Das Stadtteilfest stand in diesem Jahr im Zeichen der Proteste gegen Olympische Spiele in Hamburg. Das Motto der Feier lautete: ‚No 2024 – Antiolympia goes Schanzenfest'“ (Schanzenfest: Protest gegen Olympiapläne, in ndr.de 7.9.2015).

– Endgültige Beratende Äußerung des Rechnungshofes. Gegenüber dem Entwurf „Olympische und Paralympische Spiele in Hamburg – Beratende Äußerung“ vom 17.7.2015 wurde die endgültige Fassung vom 8.9.2015 an einigen Stellen entschärft (zum Text: hier). Einige Beispiele: S. 5, 17.7.: Rahmenbedingungen „stehen in einem erkennbaren Widerstreit“; 8.9.: „müssen in Einklang gebracht werden“. 17.7.: „nicht einmal erste nach DIN 270 definierte Kostenrahmen…“; 8.8.: „überwiegend keine nach DIN 276 definierte…“. S. 6: 17.7.: „… insbesondere im Hinblick auf die Übernahme unbeschränkter Gewährleistung durch die Freie und Hansestadt Hamburg“; 8.9.: fehlt. 17.7., S: 20: „Entscheidung mit erheblichen Risiken behaftet“; 8.9., S. 16: „Entscheidung noch mit erheblichen Risiken behaftet“. Dazu steht bei 8.9., S. 41f eine „Stellungnahme der Verwaltung“, die entsprechend gesundbetet. Beispiel: „Die Verwaltung ist weiter der Auffassung, dass der Gastgeberstadtvertrag für die Spiele 20224 auch hinsichtlich der Verteilung von Haftungsrisiken ein im allgemeinen Rechtsverkehr nicht unüblicher Vertrag sein werde. Um gleiche Bedingungen für die Bieter zu schaffen, sei der Vertragstext für alle Bewerber gleich.“
Alle Bewerber erhalten den gleichen IOC-Knebelvertrag.

– Ruder-WM 2019: Millionenstadt Hamburg verliert gegen 4514 Einwohner. Sport-Innensenator Michael Neumann war extra zur Vergabe der Ruder-WM 2019 nach Chambéry gereist – vergebens. Gewählt wurde Ottensheim bei Linz (Hamburg scheitert mit Bewerbung um Ruder-WM 2019 an Linz, in welt.de 7.92015). Der Weltruderverband Fisa hatte Ottensheim selbst vorgeschlagen. Aus einem ironischen Kommentar von Friedhard Teuffel im Berliner Tagesspiegel: „Es war aber auch wirklich eine äußerst knappe, eine unglückliche Niederlage mit 30 zu 128 Stimmen. (…) Es wäre nun wirklich unfair, daran zu erinnern, dass Hamburg schon die Schwimm-WM 2013 nicht ausrichten konnte und die Universiade 2015 zurückgeben musste“ (Teuffel, Friedhard, Wie Hamburg gegen die Weltmetropole Ottensheim verlor, in tagesspiegel.de 8.9.2015).
Ein Omen für Hamburg 2024?

– NaturFreunde gegen Hamburg 2024. Die Hamburger NaturFreunde haben sich gegen Hamburg 2024 ausgesprochen, genauso wie vorher die Berliner NaturFreunde gegen Berlin 2024. Der Bundesfachbereich der NaturFreunde hat am 13.9.2015 mit großer Mehrheit beschlossen, die Hamburger NaturFreunde in ihrer Ablehnung zu unterstützen.

– Kleiner Grasbrook: Filetstück für Investoren. „Wer hier steht und schaut, bekommt ziemlich viel von dem geliefert, was die Hansestadt atmosphärisch ausmacht. Wer hier steht, bekommt eine beeindruckende Vorstellung davon, dass das, was so schnöde ‚Kleiner Grasbrook‘ heißt, ein Filetstück ist, nach dem sich Investoren, Stadtplaner und Wohnungsbauer die Finger lecken müssten. Auf dieser 45 Hektar großen Elbinsel mit dem atemraubenden Blick soll in neun Jahren das olympische Herz Hamburgs schlagen. Vorn, an der Spitze, ist die Olympiahalle für Turnen und Basketball geplant. Etwas versetzt nach hinten soll die Olympia-Schwimmhalle stehen. Und im Kern dieses spitz zur Elbe hin zulaufenden Areals soll das Olympiastadion gebaut werden; davor, von Süden aus geschaut, das Olympische Dorf. (…) Sollte Hamburg im Herbst 2017 in Lima den Zuschlag für die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele bekommen, wäre der Zeitplan sehr eng. Für die Umsiedlung der Hafenbetriebe und den Neubau des olympischen Kernstückes blieben nur sieben Jahre. Was das alles kosten wird? Weder Politik noch Stadtplaner wollen dazu vor dem Referendum am 29. November konkret werden“ (Heike, Frank, Wo das olympische Herz schlagen soll, in faz.net 14.9.2015).
Zur Erinnerung aus der August-Chronologie – Bernhard Schwank, DOSB, Chef der Bewerbung Hamburg 2024, warb auf der IOC-Session in Kuala Lumpur für Hamburg 2024: “Die Faszination, dass eine Stadt ihr bestes Stück Land, das es hat, für die Spiele anbietet, ist ein starkes Statement” (Schirmer, Andreas, Hamburgs Streben nach mehr Bekanntheit, in welt.de 3.8.2015).

