Was sind Eliteschulen des Sports?
Die Eliteschulen des Sports wurden in Deutschland Anfang der neunziger Jahre eingeführt – nicht zufällig kurz nach der Wiedervereinigung: Sie sind ein direktes Nachfolge-Produkt des ehemaligen DDR-Sportsystems: Dort hießen sie Kinder- und Jugendsportschulen (vergleiche u.a. hier). „Die meisten Nachfolgeeinrichtungen der Kinder- und Jugendsportschulen der DDR besitzen heutzutage den Status einer ‚Eliteschule des Sports’“ (Wikipedia). Mit ihr können „täglich Zeitfenster für das Training freigehalten werden und die Schulzeit gestreckt werden kann, aber auch mit den ‚Häusern der Athleten‘, wie die Sportinternate genannt werden“ (Warta 22.7.2014a). – „Analysen haben gezeigt, dass Sportler, die Sportinternate besuchen, erfolgreicher sind als jene, die auf nicht-sportorientierte Schulen gehen“ (Warta 22.7.2014b).
Die Standorte der Eliteschulen des Sports im Osten sind u. a. Berlin, Altenberg, Chemnitz, Dresden, Erfurt, Frankfurt/Oder, Halle, Jena, Klingenthal, Leipzig, Magdeburg, Neubrandenburg, Oberhof, Oberwiesenthal, Potsdam, Rostock, Schwerin, Winterberg. Derzeit sind über 11.000 Jugendliche an Eliteschulen des Sports.
„Eliteschulen des Sports sind Verbundsysteme aus Schule, Wohnen und Sport, die sportlich Talentierte unter dem Leitsatz ‚Weltmeister werden und den Schulabschluss schaffen’ fördern“ (www.dosb.de). Dieser Titel wird vom DOSB im Vierjahresrhythmus vergeben.
Dazu müssen sechs Kriterien erfüllt sein, unter anderem (1) funktionierende leistungsstarke Trainingsgruppen, hochwertige und flexibel verfügbare Trainingsstätten und qualifizierte Trainer, (2) enge räumliche Bündelung von Trainingsstätte, Schule und Wohnraum, zeitliche Flexibilisierung von Schul- und Trainingsabläufen und deren Verzahnung; (4) Ein Leistungssport-Koordinator koordiniert die schulischen und sportlichen Anforderungen und berät Sportler, Eltern, Lehr- und Trainingspersonal; (5) „Der Gedanke des Fairplay, die Zielvorstellung des ‚mündigen Athleten’ und Maßnahmen zur Dopingprävention werden in der Leistungsgemeinschaft deutlich nach innen gelebt und nach außen vertreten“ (www.dosb.de).
Ein Widerspruch an sich: Doping ist ja gerade Ursache und Ergebnis der „Leistungsgemeinschaft“ Spitzensport.
(6) Als sportliche und berufsbezogene Erfolge gelten „Kaderqualifizierungen und Erfolge in den Nationalmannschaften beziehungsweise in erfolgreichen Schulabschlüssen“ (www.dosb.de).
„Olympia ist das große Ziel, Medaillen für Deutschland. Deshalb arbeiten die jungen Menschen oft von morgens um fünf bis abends um acht. Zeit zur Selbst-Reflexion bleibt da nicht“ (Drepper, Kempe 22.4.2013).
Das ist Absicht. Eine Erziehung zum mündigen Bürger sieht anders aus…
Die DOSB-Webseite erwähnt zwölf bis 14 Trainingseinheiten pro Woche; konkrete Lehrinhalte werden nicht erwähnt. „Alle Eliteschulen des Sports arbeiten partnerschaftlich mit dem Olympiastützpunkt der Region zusammen und profitieren von dessen Serviceleistungen…“ (www.dosb.de) Mittels einer „Roadshow“ als „Tage der offenen Tür“ werden interessierte Besucher angesprochen.
Wenn man konsequent das Ausbildungssystem des Spitzensports weiterdenkt, wäre der nächste Schritt die Einführung von Elite-Kindergärten: je früher, umso Spitze.
