Dopingverdacht ohne Konsequenzen
Der amerikanische Radrennfahrer Lance Armstrong gewann die Tour de France sieben Mal: in den Jahren 1999 bis 2005. Die Prämien stiegen entsprechend einer Aufstellung der amerikanischen Antri-Doping-Agentur Usada: Nach dem zweiten Sieg im Jahr 2000 vereinbarte Armstrong mit dem Management des US-Postal-Teams, dass er im Fall seines Sieges 2001 eine Million Dollar, 2002 1,5 Millionen Dollar, 2003 drei Millionen Dollar und zehn Millionen Dollar im Jahr 2004 erhalten wird (spiegelonline 5.11.2012).
Seit 2001 stand Armstrong, unter Dopingverdacht. “Die französische Sporttageszeitung L’Équipe hatte im August 2005 berichtet, dass in sechs 1999 entnommenen Urinproben Epo gefunden wurde. Diese Proben konnten zweifelsfrei Armstrong zugeordnet werden, der 1999 zum ersten Mal die Tour de France gewann” (SZ 20.7.2011). Nach dem Bericht in L’Équipe musste die Chefredaktion gehen: Den Eigentümern von L’Èquipe gehört schließlich auch die Tour de France (Burkert 11.5.2009).
Im Mai 2011 wurde bekannt, dass Armstrong inzwischen von vier ehemaligen Teamkollegen des Epo-Dopings vor einer amerikanischen Grand Jury bezichtigt wird. Eine positive Dopingprobe von ihm wurde bei der Tour de Suisse 2001 durch das vom IOC akkreditierte Lausanner Labor LAD (Laboratoire suisse d’analyse du dopage) festgestellt. Daraufhin trafen sich Vertreter des Radsportverbandes UCI mit Armstrong und seinem Teamkollegen Johan Bruyneel sowie angeblich sogar dem Laborchef. Der Leiter des Lausanner IOC-Labors, Martin Saugy, räumte dann sogar im März 2011 ein, er habe sich mit Armstrong und dessem Teamchef Johan Bruyneel getroffen und ihnen “erklärt, wie der Epo-Test funktioniert” (Burkert 16.6.2012).
Eine positive Probe aus dem Jahr 2001 wurde gegen Zahlung von 25.000 und 100.000 Dollar von der UCI vertuscht. Die UCI gab für die erste Zahlung das Jahr 2002 an, für die zweite Zahlung machte sie widersprüchliche Angaben (Burkert, Kistner 7.8.2010). Pikanterweise sagte er dazu: “Ich tue es – um den Kampf gegen Doping zu fördern” (Kistner 28.5.2010). Die Dopingprobe war nun kein Thema mehr: UCI legte dem Labor nahe, den Fall Armstrong nicht weiterzuverfolgen (Burkert, Kistner 24.5.2011; Kistner 24.5.2011; SZ 28.5.2011).
“Der UCI stand damals der zwielichtige Sportfunktionär Hein Verbruggen vor, ein Niederländer, der viele Jahre IOC-Mitglied gewesen ist und als UCI-Ehrenpräsident weiterhin als Strippenzieher auch des Radsports gilt” (Burkert 21.5.2010) Gleichzeitig legte der Radrennfahrer Floyd Landis ein Dopinggeständnis ab und belastete Armstong schwer (Ebenda). Auch der frühere Teamkollege Tyler Hamilton bezichtigte Armstrong im Mai 2011 des Epo-Dopings (SZ 21.5.2011). Hamilton gab im Mai 2011 wegen der Dopingvorwürfe seine Olympische Goldmedaille zurück (Burkert 23.5.2011).
Die Causa Armstrong zeigt die Farce, wie Doping verschleiert wird – bis hin zum Internationalen Radsportverein UCI. Der Armstrong-Kritiker und dreimalige Tour-Gewinner Greg LeMond sagte dazu im Juli 2010: “Wenn das keine Korruption ist, was sonst? Schweigen, zahlen -. es ist fast wie bei der Mafia” (Burkert 17.7.2010). Und Richard Pound sagte hierzu: “Es ist an der Zeit, dass die Wada sagt: ‘Dieser Sport erfüllt nicht die Ansprüche unseres Kodex’” (Winterfeldt 21.5.2011). Das Budget der Wada (World Anti-Doping Agency) kommt übrigens zur Hälfte aus Zuwendungen der Regierungen ihrer Mitgliedsländer: Das IOC trägt dann dieselbe Summe bei (Hofmann 28.7.2012).
Radsport-Kollege Tyler Hamilton äußerte Anfang 2012 über Armstrong: “Er nahm, was wir alle nahmen, die Mehrheit des Peletons. Da war Epo, Testosteron, eine Bluttransfusion” (Aumüller SZ 6.2.2012).
Im Februar 2012 stellte die Staatsanwaltschaft in Los Angeles ohne Angaben von Gründen die Ermittlungen gegen Amstrong ein. Doping im Sport ist in den USA nicht strafbar. So hatte die Staatsanwaltschaft wegen Betrug und Missbrauchs von Steuergeldern gegen Armstrong ermittelt, da dessen Team als Hauptsponsor die amerikanische Post hatte, die zwischen 2001 und 2004 rund 32 Millionen Dollar investierte und sich vertraglich zusichern hatte lassen, dass die Radprofis sauberen Sport betreiben würden (Ebenda).
Der Bundesanwalt Andre Birotte beendete im Alleingang das Verfahren gegen Armstrong, obwohl die Staatsanwaltschaft Klageerhebung in mindestens vier Punkten empfahl: Birotte verweigerte jede Erklärung zu seiner umstrittenen Einstellung des Verfahrens. “Von 1999 bis 2001 praktizierte er in einer Kanzlei, die unter ihren Kunden den Sportkonzern Nike führt, der auch Armstrong ausrüstet” (Kistner 18.2.2012). – „Als Amerika Armstrongs letzte Tour-Siege feierte, arbeitete Birotte als Rad-Fitnesscoach in einem Center in Hollywood“ (Kistner 31.12.2012).
Einen anderen Grund nannte die amerikanische Publizistin Selena Roberts: Armstrong habe 100.000 Dollar an die Demokraten gespendet und damit „den Ex-Präsidenten Bill Clinton bewogen, Einfluss auf einen Staatsanwalt zu nehmen, um Ermittlungen gegen Armstrong einzustellen“ (SZ 25.10.2012).
Usada wird aktiv
Im Juni 2012 verklagte die amerikanische Anti-Doping-Agentur (Usada) Armstrong auf Doping: Sie stützte sich auf mehr als zehn nicht namentlich benannte Zeugenaussagen. Armstrong wurde sofort für alle Wettkämpfe gesperrt. “Ins Zwielicht gerät auch der Radsportweltverband UCI: Laut der Usada soll eine Urinprobe aus der Tour des Suisse 2001 Armstrong des Epo-Dopings überführt haben… Das Testergebnis sei aber vertuscht worden” (spiegelonline 15.6.2012; siehe auch oben).