– Von Nebelmaschinen und falschen Rechnungen. Ulf Treger schreibt über Hamburg 2024: „Die olympischen Spiele funktionieren also, trotz des Attraktivitätsverlustes, als eine gut geölte Umverteilung von der öffentlichen in die private Hand. Das erklärt auch das Engagement der Hamburger Wirtschaft, vom großen Immobilienkonzern ECE bis hin zu den Betreiber_innen kleinerer Touristenattraktionen. (…) Die andere, zweite Sicht der Dinge, bestehend aus soliden Fakten und schmerzhaften Nebenwirkungen, wird sich erst im Nachgang des Referendums zeigen. Wenn dann die Nebelmaschinen abgestellt sind, werden sich durch den löchrig gewordenen, wolkigen Haufen aus freundlichen Pastellfarben und geschönten Zahlen zaghaft die ersten hässlichen Vorboten einer zweiten Realität schieben. Einen Ausblick darauf gibt der Sportökonom Wolfgang Maennig, der – als Olympia-Befürworter – das finanzielle Risiko einräumt und mit Blick auf die gesetzliche Schuldenbremse feststellt, dass die Kosten nur durch Umschichtungen im städtischen Etat aufgebracht werden können. Konkret könnte der Versuch, Hamburg auf die globale Karte zu bringen, bittere Konsequenzen für die Bevölkerung haben: Ein Olympiastadion gegen zehn Freibäder, ein olympisches Dorf gegen 10.000 Sozialwohnungen, ein riesiger Sicherheitsapparat zum Schutz der Spiele gegen Investitionen in Daseinsfürsorge, Bildung und Kultur“ (Treger, Ulf, The Game of the Games, in www.akweb.de 15.9.2015).

– „Around The Rings“: Hamburg auf Platz IV. Nach Ed Hula, dem Gründer und Chefredakteur von „Around The Rings“, wird Hamburg unter den fünf Bewerberstädten für 2024 auf Platz vier landen. „Es wird vielleicht eine leistungsfähige und starke Bewerbung im logistischen Bereich. Aber Hamburg wird Probleme haben, die Aufmerksamkeit und Anerkennung zu finden wie Paris oder LA“ (Kreuzer, Heinz Peter, Hamburg muss sich hinten anstellen, in deutschlandfunk.de 15.9.2015).

– Über 10.000 Hamburger unterschrieben? Für das Referendum am 29.11.2015 wird die Bürgerschaft und der Senat jeweils auf acht Seiten die Bewerbung Hamburg 2024 empfehlen. „Eine weitere Stellungnahme muss abgedruckt werden, wenn sich in der Zeit vom 27. August bis zum 16. September 2015 mindestens 10.000 wahlberechtigte Unterstützer finden“ (Gegner sammeln mehr als 10.000 Unterschriften, in spiegelonline 17.9.2015). Die Stellungnahme „Argumente für ein Nein zu Olympia“ wurde bis 7.9.2015 schon von über 4.000 Bürgern unterschrieben. „Auch eine Reihe von Mitarbeiter_innen von Hamburger Behörden, die sich über ihre Vereinnahmung für Olympia durch die Zwangswerbung in den Signaturen ihrer Emails ärgerten, kündigten die Unterstützung der Unterschriftenkampagne an“ (PM neinzuolympia.de 8.9.2015). Am Stichtag 16.9.2015 hatten dann 10.240 HamburgerInnen unterschrieben. Dazu Emma Hansen, Landessprecherin der Grünen Jugend: „Die in der Stellungnahme dargelegten Argumente für ein Nein zu Olympia sind so überzeugend, dass sich der Kreis derjenigen, die sich an der Unterschriftensammlung beteiligten, sehr schnell vergrößerte“ (PM Geschafft! – Mehr als 10.000 Unterschriften für „Argumente für ein NEIN zu Olympia“, in neinzuolympia.de 17.9.2015). – Florian Muhl, Die Linke: „Unsere Stellungnahme formuliert den Anspruch, sich statt der Ablenkung und falschen Prioritätensetzung durch die Olympia-Diskussion mit den wirklichen Problemen dieser Stadt zu beschäftigen“ (Ebenda). Artur Brückmann, AStA Hamburg: „Mit der Veröffentlichung des aktuellen IOC-Gastgeber-Vertrags hat sich unsere grundsätzliche Kritik bestätigt. Der Knebelvertrag enthält weiterhin alle wesentlichen Kritikpunkte wie den kompletten Haftungsausschluss durch das IOC, die Einschränkung von Versammlungsrecht oder die Steuer- und Zollbefreiung für das IOC“ (Ebenda). Der Hamburger Senat prüfte dann bis 6.10., ob die Unterschriften gültig sind.