Arbeitskreis Eliteschulen des Sports (EdS)
Der Arbeitskreis tagt zweimal jährlich und kann den Titel „Eliteschule des Sports“ verleihen, bestätigen oder aberkennen. Folgende Institutionen sind in diesem Gremium vertreten:
DOSB/Bereich Leistungssport (Vorsitz), Sparkassen-Finanzgruppe, Kultusministerkonferenz, Sportministerkonferenz, Stiftung Deutsche Sporthilfe und ein weiteres Mitglied des DOSB.
Der DOSB hat immer gern die Mehrheit (siehe Bewerbungsgesellschaft München 2018 mit 51 Prozent) oder zumindest die Hälfte der Stimmen: Hier kommen von sechs Stimmen zwei vom DOSB und eine von der Deutschen Sporthilfe.
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband DSGV) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) zeichnen jährlich eine oder mehrere Eliteschulen des Sports als „beste Eliteschule“ aus (www.dosb.de). DSGV-Präsident Heinrich Haasis (CDU) äußerte zur Unterstützung des Spitzensports durch seine Organisation: „Die Unterstützung seiner Elite ist eine wichtige Aufgabe“ (www.dosb.de).
Wieder wird unreflektiert der Begriff „Elite“ verwendet, der für sich genommen gesellschaftlich äußerst problematisch ist.
Die Verbreitung
Derzeit sind 39 (DOSB) bzw. 40 (12. Sportbericht der Bundesregierung, Steinbichler 22.2.2012) bzw. 43 (siehe Nachtrag 2) Eliteschulen vom DOSB anerkannt: Hier werden über 11.300 sport-talentierte Schüler ausgebildet. Sie sollen das „Spannungsverhältnis zwischen hohem Trainingsaufkommen und schulischer Belastung“ mindern (Deutscher Bundestag 3.9.2010, S. 41).
Hier arbeiten über 480 Diplom- und A-Lizenztrainer; in den Sportinternaten 200 Sportpädagogen (ww.dosb.de).
Natürlich wird nicht nur die Zahl der Eliteschulen des Sports laufend erhöht: Auch der Raum, den sich der Sport in der Gesellschaft erkämpft, wird ständig ausgeweitet. Anlässlich der Ski-WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen sagte DOSB-Präsident Thomas Bach zu den eingeladenen Vertretern der Eliteschulen nicht von ungefähr: „Die Förderung des Sports ist in den vergangenen Jahren immer besser geworden. Ihr seid die besten Beispiele dafür“ (www.dosb.de).
Wieder einmal angemerkt: Es handelt sich nicht um den Breitensport, sondern um den Spitzensport bzw. Elitensport, der mit immer höheren dreistelligen Millionenbeträgen vom Staat alimentiert wird, siehe 12. Sportbericht.
Im Rahmen und im Gefolge der Bewerbung München 2018 reichten die Münchner Stadträte von SPD und Bündnis 90/Die Grünen am 8. Juni 2011 einen Antrag für eine neue „Eliteschule des Sports“ an der Knorrstraße im Münchner Norden ein. Diese „Eliteschule“ des Sports wird u. a. eine Ganztagesschule mit Mensa, einer besondere sportliche Förderung, Trainingsmöglichkeiten am Vormittag, Freistellungen vom Unterricht, eine außerschulische Betreuung bieten – und z.B. eine Dreifachsporthalle mit sieben Metern Raumhöhe (Kronewiter 20.7.2011). Diese Münchner Eliteschule des Sports ist der SPD 2,8 Millionen Euro zusätzlich wert (SZ 2.12.2011) und soll 2016 den Unterricht aufnehmen (Werner 15.2.2012). „Von Klasse acht an sollen in der neuen Schule die begabtesten Nachwuchssportler eines Jahrgangs in einer von vier Klassen versammelt sein, Training und Wettkämpfe sollen in den Schulalltag der Talente integriert werden“ (Riedel 22.9.2012). Der Bezirksausschuss München-Milbertshofen winkte im April 2013 die Pläne für eine Elite-Schule des Sports Ecke Knorrstraße/Rathenaustraße durch (Kronewiter 12.4.2013).