Mehr als 500 Dopingtests will Armstrong absolviert haben: Thomas Kistner kam auf 29 Kontrollen im Bereich der Usada und 63 Kontrollen bei der Tour de France: Das macht 92 Tests und keine 500. Und Armstrongs Behauptung der “negativen Tests” stimmt auch nicht: Von der Tour de France 1999 sind sechs positive Epo-Proben vorhanden (Kistner 9.7.2012).
Anklage wurde auch erhoben gegen die Sport-”Ärzte” Pedro Celaya, Luis del Moral, Michele Ferrari und den Coach Pepe Marti. Die Anklage der Usada könnte “das ohnehin stark poröse Sportler-Denkmal Armstrong endgültig zum Einsturz bringen, ihn nachträglich seine sieben Tour-Siege kosten und sicher auch viel Geld” (Burkert, Kistner 15.6.2012). Dazu wurde Mitte Juni 2012 bekannt, dass Lance Armstrong noch im Jahr 2006 die Summe von 465.000 Dollar an den Dopingarzt Michele Ferrari überwiesen hat (Burkert 18.6.2012). Ferrari, del Moral und Marti wurden wegen Doping-Manipulationen lebenslänglich von Funktionen im Radsport ausgeschlossen (spiegelonline 10.7.2012).
Del Moral betreute auch die Fußball-Spitzenclubs FC Barcelona (in der Saison 2003/4) und FC Valencia, und der mehrfach verurteilte Blutdoping-Arzt Eufemiano Fuentes betreute unter anderem Real Madrid und FC Barcelona (Kistner 12.7.2012). Die französische Zeitschrift Le Monde hatte darüber berichtet und die Medikationspläne von Fuentes publiziert: Sie wurde mit Gerichtsprozessen in Barcelona und Madrid überzogen (Ebenda). Thomas Kistner sieht deshalb Spaniens Spitzensport im Doping-Rampenlicht: Denn Spaniens Spitzensportler beherrschen seit einem knappen Jahrzehnt Fußball, Tennis, Leichtathletik und Radrennen.
Lance Armstrong gab im August 2012 auf: Ein Gericht in seiner Heimatstadt Austin erklärte die Ermittlungen der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada für rechtens. Armstrong hat zwischen 1999 und 2005 siebenmal die Tour-de-France gewonnen und bekam im Oktoberr 2012 diese Titel endgültig aberkannt. Ob der dreimalige Tour-Zweite, der deutsche Doper Jan Ullrich, damit die drei Titel erhält, scheint unwahrscheinlich (spiegelonline 24.8.2012).
Das Denkmal wankt
Der ehemalige Teamkollege von Armstrong, Tyler Hamilton, hat im Sommer 2012 das Enthüllungsbuch “The Secret Race” veröffentlicht, in dem Hamilton auch die Rolle von Armstrong thematisiert: “Lance steuerte das System – Hölle, Lance war das System” (Kistner 6.9.2012). Armstrong war beim Dopen “allen anderen zwei Jahre voraus”. Hamilton äußerte zu den unzähligen negativen Dopingtests bei sich, bei Armstrong und anderen: “Unsere Ärzte waren besser alls die Fahnder” (Ebenda).
Die Zusammenarbeit mit dem “Dottore Epo” Michele Ferrari belegte dessen Info an Armstrong: “Das Restaurant ist 167 Kilometer entfernt” – im Klartext: “Triff mich im Zimmer 167 für deine nächste Bluttransfusion” (Ebenda).
Auch der Radprofi Jan Ullrich hatte stets Verbindungen zu Fuentes bestritten. Er wurde vom Heidelberger Dopingexperten Werner Franke angezeigt, der über Belege von 20 Flügen Ullrichs nach Madrid verfügte: Dort wurde von Fuentes Blut abgezapft und reinfundiert. Die deutsche Nationale Anti-Doping-Agentur war laut Franke nie am Thema interessiert: “… die hat nichts gegen Ullrich unternommen” (Ludwig 27.8.2012).
Thomas Kistner stellte erneut im September 2012 in Zusammenhang mit der spanischen “generacíon de oro” (Generation Gold) die Frage nach den Gründen für die erstaunlichen sportlichen Erfolge der Spanier in verschiedenen Disziplinen zu dieser Zeit: “Überhaupt, seit Jahren verweigert Spanien die Herausgabe brisanter Ermittlungspapiere zur Tätigkeit von Fuentes & Co bei Rad-, Fußball– und anderen Profisportarten an die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada” (Kistner 7.9.2012).
Armstrong hatte eine enge Verbindung zum damaligen Präsidenten des Weltradsportverbandes UCI, Hein Verbruggen, der Armstrong bis zuletzt deckte und, wie erwähnt, einen Epo-Nachweis gegen Zahlung einer “Spende” von 125.000 Dollar an UCI entschärfte. Im übrigen wird Armstrong ein Problem mit seinen damaligen Sponsoren bekommen: “Nicht nur die US-Versicherungsagentur wird eine Millionenklage erheben” (Kistner 15.9.2012); siehe auch unten.
Verbruggen war von 1991 bis 2005 Präsident der UCI und lancierte seinen Nachfolger, Pat McQuaid, “den er ins Amt boxte” (Ebenda). Verbruggen ist heute Präsident von SportAccord (vorher GAIFS, General Association of international Sports Federation): der Vereinigung von 105 Internationalen Sportverbänden mit Sitz in Lausanne (Wikipedia). Diesen Vorsitz übernahm er 2004 vom Südkoreaner Un-Yong Kim, der durch seine Verurteilung wegen Korruption nicht mehr kandidieren konnte und auch das IOC verlassen musste. Verbruggen war von 1996 bis 2008 IOC-Mitglied und ist seither Ehrenmitglied; er war Vorsitzender der IOC-Koordinierungskommission für die Sommerspiele 2008 in Peking (focus.de 27.4.2007).
Verbruggen-Nachfolger beim UCI, Pat McQuaid ist ein ehemaliger irischer Radrennfahrer und seit 2010 IOC-Mitglied. McQuaid möchte eine Generalamnestie für geständige Doper, die Armstrong-Zeit ausblenden und zur “schwarzen Ära” erklären: aber bloß nichts aufarbeiten (Kistner 15.9.2012).
Die amerikanische Anti-Doping-Agentur greift durch
Der Radrennfahrer Lance Armstrong gewann neben vielen anderen Titeln siebenmal die Tour de France und 2000 eine olympische Bronzemedaille.
Am 10. Oktober 2012 stellte die amerikanische Anti-Dopingagentur Usada 202 Seiten ihres Berichtes zum Fall des Radrennfahrers Lance Armstrong in das Internet, dazu 800 Seiten Material. 26 Zeugen hatten unter Eid ausgesagt, davon 15 Radrennfahrer.
System-Doping
Das Dopingsystem Armstrong war hoch effizient und kriminell. Am deprimierendsten:
– Schon 1999, beim ersten seiner sieben Siege bei der Tour de France, war Armstrong gedopt.
– Armstrongs Teamkollegen wurden gezwungen, ebenfalls zu dopen. Besonders tragisch ist der Fall des damals 24 Jahre alten Radprofis David Zabriskie: “Sein Vater hatte sich mit Drogen bis zum Tod selbst zerstört; er wollte deshalb niemals dopen. Teamchef Johan Bruyneel habe ihm 2003 versichert: ‘Jeder tut es’” (Burkert 11.10.2012).