– Nur 7.674 gültige Stimmen. Eine Nachzählung durch das Hamburger Landeswahlamt ergab am 25.9.2015, dass nur 7.674 gültige Unterschriften übrig blieben – viele Unterzeichner waren in Hamburg nicht wahlberechtigt. Die Welt monierte die Konkurrenz der diversen Gruppen vom Netzwerk „NOlympia Hamburg“ über „Nein zu Olympia“ bis „Stop Olympia“ und dem Verein „Mehr Demokratie“ (Woldin, Philipp, Zu viele konkurrierende Initiativen gegen Olympia? in welt.de 25.9.2015).
Die Frist von drei Wochen, um über 10.000 gültige Stimmen zu sammeln, war zu kurz und von der Pro-Seite sicherlich absichtlich so gewählt.

– „Neuer“ Host City Contract (HCC) für Hamburg. Philipp Woldin stellte dazu in welt.de fest: „Der Verwaltungsrechtler Gerrit Manssen nannte den Münchner Vertrag in einem Rechtsgutachten einen ‚Knebelvertrag‘ und Teile davon ’sittenwidrig‘, der Vertrag verlagere alle Risiken auf die Städte. Nun soll vieles anders werden (Woldin, Philipp, Diese harten Forderungen müsste Hamburg umsetzen, in welt.de 16.9.2015). Woldin erwähnt die Analyse des Landesrechnungshofes und die Frage: „Wer haftet für den ganzen Spaß? Die Antwort: Die Stadt, der DOSB und das lokale Organisationskomitee bleiben weiter für alle Verpflichtungen und Garantien aus dem Gastgebervertrag haftbar (I,§4), das IOC taucht nicht auf. Der Passus gleicht dem Münchner Vertrag“ (Ebenda). Die Gastgeberstadt übernimmt weiter die unbeschränkte Gewährleistung. Die Zuwendungen des IOC an die Austragungsstadt werden nicht genau definiert. Auch die Einladungen müssen vom IOC genehmigt werden: „Will Olaf Scholz im Jahr 2024 Hillary Clinton einladen, muss er sich das von IOC-Funktionären absegnen lassen“ (Ebenda). Der Luftraum muss werbefrei sein, die Steuerbefreiung muss gewährt werden. „Das IOC nennt das zentrale Dokument ‚Prinzipien des Host City Vertrags‘ – liegt hier doch nur ein erster Entwurf und kein endgültiger Vertrag vor?“ (Ebenda). Dazu muss der Ausrichter die modernste Technik  garantieren, ein Olympisches Dorf mit 16.000 Menschen und einen Speisesaal von 11.000 Quadratmetern erstellen (Kern, Oliver, Olympia unter Kontrollzwang, in neues-deutschland.de 18.9.2015). Zum Hamburger Referendum am 29.11.2015 hatte der Landesrechnungshof ja bereits festgestellt, dass die tatsächlichen Kosten nicht realistisch abgeschätzt werden können. Und auch ein endgültiger HCC ist noch nicht bekannt: „Die Bürger wissen bei der Abstimmung gar nicht, was exakt bei einem Zuschlag im Vertrag stehen würde… Eine aktualisierte und damit endgültige Fassung gibt es erst nach den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro“ (Aumüller, Johannes, Trügerische Transparenz, in SZ 17.9.2015).