Die Gesamtkosten werden bei über 57 Millionen Euro liegen: 25,7 Millionen Euro sollen die staatlichen Zuschüsse betragen (SZ 3.6.2014), wobei bereits im September 2013 die Befürchtung bestand, dass die Eliteschule schon bald zu klein sein könnte. Jeweils eine der vier Klassen pro Jahrgangsstufe soll eine besondere Sportförderung erhalten – „mit den entsprechenden Privilegien, wie sie der Olympia-Stützpunkt Bayern vorsieht (…) Möglichkeiten für tägliches Vormittagstraining, Freistellung für Training oder Wettkampf, eine außerschulische Betreuung“ (Kronewiter 13.9.2013). Da alles so furchtbar eilte, wurden die 52 Lehrerparkplätze oberirdisch geplant, ohne Tiefgarage. Damit gehen Freiflächen für die Schüler verloren (Kronewiter 12.10.2013).
Fazit vom August 2016: Die Münchner Eliteschule des Sports an der Knorrstraße wird 65 Millionen Euro kosten; acht Millionen Euro kommen vom Land Bayern (Dürr 8.8.2015). Inzwischen versucht der neue Leiter der Münchner Eliteschule des Sports, Leonhard Baur, verbal diesem Schultyp das Elitäre abzumildern: „Es kann wirklich jeder zu uns kommen“ (Graner 11.4.2016).
Der Leiter des Olympia-Stützpunktes, Klaus Pohlen, definierte die Medaillenfixiertheit im Februar 2012: „Seine Zielsetzung sind olympische Medaillen: Gold, Silber, Bronze, am besten in dieser Reihenfolge“ (Ebenda).
Der Spitzensport und seine Medaillen haben oberste und einzige Priorität. Dazu passt der Beschluss des Münchner Stadtrats von Juli 2011, wonach kleinere Vereine, Sozialprojekte, Initiativen, aber auch die Volkshochschule mit Einfach- und Kleinsporthallen begnügen müssen. Die 22 Doppel- und 21 Dreifachsporthallen werden künftig nur noch Schulen und denjenigen Münchner Sportvereinen zur Verfügung stehen, “die wettkampforientierten Spitzen- oder Leistungssport ausüben” (Draxel 2.8.2011).
Alles für dem Elitensport -zu Lasten des Breitensports: Das ist die Sportdemokratur.
Eliteschule des Sports in Willingen
Wllingen im Sauerland ist Schauplatz eines Weltcup-Skispringens auf der Mühlenkopfschanze. Der Ort mit 6100-Einwohnern baute im Jahr 2000 für 12 Millionen Euro seine Schanze um und muss demnächst für zwei Millionen Euro nachbessern – für ein einziges Skispringen im Jahr mit 30.000 Zuschauern. Der Bürgermeister fragte sich in diesem Zusammenhang: „Wie soll man das denjenigen erklären, die bei mir vorstellig werden und eine verbesserte Kinderbetreuung anmahnen?“
Willingen überhebt sich permanent mit den Kosten dieses Sportereignisses, aber der Ort hat die weiterführende Upland-Schule als Eliteschule des Sports.
Für den Spitzensport ist nichts zu teuer!
Sportgymnasium Oberstdorf
Von 510 Schülern betreiben 114 Leistungssport in diversen Wintersportarten. Wenige Kilometer entfernt ist das Ski-Internat. Beim Rektor Peter Fink „trifft jede Woche ein ganzer Stapel von Freistellungsanträgen für den Unterricht ein, weil die Schüler zu Wettkämpfen müssen oder weil ein wichtiges Traininng ansteht“ (Baier 18.2.2014). Seit drei Jahren können ausgewählte Schüler den Stoff der elften und zwölften Klasse in drei Jahren verteilen: Damit wird aus dem G8- ein elitäres G9-Gymnasium (Ebenda).
„Warum brauchen wir die Eliteschulen des Sports“
Das wurde bei einer Podiumsdiskussion anlässlich einer Roadshow in Potsdam gefragt (www.dosb.de/de). Die Sportler lobten die problemlose sportliche und schulische Ausbildung. Einige Antworten von Verantwortlichen:
Norbert Kleinheyer, der Vertreter der Sparkassen-Finanzgruppe, verwies auf die Unterstützung von München 2018 und äußerte: „Damit dann auch deutsche Athleten Gold gewinnen, müssen wir jetzt den Nachwuchs fördern. Und das funktioniert nirgendwo besser als an den Eliteschulen des Sports.“
Goldmedaillen über elitäre Eliteschulen… Wo bleibt die Chancengleichheit? Im Endeffekt bedeutet diese Aufrüstung des Sports, dass alle Länder, die Medaillenchancen wahrnehmen wollen, ebenfalls Eliteschulen des Sports einführen müssen.