– Der frühere Teamkollege und Mit-Doper von Armstrong, Matt White, schrieb in einer Mitteilung: “Es macht mich traurig zu bekennen, dass ich Teil einer Mannschaft war, in der Doping Bestandteil der Teamstrategie war” (spiegelonline 13.10.2012). White entschuldigte sich am 12.10.2012 auch bei früheren Gegnern, die bewusst auf Doping verzichtet haben.
Das sollten sich einmal all jene Verirrte vor Augen halten, die für eine Freigabe der Dopingmittel plädieren: Dann würde und müsste jeder an der Nadel (oder am Gentropf) hängen, der beim Profisport mithalten will.
– “Die Hinweise auf noch so viele Dopingproben bei Sportveranstaltungen sind angesichts des Falles kaum den Strom wert, mit dem sie über das Internet verschickt werden. Im Bericht finden sich Angaben, wie die Fahrer die Tests umgingen: Die Fahrer gaben an, sie seien zu Vorsichtsmaßnahmen aufgefordert worden. In den ersten Jahren habe es zum Teil schon genügt, den Kontrolleuren einfach die Wohnungstür nicht zu öffnen. Später hätten die Teamchefs um Bruyneel stets im Voraus erfahren, wann ein Test anstand” (Hummel 11.10.2012
– Die Dopingärzte Michele Ferrari, Luis García del Moral, Eufemiano Fuentes u. a. sorgten durch ihre Dopingmethoden dafür, dass ein Nichtdopender keine Chance im Radsport hatte. Übrigens trennte sich im Oktober 2012 das Sky-Team des britischen Goldmedaillengewinners von London 2012, Bradley Wiggins, vom Teamarzt Geert Leinders: Ein früherer Radfahrer des Teams Rabobank hatte ausgesagt, dass Leinders ihn von 2002 bis 2004 beim Doping unterstützt habe (Burkert 11.10.2012).
– Das US Postal Team von Armstrong verbrauchte Millionen Dollar aus Steuergeldern. Der Staatskonzern US Post ist inzwischen mit einer zweistelligen Milliardensumme verschuldet und stand mehrmals kurz vor der Insolvenz. Im Fall Armstrong läuft eine Untersuchung des Justizministeriums wegen Veruntreuung von öffentlichen Geldern (Rilke 22.10.2012).
– Ein “Motoman” brachte die Dopingmittel und Blutbeutel zu dem Postal-Team. Die Spritzen wurden in Cola-Dosen “entsorgt”. Armstrongs Teamchef Johan Bruyneel wusste stets, wie erwähnt, wann die Kontrolleure der UCI kamen (Burkert 13.10.2012).
– Der frühere Radprofi Frankie Andreu, sieben Jahre von Armstrong bekämpft, äußerte: “Die Rennfahrer mussten ständig zwei Jobs erledigen: erstens Rennen fahren und zweitens ihr Doping handhaben” (Der Spiegel 42/15.10.2012).
– Armstrongs Radkollege Tyler Hamilton berichtete über das Team US Postal am 28.9.2012: “Während der Transfusion war Lance von unserem Zimmer aus zu sehen… Dr. del Moral lief zwischen den Zimmern hin und her, um die Infusionen zu kontrollieren. Die Blutbeutel hingen an Haken für Bilderrahmen oder waren mit Klebeband an der Wand fixiert. Wir lagen auf Betten, das gekühlte Blut floss in unsere Körper, wir zitterten. Kevin, Lance und ich machten Witze darüber, wessen Körper das Blut wohl am schnellsten aufnehmen würde” (Ebenda).
– So aktiv die Usada war, so passiv verhielt sich die amerikanische Justiz.
– Der Internationale Radsport-Weltverband UCI deckte über Jahre Armstrongs Dopingsystem. Eine positive Probe aus dem Jahr 2001 wurde gegen Zahlung von 125.000 Dollar von der UCI vertuscht.
– Der Vorsitzende der World-Anti-Doping-Agency Wada, Richard Pound, hält es für nicht glaubwürdig, dass die UCI-Funktionäre von Armstrongs Doping-System keine Kenntnis hatten. Pound hat dort über Jahre reklamiert, dass in den Stunden vor dem Rennen keine Doping-Kontrollen durchgeführt wurden, sodass maskierende Substanzen eingenommen werden konnten. “Ich hatte dies über Jahre bei der UCI reklamiert… Man fragt sich, ob das System nicht bewusst so angelegt wurde, dass es nicht erfolgreich sein konnte” (spiegelonline 14.10.2012).
Zum Statement von Usada-CEO Travis Tygart: hier
Kleine Aufstellung der gedopten Tourgewinner 1999 bis 2005:
(Quelle: DAPD, Doper auf dem Podium, in SZ 23.10.2012)
1999: 1. Lance Armstrong (lebenslange Dopingsperre), 2. Alex Zülle (Dopingsperre Festina-Skandal), 3. Fernando Escartin (Kunde des Doping-Arztes Michele Ferrari)
2000: 1. Lance Armstrong, 2. Jan Ullrich (6 Monate Dopingsperre wegen Amphetamin-Missbrauch, 2 Jahre Dopingsperre als Kunde von Dopingarzt Eufemiano Fuentes), 3. Joseba Beloki (Kunde von Fuentes)
2001: 1. Lance Armstrong, 2. Jan Ullrich, 3. Joseba Beloki
2002: 1. Lance Armstrong, 2. Joseba Beloki, 3. Raimondas Rumsas (einjährige Sperre wegen Epo-Doping)
2003: 1. Lance Armstrong, 2. Jan Ullrich, 3. Alexander Winokurow (2 Jahre Dopingsperre wegen Fremdblutdoping; olympische Goldmedaille in London 2012!)
2004: 1. Lance Armstrong, 2. Andreas Klöden (Verwicklung in Telekom-Skandal), 3. Ivan Basso (2 Jahre Dopingsperre im Fuentes-Skandal)
2005: 1. Lance Armstrong, 2. Ivan Basso, 3. Jan Ullrich
Konsequenzen aus dem Fall Armstrong
– Die bayerische Justizministerin Beate Merk erneuerte ihre Bemühungen, eine Gesetzesänderung zu erreichen: “Der Fall zeigt deutlich: Die richtige Handhabe, um die Szene zu knacken, ist eine Kronzeugenregelung – kombiniert mit der Strafbarkeit des dopenden Sportlers selbst ab dem Besitz des ersten Milligramms”(SZ 13.10.2012). Bisher wurden ihre Bemühungen vom Bundesinnenministerium und vom DOSB abgeblockt.
– Der deutsche Dopingexperte Werner Franke sagte in Zusammenhang mit den Ermittlungen der amerikanischen Anti-Doping-Behörde Usada im Fall Armstrong: “Deutschland ist ein sehr scheinheiliges Land. Es gibt hier nie große Fälle” (SZ 16.10.2012).