– Moldauhafen in den Kuhwerder-Hafen. Der tschechische Verkehrsminister Dan Tok war am 21.9.2015 bei Olaf Scholz zu Besuch, der ihm die Verlegung des Moldauhafens in den Kuhwerder-Hafen vorschlug. Der Moldau-Hafen wäre bis 2028 in tschechischer Verfügung; im Fall der Verlegung wurde eine weitere Pachtverlängerung von 50 Jahren über 2028 hinaus versprochen. Über die (sicherlich sehr hohen) Kosten wurde nichts bekannt (Witte, Julia gen. Vedder, Hafenverlegung für Olympia-Pläne, in welt.de 21.9.2015).

– Die Sportausschuss-Reihen fest geschlossen. Am 22.9.2015 tagten die Mitglieder des Sportausschusses des Deutschen Bundestages in Hamburg. Die anwesenden Mitglieder erklärten: „Die Mitglieder des Sportausschusses stehen hinter der Bewerbung Hamburgs um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2024. Die Kandidatur ist eine gesamtdeutsche Aufgabe und große Chance für die Entwicklung des Sports in Deutschland“ (Sportausschuss in Hamburg: Unterstützung für Olympiabewerbung 2024 der Hansestadt, in bundestag.de 22.9.2015).

– Drei Monate deutscher Dauerjubel? Zum (äußerst unwahrscheinlichen) gleichzeitigen Ausrichten der Fußball-EM 2024 und Olympischer Sommerspiele 2024 schrieb Johannes Aumann in sueddeutsche.de: „Die Bundesregierung müsste binnen kürzester Zeit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und Europas Fußballunion (Uefa) Steuerbefreiung und andere Fragwürdigkeiten zugestehen. Auf Kosten des Steuerzahlers müssten viele Milliarden Euro her, um Hamburgs Infrastruktur auf Trab zu bringen, und dann noch einmal viel Geld, um Fußball-Arenen zu modernisieren. Im Sommer 2024 ergäben sich für fast drei Monate am Stück immens steigende Sicherheitsvorkehrungen mitsamt immens steigender Kosten. (…) Die Menschen können sich für ein paar Wochen an einem Ereignis berauschen, sei es Fußball, sei es Olympia. Aber eine dreimonatige schwarz-rot-goldene Dauer-Jubelei ist weder vorstellbar noch wünschenswert. Die Großveranstaltungen würden sich gegenseitig entwerten, wobei den Fußball diese Entwertung weniger beträfe als Olympia“ (Aumüller, Johannes, Sportlicher Stillstand, in sueddeutsche.de 22.9.2015).

– Teurer Hafen-Umzug. Der Umzug der rund tausend Arbeitsplätze vom Kleinen Grasbrook – wohin eigentlich? – kostet laut Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg, bis zu 1,5 Milliarden Euro (Hafenwirtschaft warnt vor teurem Olympia-Umzug, in ndr.de 23.8.2015). Früher war schon in internen Papieren die Summe von sechs bis sieben Milliarden Euro genannt worden. Zur Erinnerung zitierte Bonz im September 2014 aus einem internen Papier: „Es ist aus den damit befassten Dienststellen zu hören, dass die Verlagerung der Flächen zwischen fünf und sieben Milliarden Euro kosten wird“ (Goy, Martina, „Olympia darf nicht schaden“, in Welt am Sonntag 28.9.2014; Hervorhebung WZ).

– „It’s Your Choice“-Tour diesmal mit den Alten. An Hamburger Schulen wird im Herbst vor dem Referendum am 29.11.2015 eine „It’s your Choice“-Tour durchgeführt, diesmal aber – nicht wie üblich – ohne Parteijugend. Kommentar von Yannick Wehr, Sprecher Grüne Jugend Hamburg: „Das jetzige Konzept ist eine Beschränkung der Meinungsfreiheit. Unangenehme Positionen der Jugendorganisationen, insbesondere der Grünen Jugend Hamburg, sollen nicht zu Wort kommen“ (PM Grüne Jugend Hamburg, gruenejugendhamburg.de 26.9.2015). Kommentar von Emma Hansen, Sprecherin Grüne Jugend Hamburg: „Podiumsdiskussionen mit dem Ziel, junge Menschen für Politik zu interessieren funktionieren am besten mit jungen Politiker_innen. Eine unangenehme Position dieser ist absolut kein Grund dieses Ziel über Bord zu werfen“ (Ebenda).