Der thüringische Bildungsminister Christoph Matschie (SPD) postulierte: „Der Sport braucht unsere Unterstützung, und die bekommt er mit Einrichtungen wie den Eliteschulen des Sports“.
Matschie setzt die allgemeine Unterstützung des Sports, also des Breitensports gleich mit dem Spitzensport einer Elite.
Der Vizepräsident des Landessportbundes, Lutz Rösner sagte: „Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, Begabung zu fördern. Deshalb sind die Eliteschulen des Sports so wichtig.“
Rösner vermengt hier geschickt die allgemeine Förderung von Begabung mit der Förderung des Spitzensports. Hier wird eine absolute Minderheit gefördert, einer Elite eben.
Der thüringische Staatssekretär Hartmut Schubert antwortete: „Eliteschulen des Sports sind der Garant für Spitzenleistungen in der Gesellschaft.“
Sie garantieren lediglich Sport-Spitzenleistungen, nicht mehr.
Der damalige DOSB-Präsident (und heutige IOC-Präsident) Thomas Bach sagte, die Leistungsbereitschaft der jungen Menschen „trägt zur Stärkung der Gesellschaft bei und macht den Sport außerdem zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor.“
Die hunderte von Millionen Euro, die jährlich in den Spitzensport gesteckt werden, könnten anderweitig wesentlich sinnvoller und sozialer eingesetzt werden, vgl. wiederum 12. Sportbericht. Und die Ausweitung des Geschäftsfeldes Sport hat für den DOSB und die Sportverbände oberste Priorität.
Inzwischen gibt es fundierte Kritik am System der Eliteschulen. Der Kaiserslauterner Sportwissenschaftler Arne Güllich, früher selbst zwölf Jahre bei NOK und DOSB, kritisierte sowohl das System der Olympiastützpunkte als auch der Eliteschulen des Sports: „Je früher ein junger Sportler in Deutschland ins Leistungsförderungssystem gerät, umso unwahrscheinlicher ist, dass er langfristig Erfolg hat“ (Herrmann 29.8.2012).
Die Eliteschulen des Sports verzerren Ergebnisse
Bei den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen waren wie 2008 in Peking 29 Prozent Schüler oder ehemalige Schüler der Eliteschulen. Bei den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City 2002 kamen 38 und 2006 in Turin 48 Prozent von Eliteschulen des Sports. In Vancouver 2010 wurden von 152 Sportlern 78 in den Eliteschulen ausgebildet, das waren mehr als die Hälfte (www.dosb.de).
Die Tendenz ist ähnlich wie bei den Sportsoldaten und zeigte sich deutlich bei Vancouver 2010.
Auch andere Sportvereine profitieren von diesen Einrichtungen. So wurde Turbine Potsdam dreimal in Folge Deutscher Meister des Frauenfußballs: „Der Club … profitiert von der benachbarten Eliteschule des Sports“ (Kramer 30.5.2011). Und Fußball-Manager Oliver Bierhoff schwärmte Anfang Juni 2011 über das Programm der 15-Jährigen in den Fußball-Eliteschulen: „Die haben morgens, mittags, abends Fußball – und kaum Urlaub“ (SZ 7.6.2011).
Geschichtsklitterung
„Die Eliteschule des Sports in Potsdam ist in den jüngsten Nachrichten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gewürdigt worden: In ihrer Geschichte seit 1953 hat Potsdam weit mehr als 100 Olympiamedaillen produziert, heißt es da. Ja weiß denn niemand im DOSB, dass das eine Kinder- und Jugendsportschule (KJS) war zu DDR-Zeiten, das Doping zum Staatsplanthema gehörte, einschließlich der Manipulation von Minderjährigen, begonnen in den KJS?“ (Kofink 4.8.2013. Hansjörg Kofink trat als Frauen-Bundestrainer im Kugelstoßen 1972 zurück, weil er gegen Anabolika-Doping eintrat).