– Die Gegner dieser Verschärfung sind bekannt: “Bisher wehren sich in Berlin allerdings CDU/CSU und FDP sowie der Deutsche Olympische Sportbund gegen ein schärferes Anti-Doping-Gesetz” (Ebenda; Hervorhebung WZ).
– Der langjährige Teamchef von Armstrong, Johan Bruyneel, wurde vom Rennstall Radio-Shack entlassen: Er wurde 129 mal im Usada-Report erwähnt.
– Bruyneel wird von der Usada im November 2012 der Prozess gemacht: Die Usada will Armstrong unter Eid aussagen lassen (Kistner 13.10.2012).
– Der amerikanische Versicherungskonzern SCA verlangte Ende Oktober 2012 zwölf Millionen US-Dollar von Armstrong zurück (spiegelonline 31.10.2012; spiegelonline 8.2.2013). “SCA hatte Armstrongs Tour-Siegprämien für 2002 bis 2004 wegen Dopings nicht zahlen wollen, verlor dann aber in einem Schiedsverfahren gegen ihn und musste 7,5 Millionen Dollar zahlen” (Rilke 22.10.2012): Daraus könnte sich ein Meineidverfahren entwickeln.
– Wegen Dopings seit 10.10.2012 gesperrt sind die geständigen Radrennfahrer Levi Leipheimer, George Hincapie, Christian Vandevelde, David Zabriskie, Tom Danielson, Michael Barry. Dopingeingeständnis und beendete Karriere: Tyler Hamilton, Floyd Landis, Frankie Andreu, John Vaughters, Stephen Swart (SZ 12.10.2012).
– UCI-Rücktritte gefordert: Der Rücktritt des langjährigen UCI-Präsidenten Hein Verbruggen (1991-2005) als UCI-Ehrenpräsident wurde von Garmin-Profi David Millar gefordert: “Er war der Kopf der Organisation mit dem größten Doping-Problem in der Geschichte des Sports” (Burkert 15.10.2012). Der luxemburgische Radverbandschef Jean Regenwetter forderte den Rücktritt des UCI-Präsidenten Pat McQuaid. Der Partner der Rabobank und Vorsitzender von Skins, Jaimie Fuller, forderte die UCI-Spitze auf, Position zu beziehen oder zurückzutreten (SZ 19.10.2012). Der frühere Wada-Chef Richard Pound äußerte zum Verhalten des IOC bezüglich der UCI: “Meine Vermutung ist aber, dass in einem Wahljahr (2013 wird ein neuer IOC-Präsident gewählt) viele Führungsleute oder Anwärter noch mehr als sonst zögern werden, hier eine starke Position zu vertreten” (Kistner 19.10.2012).
Vor allem, wenn der neue IOC-Präsident aus Deutschland kommen sollte: Der DOSB bügelt seit Jahren mit dem Verweis auf das “Arzneimittelgesetz” jede schärfere Dopingkontrolle ab. Siehe die Bemühungen von Beate Merk oben.
– Armstrongs Krebsstiftung “Livestrong” soll rund 300 Millionen Dollar eingenommen haben: Damit wurde keine Krebsforschung gefördert, sondern vor allem “das wohltätige Profil des Stiftungschefs… Kam Armstrong unter Druck, richteten seine Helfer oder die Stiftung selbst das Augenmerk aufs Krebs-Thema” (Kistner 16.10.2012).
– Armstrong trat Mitte Oktober 2012 als Vorsitzender von “Livestrong” zurück.
– Armstrong verweigerte im Februar 2013 die Rückzahlung von rund vier Millionen Dollar für seine sieben Tour-Siege (spiegelonline 5.2.2013).
Ausstieg der Armstrong-Sponsoren
– Zunächst blieb Nike Armstrong treu: “Nike teilte mit, man werde die Zusammenarbeit mit Lance Armstrong und dessen Krebs-Stiftung fortsetzen” (Aumüller 12.10.2012). Dann kündigte der Sportkonzern doch die Zusammenarbeit, ebenso der Fahrradhersteller Trek, die Brauerei Anheuser-Busch, die Fitness-Kette “24 Hour Fitness”, das Energy-Drink-Unternehmen FRS und der Sportnahrungshersteller Honey Stinger (SZ 19.10.2012; spiegelonline 18.10.2012).
– Die niederländische Rabobank unterstützte bisher den Rennstall “Team Rabobank” und brachte 15 Millionen Euro für Spitzen- und Breitensport auf. Nach einem Dopingskandal beim Team Rabobank im Jahr 2007 wurde die gesamte Leitung ausgetauscht: “Man setzte auf junge Fahrer und unbelastetes Personal. Doch die Betrugsmentalität pflanzt sich offensichtlich fort wie das resistenteste Unkraut” (Burkert 20.10.2012). Am 18.10.2012 wurde der Rabobank-Fahrer Carlos Barredo wegen Auffälligkeiten im Blutprofil gesperrt. Die Rabobank zieht sich nun nach 17 Jahren Unterstützung aus dem Radsport zurück und nannte als Begründung das fehlende Vertrauen in Gegenwart und Zukunft des Radsports. Sie will künftig nicht mehr den Spitzen-, sondern nur noch den Breitensport fördern (Ebenda). Der Vorsitzende Bert Bruggink sagte im Herbst 2012: „Wir sind nicht mehr überzeugt, dass der Profiradsport zu einem sauberen und fairen Sport werden kann“ (spiegelonline 28.1.2013).
Armstrong soll bisher pro Jahr durch Sponsoren rund 17,5 Millionen Dollar (13,4 Millionen Euro) eingenommen haben, dazu Millionen durch Vorträge. Sein Vermögen wird von der „New York Daily Post“ auf über 100 Millionen Dollar geschätzt (Rilke 22.10.2012).
Ausstieg der UCI
Am 22.10.2012 kam der Weltradverband UCI nicht mehr darum herum, Armstrong die sieben Tourtitel abzuerkennen. Der umstrittene UCI-Präsident Pat McQuaid lehnte einen Rücktritt ab und sagte: “Der Radsport hat eine Zukunft… Natürlich kann man in der Rückschau immer sagen, man hätte mehr tun können. Aber man kann nur so viel tun, wie das System, das in Kraft ist, zulässt” (spiegelonline 22.10.2012; Hervorhebung WZ).
Am 13.7.2012 hatte McQuaid von der Usada das gesamte Material angefordert und schrieb: „Die UCI möchte, dass der gesamte Fall mit all seinen Beweisen an eine unabhängige Jury geht, die dann entscheidet, ob die Befragten sich verantworten müssen“ (Paul 22.10.2012).
Hein Verbruggen war UCI-Präsident (1991-2005) und IOC-Mitglied (1996-2005) und ist nach wie vor IOC-Ehrenmitglied (seit 2008) und UCI-Ehrenpräsident; Pat McQuaid ist IOC-Mitglied (seit 2010).
Vergleiche zu Lance Armstrong auch im Kritischen Olympischen Lexikon: Doping
Thomas Kistner schrieb in der SZ: „Armstrongs Fall offenbart ja, über den Dopingexzess hinaus, erstmals das Gesamtpaket: Politik, Sport Sponsoren, Kriminalität von Drogenbeschaffung über -transport bis zum Steuerbetrug“ (Kistner 27.10.2012).