– 50.000 Euro von ECE/Otto. Der unermüdliche Hamburg-2024-Trommler und Immobilienentwickler Alexander Otto (ECE-Konzern) stellte seiner „Feuer-und-Flamme“-Initiative 50.000 Euro für sechs Kunstprojekte zur Verfügung. Eine Anzahl Hamburger Kulturschaffender waren der Einladung gefolgt (Woldin, Philipp, Kulturelle, nachhaltige Spiele? in welt.de 5.10.2015). Im Altonaer Museum hatten 15 von ihnen ganze 90 Sekunden Zeit, um ihr Projekt zu präsentieren (Engler, Katja, Ein Fest der Ideen für Olympia in Hamburg, in abendblatt.de 30.9.2015)..
Dabei sein ist wichtiger als siegen – in 90 Sekunden.

– Deutsche Olympia-„Begeisterung“ wird dem IOC nicht reichen. „Die Begeisterung für Olympische Spiele im eigenen Land hält sich in der deutschen Bevölkerung in Grenzen. Im Rahmen einer Studie des Camp Beckenbauer (einem Treffen von Sportlobbyisten und -funktionäre bei Kitzbühel) gaben nur 43 Prozent der Befragten an, die Ausrichtung des Großereignisses zu befürworten. 28 Prozent sahen sich als Gegner der olympischen Spiele, 29 Prozent waren unentschlossen“ (Studie: Deutsche Olympia-Begeisterung im Vergleich schwach, in zeit.de 30.9.2015). Damit liegt Deutschland bei befragten elf europäischen Ländern und den USA nur auf Platz Zehn.

– Die Linke: Landesrechnungshof ernst nehmen. Der Landesrechnungshof hatte gewarnt, dass bis zum Referendum am 29.11.2015 keine realistische Kostenaufstellung für Hamburg 20254 vorliegen werde. Die versprochenen belastbaren Kostenaufstellungen über die zu investierenden Milliarden Euro sollten bis Ende September 2015 vorliegen. Norbert Hackbusch, haushaltspolitischer Sprecher von Die Linke: „Jetzt soll es irgendwann im Oktober sein. Es bleibt dabei: Der Landesrechnungshof hat recht!“ ( PM Olympia: Warnung des Rechnungshofs lässt sich nicht wegreden! www.linksfraktion-hamburg.de 30.9.2015).

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V: Allgemeine Nachrichten

– BASF verkauft deutsche Gas-Infrastruktur doch an Gazprom. BASF und Gazprom hatten den Deal bereits im Dezember 2013 vereinbart – dann kam die Krim-Annektion und der russische Krieg in der Ostukraine. Das Geschäft wurde gestoppt. Anscheinend sind die Spannungen nun im September 2015 mit Russland beseitigt (?!): Das gesamte Gashandels- und Gasspeichergeschäft geht bis Ende 2015 an Gazprom – mit wirtschaftlicher Rückwirkung zum 1.4.2013. “Die hundertprozentige BASF-Tochter Wintershall erhält demnach den wirtschaftlichen Gegenwert von 25 Prozent plus einen Anteil an zwei Blöcken eines Erdgasfelds in Westsibirien, die gemeinsam von beiden Unternehmen erschlossen werden sollen. (…) Im Gegenzug überträgt Wintershall ihre Beteiligung an dem bisher gemeinsam betriebenen Erdgashandels- und Speichergeschäft an den langjährigen Partner Gazprom” (BASF und Gazprom besiegeln Milliarden-Deal, in spiegelonline 4.9.2025). D.h. der 50-Prozent-Anteil an den Erdgas-Handelsgesellschaften Wingas und dem Wintershall Erdgashandelshaus Berlin (WIEH), die Anteile an der Speichergesellschaft Astora sowie an den deutschen Erdgasspeichern in Rehden und Jemgum geht an Gazprom.
Damit geht fast die gesamte deutsche Gas-Infrastruktur bis in zu den Erdgas-Speichern an Putins Gazprom. Damit ist der deutsche Erdgasmarkt – trotz der Russland-Sanktionen und vermutlich mit Rückendeckung der deutschen Politik – an Gazprom verkauft worden: angesichts der aggressiven russischen Politik ein unverständlicher Vorgang. Die deutsche Erdgas-Infrastruktur gehört nun Putin-Russland, während die BASF sich auf ein fragwürdiges Geschäft zur Erdgasausbeutung in Sibirien eingelassen hat – und dort, wie vor einiger Zeit der BP-Konzern, jederzeit hinauskomplimentiert werden kann.
“Außerdem wird sich Gazprom zu 50 Prozent an der Wintershall Nordzee beteiligen, die in der südlichen Nordsee vor den niederländischen, britischen u