Der nächste Schritt: Hochschule des Spitzensports
Nach der flächendeckenden Einführung der „Eliteschulen des Sports“ geht es weiter: Der DOSB verleiht seit 2007 den Preis „Hochschule des Spitzensports“. Begründung: „Die Leistungen deutscher Sportlerinnen und Sportler im internationalen Vergleich tragen nicht unwesentlich zur Wahrnehmung und zum Ansehen Deutschlands in der Welt bei. Daher liegt die Förderung des Spitzensports im öffentlichen Interesse.“
Gegenrede: Die Leistungen deutscher SportlerInnen tragen zum Ansehen des DOSB, deutscher Sportvereine, deutscher Sportfunktionäre sowie einiger deutscher Sportpolitiker bei und erhöhen die Chancen, an noch mehr öffentliche Mittel zu kommen. Die Förderung des Spitzensports liegt nicht wirklich im öffentlichen Interesse, sondern in eben jenem Interesse des DOSB, deutscher Sportvereine, deutscher Sportfunktionäre und deutscher Sportpolitiker.
„91 Hochschulen hat der ADH (Allgemeiner Deutscher Hochschulsportverband; W.Z.) das Siegel ‚Partnerhochschule des Spitzensports‘ verliehen“ (Meyer 3.3.2012).
Die Eliteschulen des Sports: danach
Der Begriff der Elite erfährt derzeit gesellschaftlich als auch politisch in vielen Bereichen eine kritiklose Aufwertung und Verbreitung. Allein schon der Begriff „Eliteschule des Sports“ zeigt die Richtung. Ihre Schüler können und sollen sich zu einer Elite zählen: zu einer Elite, die ideologisch und materiell privilegiert ist, ohne dass die Problematik der Elitenbildung irgendwo im Geringsten hinterfragt wird. Zu diesem elitären Denken zählt auch das „Elite-Forum“ der Deutschen Sporthilfe, das 2005 eingerichtet wurde. Hier treffen „Top-Athleten“ auf Eliten aus „Kultur, Wirtschaft und Politik“ (Sporthilfe Elite-Forum).
Die Elite-Schulen des Sports funktionieren ähnlich wie eine studentische Verbindung: Man hilft sich weiter, bildet Seilschaften, bleibt in Kontakt, pflegt Beziehungen. Man könnte auch formulieren: Die Abhängigkeiten vom Sport und vom DOSB bleiben lebenslänglich.
Denn der Primat des Sports wird den so Ausgebildeten ein Leben lag prägen und für andere Werte und Qualitäten unempfänglich machen: Und das ist wohl eine der Absichten dieser einseitig strukturierten Zielsetzung.
Ob ein an Eliteschulen des Sports Ausgebildeter sich aus diesen Abhängigkeiten jemals lösen kann und will, scheint zumindest zweifelhaft. Unzweifelhaft ist, dass viele der Spitzen- bzw. Elitesportler nach dem Ende ihrer Sportkarriere durch eben diesen Sport weit mehr körperliche Gebrechen haben als normale Sporttreibende.
Nachtrag 1: Eliteschulen des Sports im Bundestag
Bei der Vorstellung des 13. Sportberichts der Bundesregierung sagte MdB Johannes Steininger (CDU/CSU): „Genauso wichtig sind die bundesweit 41 Eliteschulen des Sports. Hier werden rund 11.500 Talente ausgebildet und betreut. Sie bilden ein solides Fundament für den Spitzensport. (…) Bei Olympia 2012 in London waren über 100 nominierte Sportler – das waren fast 30 Prozent – Absolventen einer Eliteschule des Sports“ (Deutscher Bundestag, Protokoll 6.2.2015, S. 8171. Inzwischen gibt es 43 Eliteschulen; Dürr 8.8.2015).
Nachtrag 2: Eliteschulen des Sports doch keine Elite?