Nach dem Dopingskandal um Lance Armstrong kommentierte Hajo Seppelt vom WDR in den Tagesthemen am 22.10.2012 selbstkritisch:
“Die Tour de France ist eines der größten Sportereignisse der Welt. Viele Jahre haben wir vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen etliche Millionen Ihrer Gebührengelder in dieses dreiwöchige Spektakel investiert, die schier übermenschlichen Leistungen bewundert, die Fahrer oft mit naiver Freude verehrt. Viele andere Medien machten das kaum anders.
Aber was haben wir Ihnen da eigentlich geboten? Den größten Sportbetrug aller Zeiten, stundenlang und live. Das gibt jetzt der Weltradsportverband offen zu. Ihre Gebührengelder, auch wenn es natürlich keiner so beabsichtigt hatte, sind letztlich indirekt in ein kriminelles System von Doping und Korruption geflossen, denn die immensen TV-Gelder und die lange Sponsorenpräsenz auf dem Bildschirm sicherten der verlogenen Branche hohen Profit.
Jetzt aber wird mal wieder suggieriert, es sei nur der ruchlose Einzeltäter gewesen, also der Bösewicht Armstrong. Alles Quatsch. Doping ist ein Systemproblem des Spitzensports, beileibe nicht nur des Radsports…
Es ist die Lebenslüge des kommerzialisierten Sports, Ethos und Moral zu predigen und von einer Vorbildfunktion zu sprechen…” (Hervorhebung WZ)
Nachtrag 1: Armstrong und Sarkozy
Thomas Kistner beschrieb in der SZ die möglichen Kooperationen zwischen Lance Armstrong und dem damaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy (Kistner 20.11.2012).
Das Pariser Dopinglabor AFLD mit seinem Leiter Pierre Bordry hatte 2008 die Dopingtests bei der Tour de France gemacht und hart durchgegriffen, ebenso wie der damalige Tour-Leiter Patrice Clerc.
Armstrong plante sein Tour-Comeback und konnte rigide Dopingtests nicht brauchen. Deshalb frühstückte er mit Johan Bruyneel im Frühjahr 2010 mit Sarkozy im Elysée. Bordry berichtete nun, Armstrong habe ihm stolz erzählt, „er habe beim Präsidenten meinen Kopf gefordert“ (Ebenda). Bruyneel mailte danach an UCI-Präsident Pat McQuaid, dass man sich bald nicht mehr über Bordry ärgern müsse.
Das Budget von AFLD wurde im Juli 2010 halbiert, Bordry trat frustriert zurück. Patrice Clerc wurde von Aso rausgeworfen. Armstrong twitterte im Oktober 2010 zu Bordrys Rücktritt: „Au revoir, Pierre“ (Ebenda). „Offenbar machte Bordry eine Allianz aus Regierung, UCI und Tour-Veranstalter Aso den Garaus. Nach dem Comeback des schmutzigen Superstars wurde das Labor entmachtet und die Test-Regie in die bewährten Hände der UCI gelegt“ (Ebenda).
2010 wurde Armstrong dann wie gehabt vor Tests gewarnt und vor Kontrollen unbeaufsichtigt gelassen.
Nachtrag 2: Die Armstrong-Winfrey-Show
Da alle Medien voll mit dem Strategie-Auftritt von Lance Armstrong bei Oprah Winfrey waren, hier nur kurz einige Ungereimtheiten.
Vorgeplänkel
– Der Weltradsportverband UCI ist „noch nicht einmal den 2005 veröffentlichten, wissenschaftlich belastbaren Positivtests von Armstrong auf Epo aus Nachkontrollen der Tour 1999 nachgegangen“ (Burkert 10.1.2013).
– „2004, das berichtet nun Tygart (Usada-Chef) im Sender CBS, habe ein Vertreter Armstrongs der Usada eine Spende über 250.000 Dollar angeboten“ (Ebenda).
– „Eine Hand wäscht die andere. Armstrong braucht eine Bühne, Winfrey braucht Quoten. Gemeinsam verklären sie Dopingbetrug zum Hollywood-Drehbuch – Happy End inklusive“ (spiegelonline 16.1.2013).
– „An ihrer (Winfreys) TV-Produktion ist Discovery Channel beteiligt. Der Privatsender war von 2005 bis 2007 Armstrongs Team- und Namenssponsor“ (Ebenda).
– Tygart beschuldigte in CBS den Leiter des Doping-Labors in Lausanne, Martinal Saugy, der Beihilfe für Armstrong: Saugy sei von der UCI angewiesen worden, „Armstrong und dessen US-Postal-Manager Bruyneel das Nachweisverfahren für Epo zu offenbaren“ (Kistner 11.1.2013). Johan Bruyneel war der engste Begleiter Armstrongs und war Manager des US Postal Team. „Erst nachdem der Texaner von seinen früheren Teamkollegen Tyler Hamilton und Floyd Landis schwer belastet und daraufhin im Oktober 2012 überführt wurde, trennte sich auch der Rennstall RadioShak-Nissan von Bruyneel“ (Ahrens 18.1.2013; Wikipedia).
– Armstrong arbeitete finanziell mit Thomas Weisel aus San Francisco zusammen, „Zentralfigur der nach dem Pharmakonzern Amgen benannten Kalifornien-Rundfahrt“ (Kistner 16.1.2013). Das passt: Amgen ist „Großproduzent des Blutverdickungs- und Blutdopingmittels Epo“ (Kistner 18.1.2013; Hervorhebung WZ).
– Weisel war auch Geldgeber von Armstrongs früherem Team US Postal. „Laut dem ‚Wall Street Journal’ soll Weisel Gelddepots Verbruggens in seiner Investmentbank verwaltet haben“ (Armstrong muss Olympiamedaille abgeben, in spiegelonline 17.1.2013; Verbruggen war bis 2005 UCI-Präsident und ist seit 1996 IOC-Mitglied).
– UCI-Ehrenvorsitzender Verbruggen war als IOC-Mitglied „ein glühender Gefolgsmann des korruptionsumtosten IOC-Chefs Juan A. Samaranch. Gut steht er auch mit dessen Nachfolger Jacques Rogge“ (Kistner 18.1.2013).
– Kathy LeMond, Frau des Ex-Radrennfahrers Greg LeMond, „bezeugte 2006 unter Eid, ein Postal-Mechaniker habe ihr berichtet, Weisel und andere hätten eine halbe Million Dollar auf ein Konto Verbruggens in die Schweiz überwiesen. Das Geld soll zur Vertuschung eines Cortison-Befundes geflossen sein, den Armstrong beim ersten Tour-Sieg 1999 hatte – und der dann aufgrund eines nachgereichten Attests getilgt worden war“ (Kistner 18.1.2013).
– Dopingexperte Prof. Werner Franke: „Ich vermute, dass Armstrongs Anwälte mit den Parteien, die er beschissen hat, vor seiner vermeintlichen TV-Beichte umfassende Verhandlungen geführt haben. Nach dem Motto: Ihr kriegt euer Geld zurück, aber lasst mich in Ruhe… Für ihn ist es doch das Wichtigste, dass er nicht vor einer Grand Jury aussagen muss. Dort könnte er Dinge gefragt werden, die bis jetzt noch gar nicht bekannt sind. Wenn Armstrong also vor einer Grand Jury aussagen müsste und lügen würde, würde er in den Knast wandern… Im Radsport ist die nächste Spirale des Dopings schon im vollen Gang“ (Bierschwale 15.1.2013).
Die Vorbereitung
– Eventuelle Zahlungen u. a.: Die Versicherungsgesellschaft SCA Promotions verlangt rund 9,2 Millionen Euro; UCI verlangt mehr als drei Millionen Euro Preisgelder; die britische Zeitung Sunday Times will rund 1,2 Millionen Euro. Armstrongs Vermögen wird auf 125 Millionen Dollar geschätzt (Peschke, Hamann 14.1.2013). Dazu kommt der Sportbekleidungskonzern Skins, US Postal etc.
– „Armstrong sei mit einer Entourage von zwölf Anwälten und Beratern zu dem Interview erschienen. Er sei ‚gut vorbereitet’ gewesen, ließ Oprah Winfrey verlauten“ (Richter 17.1.2013).
– „Wie der TV-Sender CBS berichtete, habe er (Armstrong; WZ) den US-Behörden die Rückzahlung von mehr als fünf Millionen Dollar und seine Kooperation als Zeuge angeboten. Das Justizministerium habe die Offerten als ‚unangemessen’ ausgeschlagen“ (SZ 17.1.2013).
– IOC blitzschnell: Am 17.1.2013 verfügte das IOC, dass Armstrong seine Bronzemedaille von Sydney 2000 zurückgeben muss (spiegelonline 17.1.2013).
Die Show
Armstrong behauptete er habe zuletzt 2005 gedopt, „in seinen Comeback-Jahren 2009 und 2010 habe er nicht zu verbotenen Mitteln gegriffen.“ Er habe nie jemand unter Druck gesetzt. Armstrong zum Dopingarzt Michele Ferrari: „Ferrari war ein „guter Mann, ein schlauer Mann“. Ferrari sei kein Hintermann des Doping-Programms gewesen. „Doping sei ein normaler Bestandteil des Rennen gewesen., ‚es war einfach, es floss’ sagte Armstrong. ‚Wir pumpten unsere Reifen auf, füllten Wasser in die Flaschen, und das passierte dann auch“ (spiegelonline 18.1.2013).
Die Feststellung der Usada, dass es sich um das „ausgeklügeltste, professionellste und erfolgreichste Dopingprogramm“ gehandelt habe, das der Sport je gesehen hat, konterte Armstrong zum Auftakt des Gesprächs: „Das DDR-Staatsdoping habe wesentlich größere Dimensionen gehabt“ (Hofmann 19.1.2013).
Armstrong teilte weiter mit, er habe keine Teamkollegen zum Dopen gezwungen. „Was er dabei verschwieg: Er brauchte das auch nicht zu tun. Denn wer nicht mitzog, musste damit rechnen, bald keinen Vertrag mehr in Armstrongs Rennstall zu bekommen“ (Hacke 21.1.2013).
Zur 125.000-Dollar-Zahlung an die UCI lautete die einfache Erklärung: „Die brauchten Geld und wussten, dass ich welches habe. Sie haben mich gefragt, und ich habe was gegeben“ (Kistner 19.1.2013).
Die Rückdatierung eines Kortisonrezeptes bei der Tour-de-France 1999 könnte für Armstrong gefährlich werden, „weil seit 2006 eine eidliche Aussage vorliegt, nach der Armstrongs Lager eine halbe Million Dollar Schweigegeld in die Schweiz transferiert haben soll: an den Weisel-Kunden Verbruggen“ (Ebenda).
„Als es jedoch um konkrete Details, um Hintermänner und Mittäter ging, wurde der US-Star schweigsam, Namen wurden zumindest im ersten am Donnerstag ausgestrahlten Teil des Interviews nicht genannt. Und was sagt der Präsident des Radweltverbands UCI und IOC-Mitglied, Pat McQuaid? ‚Wir begrüßen, dass Armstrong an einem Prozess der Wahrheitsfindung teilnehmen will’” (Ahrens 18.1.2013).
„McQuaid hat im Anschluss an die TV-Beichte Armstrongs noch einmal eine Art Befreiungsschlag versucht. Er hat das Geständnis als ‚wichtigen Schritt auf einem langen Weg’ bezeichnet, ‚ein Weg, den Schaden zu reparieren, den der Radsport erlitten hat’. Wobei er allein durch seine Wortwahl den Schwerpunkt setzt: der Radsport ist demnach Opfer, nicht Täter“ (Ebenda). McQuaid „hat im Anschluss an die TV-Beichte Armstrongs noch einmal eine Art Befreiungsschlag versucht. Er hat das Geständnis als ‚wichtigen Schritt auf einem langen Weg” bezeichnet, “ein Weg, den Schaden zu reparieren, den der Radsport erlitten hat’. Wobei er allein durch seine Wortwahl den Schwerpunkt setzt: Der Radsport ist demnach Opfer, nicht Täter“ (Ebenda).
Radsport-Pate Hein Verbruggen sah sich sogar entlastet: Ich bin froh, dass sich die Verschwörungstheorien nach den jahrelangen Vorwürfen gegen mich als haltlos erwiesen“ (Kistner 21.1.2013).
DOSB-Präsident Bach stellte umgehend fest, dass es nach Armstrongs TV-Beichte „keine Ansätze für neue Maßnahmen gegen den Radsport generell gibt“ (Ahrens 18.1.2013).
Fazit
Kein Eingeständnis außer einigen Details, die von der Usada schon beinhart bewiesen wurden. Kein Eingehen auf die lückenlose Beweiskette der Usada. Neue Lügen wie „kein Doping 2009 und 2010“. Kein Hinweis auf
die Hintermänner. Keine Aufdeckung der Rolle von Hein Verbruggen, Pat McQuaid, UCI.
Nachtrag 3: Den Bock zum Gärtner machen: “Die Usada habe nicht die Autorität, um die Ermittlung voranzutreiben, sagte Armstrongs Advokat Tim Herman der AP. Um den Radsport zu säubern, müssten Wada und UCI die Gesamtverantwortung haben” (Kistner, Thomas, “Eins zu einer Million”, in SZ 28.1.20913).