42 Eliteschulen des Sports gibt es derzeit in Deutschland, dazu 100 Partnerschulen; 11.500 junge Sportler werden gefördert. “Aber, sagt Arne Güllich, Professor für Sportwissenschaft an der uni Kaiserslautern, die Eliteschulen sind nicht effektiver als normale” (Brandau, Bastian, Teuer und ineffizient, in deutschlandfunk.de 27.9.2015). Erfolgreiche Spitzensportler würden erst relativ spät in die Spitzenförderung übernommen – späte Quereinsteiger seien überrepräsentiert. Trotz der gewaltigen Kosten lautet Güllichs Fazit, “dass die Absolventen der Eliteschulen des Sports sich im sportlichen Erfolg nicht unterscheiden von denjenigen von Regelschulen, dass sie aber Beeinträchtigungen in den Abschlüssen beziehungsweise in den nachschulischen Bildungslaufbahnen haben” (Ebenda). Warum betreibt man diese anscheinend ineffiziente Sport-Sonderschulen dennoch weiter? “Viele Menschen innerhalb des Systems Sport profitieren von den aktuellen Fördermechanismen” (Ebenda).
Nachtrag 3: München rüstet olympisch auf
Am 23.2.2017 wurde die Münchner Eliteschule des Sports an der Knorrstraße eröffnet. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) drohte bei der Eröffnung ein großes Nachwuchszentrum von mehreren Schulen in München an – mit der Mittelschule an der Bernaysstraße, einer geplanten Realschule in Freiham und der Fachoberschule Unterschleißheim (Staudinger, Melanie, Schulen für Jungathleten, in SZ 24.2.2017). „Vor dem Eingang steht die olympische Fackel, ein Kunstwerk von Bruno wank, symbolisch für den Sportgeist, der an der Schule von Direktor Leonhard Baur schon jetzt herrscht“ (Staudinger, Melanie, Olympischer Startschuss, in SZ 24.2.2017).
Ein Hoch auf den olympischen Sportgeist. Es werden hier doch wohl nicht auch die olympischen Sonderfächer Korruption, Schiebung, Doping, Hofierung von Diktaturen und andere Details der globalen IOC-Politik unterrichtet…
Vergleiche auch den Film im WDR am 22.4.2013 von Daniel Drepper und Robert Kempe: „Elitärer Balanceakt“
Quellen:
Baier, Tina, Der sportliche Weg zum Abitur, in SZ 18.2.2014
Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Drucksache 17/2880, 3.9.2010, Unterrichtung durch die Bundesregierung, 12. Sportbericht der Bundesregierung
Der Startschuss ist gefallen, in SZ 3.6.2014
Draxel, Ellen, „Ich bin geschockt“, in SZ 2.8.2011
Drepper, Daniel, Kempe, Robert, Elitärer Balanceakt, WDR 22.4.2013
Dürr, Alfred, Olympia fest im Blick, in SZ 8.8.2015
Eliteschule des Sports, in SZ 2.12.2011
Graner, Nicole, Unelitäre Eliteschule, in SZ 11.4.2016
Herrmann, Boris, Die Verschwendungsmaschine, in SZ 29.8.2012
Kofink, Hansjörg, „Das konnte man alles wissen“, Interview mit Anno Hecker in faz.net 4.8.2013
Kramer, Jörg, Königin Fußball, in Spiegel 22/30.5.2011
Kronewiter, Thomas
– Anpfiff, in SZ 12.4.2013
– Späte Bedenken, in SZ 13.9.2013
– Wir müssen draußen parken,. in SZ 12.10.2013
Meyer, Lisa, Denn für das Leben trainieren wir, in SZ 3.3.2012
Neues Gymnasium als Eliteschule des Sports, in SZ 9.6.2011
Riedel, Katja, Schule der Superlative, in SZ 22.9.2012
Sporthilfe Elite-Forum, www.sporthilfe.de
Steinbichler, Kathrin, Klassenzimmer im Schnee, in SZ 22.2.2012
Warta, Christina
– Aus den Katakomben aufs Siegerpodest, in SZ 22.7.2014a
– Millionen für Medaillen, in SZ 22.7.2014b
Werner, Nicole, Opfer der Zentralisierung, in SZ 15.2.2012
„Wirf bitte woanders hin!“, in SZ 7.6.2011
Wikipedia
www.dosb.de/de/eliteschule-des-sports