Nachtrag 4: Armstrong redet
„Erstmals beschuldigt der lebenslang gesperrte Pharma-Sünder öffentlich und ganz konkret den langjährigen Präsidenten das Rad-Weltverbandes UCI, Hein Verbruggen, der Beteiligung an der Vertuschung einer positiven Dopingprobe. (…) Armstrong sagte dem englischen Blatt Daily Mail vor laufender Kamera, er habe auf Verbruggens Rat bei der Tour 1999 ein Rezept rückdatieren lassen, um ein bei ihm ermitteltes Kortison-Doping zu ver- tuschen. ‚Hein sagte, das ist ein echtes Problem für mich, das ist der K.o.-Schlag für unseren Sport ein Jahr nach Festina, also müssen wir uns etwas einfallen lassen“ (Kistner, Thomas, Armstrong geht zum Angriff über, in SZ 19.11.2013). Verbruggen lieferte eine neue Verteidigungslinie: „Die UCI habe ‚Fahrer gewarnt, dass sie unter Beobachtung stehen‘, sagte Verbruggen, das sei Teil einer ‚Zwei-Säulen-Strategie‘ gewesen, um Betrüger zu schnappen und andere vom Doping abzubringen. Nicht nur die Wada zweifelt diese Absicht an. ‚Jeder Verband, der so etwas tun würde, würde sich angreifbar machen und seine Unparteilichkeit und Glaubwürdigkeit gefährden‘, hieß es dazu in einem Statement“ (Ebenda). –„Als Armstrongs Masseurin Emma OReilly die Rückdatierung des Rezeptes Jahre später bekannt machte, beleidigte Armstrong sie als Alkoholikerin und Prostituierte. Nun brachte die „Daily Mail“ die beiden in Florida zusammen; Armstrong bat um Verzeihung und kündigte weitere Enthüllungen in der Kommission an, die der neue UCI-Präsident Brian Cookson einberufen will. Er habe Beweise, mit denen er Verbruggen versenken könne, versprach der Amerikaner. „Die Vorstellung, dass ich einen dieser Typen schützen würde, so wie sie mich behandelt haben, ist aberwitzig“, sagte er über Verbruggen und dessen Nachfolger Pat McQuaid. „Ich hasse sie. Sie haben mich unter den Bus geschubst. Ich bin fertig mit ihnen“ (Reinsch, Michael, Unter den Bus geschubst, in faz.net 19.11.2013).
Nachtrag 5: Neue Vorwürfe gegen Verbruggen
„Seine einstigen Helfer Floyd Landis und Tyler Hamilton, beide geständige Doper, behaupten, während der Schweiz-Rundfahrt 2001 habe Armstrong ihnen erzählt, dass er positiv auf Epo getestet worden sei und deshalb mit Verbruggen verhandele. 125.000 Dollar, die Armstrong der UCI spendete, sollen damit im Zusammenhang stehen. Die BBC hatte Verbruggen 2008 vorgeworfen, er habe für einige Millionen Dollar von japanischen Veranstaltern die Bahnrad-Disziplin Keirin in die Olympischen Spiele aufgenommen. Das IOC betraute ihn mit der Vorbereitung der Sommerspiele desselben Jahres in Peking“ (Reinsch, Michael, Unter den Bus geschubst, in faz.net 19.11.2013).
Nachtrag 6: Armstrong verliert nächsten Prozess
Mitte Juni 2014 wies ein US-Bundesgericht den Einspruch der Anwälte von Armstrong ab: Damit wird der Schadensersatz demnächst beginnen. Es geht um etwa 100 Millionen Dollar. Der hoch verschuldete Staatsbetrieb US Postal hatte zwischen 1998 bis 2004 rund 40 Millionen Dollar an das Armstrong-Team bezahlt – für die Benennung Team US Postal. Davon flossen allein 17 Millionen Dollar an Armstrong selbst. „Zudem fordert der US-amerikanische Versicherungsgesellschaft SCA Promotions knapp 9,2 Millionen Euro von Armstrong. Das Unternehmen aus Dallas hatte sich geweigert, 5,8 Millionen Euro für den Gewinn seines sechsten Sieges bei der Frankreich-Rundfahrt 2004 an Armstrong zu überweisen. Es kam zum Prozess, in dem Armstrong schwor, keine leistungssteigernden Mittel eingenommen zu haben. Das Gericht glaubte damals dem Exprofi. SCA musste letztendlich 7,5 Millionen Dollar (rund 5,5 Millionen Euro) zahlen“ (Millionenstrafe für Armstrong wird wahrscheinlicher, in spiegelonline 20.6.2014). Deshalb ist auch noch ein Prozess wegen Meineid möglich. Armstrongs Vermögen wird derzeit noch auf 45 bis 85 Millionen Dollar beziffert (Ebenda).
– Nachtrag 7 Armstrong vor der Pleite? Armstrong steht in Washington vor Gericht. „Der Prozess muss klären, ob Armstrong und sein Rennstall US Postal den Hauptsponsor und Namensgeber um 32 Millionen Dollar betrogen hat. Doping war ja vertraglich verboten worden, und der US Postal Service hatte Steuermillionen ins Pharma-Team gepumpt. Verliert Armstrong den Prozess, ist die Rückzahlung des Reibachs fällig, und schlimmer, die Regierung auf Basis des False Claim Acts ermächtigt, ein Dreifaches an Schadensersatz zurückzufordern. Die Strafe würde sich also der 100-Millionen-Dollar-Grenze nähern – und den vermögenden Texaner ruinieren“ (Kistner, Thomas, Der Ruin droht, in SZ 17.9.2014).
Nachtrag 8: Armstrong droht der Schadenersatzprozess
„Lance Armstrong hat einen herben juristischen Rückschlag erlitten und muss eine weitere hohe Millionenstrafe fürchten. Ein Gericht in der US-Hauptstadt Washington, D.C. wies einen Antrag des gefallenen Radsport-Stars auf Klageabweisung zurück und ebnete somit den Weg für einen Schadenersatzprozess. Der 45 Jahre alte Armstrong, dem wegen Dopings seine sieben Tour-de-France-Titel aberkannt wurden, muss sich wegen der Behauptung falscher Tatsachen zu Lasten der Postbehörde US Postal Service vor Gericht verantworten. Das halbstaatliche Unternehmen, von 1996 bis 2004 Namenssponsor von Armstrongs Team, will rund 96 Millionen Dollar (86 Millionen Euro) einklagen und wird dabei von Anwälten der US-Regierung vertreten“ (US-Gericht lässt Schadenersatzklage zu, in spiegelonline 14.2.2017). – „Der 45 Jahre alte Armstrong, dem wegen Dopings alle sieben Tour-de-France-Titel aberkannt wurden, muss sich wegen der Behauptung falscher Tatsachen zu Lasten der Postbehörde US Postal Service vor Gericht verantworten. Das halbstaatliche Unternehmen wird von Anwälten der US-Regierung vertreten. US Postal habe nichts von Armstrongs Dopingpraktiken gewusst und hätte andernfalls, so die Anwälte, keine millionenschweren Sponsorenzahlungen an die Teamgesellschaft ‚Tailwind Sports‘ geleistet. Auf mehr als 30 Millionen Euro für die Jahre 2000 bis 2004 beläuft sich die Streitsumme, der zu zahlende Schadenersatz könnte dreimal so hoch ausfallen.Für US-Postal hatte Armstrong, der in anderen Schadenersatzprozessen bereits mehr als zehn Millionen Dollar zahlen musste, sechs Tour-Triumphe errungen. Treibende Kraft des Prozesses ist Armstrongs früherer Teamkollege Floyd Landis – selbst überführter Doper, dem der Toursieg 2006 aberkannt worden war. Als Whistleblower kann Landis, der inzwischen im legalen Cannabis-Geschäft tätig ist, im Falle eines Schuldspruchs gegen Armstrong mit einer Belohnung von rund einem Drittel der Streitsumme rechnen“ (SID, Armstrong in der Bredouille, in SZ 15.2.2017).
Nachtrag 5: US Postal hat laut Armstrong profitiert
„Ex-Radprofi Lance Armstrong widerspricht der Anklage in dem bevorstehenden Regress-Prozess und relativiert erneut seine Dopingvergehen. (…) Der Prozess könnte im Herbst beginnen. Seine Position und die seiner Anwälte sei klar. ‚US Postal hat in der Zeit von uns profitiert‘, sagte Armstrong in seinem Podcast, in dem er seine früheren – und ebenfalls dopingüberführten – Ex-Kollegen George Hincapie, Christian Vande Velde und Dylan Casey interviewte. (…) Die Gesellschaft Tailwind Sports hatte als Besitzer des Armstrong-Teams von 2000 bis 2004 über 32 Millionen Dollar vom staatlichen Sponsor US Postal erhalten. Davon sollen 13,5 Millionen auf den Teamkapitän Armstrong entfallen sein. Das Gericht könnte eine Schadensersatzzahlung über den dreifachen Gesamtbetrag festsetzen“ („US Postal hat von uns profitiert“, in spiegelonline 22.2.2017).
Vergleiche auch unter Aktuelles: Hein Verbruggen, Pat McQuaid und die UCI
Quellen:
Ahrens, Peter, Auf rasanter Abfahrt, in spiegelonline 18.1.2013
Armstrong-Ermittlungen für Franke beispielhaft, in SZ 16.10.2012
Armstrong erwägt Einsatz von Lügendetektor, in spiegelonline 14.10.2012
Armstrong fordert Benennung der Zeugen, in spiegelonline 15.6.2012
Armstrong gesteht Doping bei allen Tour-de-France-Siegen, in spiegelonline 18.1.2013
Armstrong greift Behörden an, in SZ 20.7.2011
Armstrong muss Olympiamedaille zurückgeben, in spiegelonline 17.1.2013
Armstrong steht vor Verlust aller Tour-de-France-Titel, in spiegelonline 24.8.2012
Armstrongs Millionenprämien, in Der Spiegel 45/5.11.2012
Armstrong verliert weitere Sponsoren, in spiegelonline 18.10.2012
Armstrong verweigert Rückzahlung von Tour-Prämien, in spiegelonline 5.2.2013
Aumüller, Johannes, Ein Fall für den Staatsanwalt, in SZ 12.10.2012
Bierschwale, Jens, „Da tut Knast noch ein bisschen weh“, in welt.de 15.1.2013
Burkert, Andreas
– Der manische Regent, in SZ 11.5.2009
– Das Geständnis, in SZ 21.5.2012
– 65.000 Dollar für Freund Ferrari, in SZ 18.6.2012
– Lebenslüge eines gewieften Tyrannen, in sueddeutsche.de 11.10.2012
– Wiggins’ Arzt muss gehen, in SZ 11.10.2012
– Spritzen in Cola-Dosen, in SZ 13.10.2012
– Geständnis Nummer 27, in SZ 15.10.2012
– Die Schlüsselfiguren, in SZ 12.10.2012
– Wer nicht dopt, fliegt, in sueddeutsche.de 11.10.2012
– Groschen gefallen, in SZ 20.10.2012
– Eine Plauderstunde und ein umstrittenes Angebot, in SZ 10.1.2013
Burkert, Andreas, Kistner, Thomas
– Die nächste Version, in SZ 7.8.2010
– Eine Ungeheuerlichkeit, in SZ 24.5.2011
– Ein Denkmal stürzt ein, in SZ 15.6.2012
Drei Armstrong-Helfer lebenslang gesperrt, in spiegelonline 10.7.2012
Einflussnahme, in SZ 25.10.2012
Hacke, Detlef, Seifen-Oprah, in Der Spiegel 4/21.1.2013
Hein Verbruggen weiter GAIFS-Präsident, in focus.de 27.4.2007
Hofmann, René, Gipfel der Verlogenheit, in SZ 19.1.2013
In der Bredouille, in SZ 17.1.2013
Kistner, Thomas
– Verstrickt in die eigenen Aussagen, in SZ 28.5.2010
– Erdrutsch in Lausanne, in SZ 24.5.2011
– Der Radler und der Fitness-Trainer, in SZ 18.2.2012
– Brisanz aus dem Labor, in SZ 16.6.2012
– Die Mär von den 500 Tests, in SZ 9.7.2012
– Königliche Experten, in SZ 12.7.2012
– “Hölle – Lance war das System”, in SZ 6.9.2012
– Spanischer Fiebertraum, in SZ 7.9.2012
– Angeschlagen in der Ecke, in SZ 15.9.2012
– Unter Eid, in SZ 13.10.2012
– Supermann hinterlässt einen Krater, in SZ 31.12.2012
– “Das interessiert die Kriminalbehörden“, in SZ 19.10.2012
– Alles für die Sympathiewerte, in SZ 16.10.2012
– Schnell das Licht löschen, in SZ 27.10.2012
– Frühstück mit Asterix, in SZ 20.11.2012
– Aus dem Sumpf ins Kammertheater, in SZ 11.1.2013
– Buckeln und treten, in SZ 16.1.2013
– Ein brisantes Konto, in SZ 18.1.2013
– Mikrodosis Bekennermut, in SZ 19.1.2013
– Geschichten eines Kontroll-Freaks, in SZ 21.1.2013
Ludwig, Udo, Rad an Rad in Der Spiegel 35/27.8.2012
Massive Kritik an UCI, in SZ 19.10.2012
Nächster Zeuge, in SZ 21.5.2011
– Angeschlagen in der Ecke, in SZ 15.9.2012
Neudecker, Michael, Der Name bleibt, in SZ 21.11.2012
Niermann gesteht jahrelanges Epo-Doping, in spiegelonline 28.1.2013
Oprahs Beicht-Imperium, in spiegelonline 16.1.2013
Paul, Christian, Ohne Ausweg, in spiegelonline 22.10.2012
Peschke, Sara, Hamann, Birger, Die 60-Millionen-Dollar-Frage, in spiegelonline 14.1.2013
Reaktionen auf den Fall Armstrong, in SZ 13.10.2012
Richter, Peter, Das Rennen ums Entkommen, in SZ 17.1.2013
Rilke, Lukas, Was Armstrong jetzt droht, in spiegelonline 22.10.2012
Saugy räumt Treff mit Armstrong ein, in SZ 28.5.2011
Sponsoren kündigen, in SZ 19.10.2012
Szene, in Der Spiegel 42/15.10.2012
Versicherung verklagt Armstrong auf zwölf Millionen Dollar, in spiegelonline 8.2.2013
Weltverband nimmt Armstrong alle Tour-de-France-Titel, in spiegelonline 22.10.2012
White gesteht Doping, Hamilton belastet UCI, in spiegelonline 13.10.2012
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