Entstehungsgeschichte
Der Olympische Fackellauf wurde von Carl Diem mit Theodor Lewald für die Olympischen Sommerspiele in Berlin 1936 erfunden. In Athen wurde bei der Fackelentzündung das faschistische Horst-Wessel-Lied gespielt. Eine Fackelstafette von 3075 Läufern brachte damals das Olympische Feuer von Griechenland über 3075 Kilometer nach Berlin. Die 3840 Magnesiumfackeln wurden von der Panzerschmiede der Krupp-Werke geliefert (Veszelitis S. 97).
Ein Zitat mit rechtsnationalem Gedankengut von Theodor Lewald aus der Eröffnungsrede der Olympischen Spiele 1936 in Berlin: „In wenigen Minuten wird der Fackelträger erscheinen, der das olympische Feuer zu dem Dreifuß hinaufträgt, aus dem die olympische Flamme für die Wochen des Festes in den Himmel aufschlagen wird. Er ist der letzte von mehr als 3000 jungen Männern aus sieben Völkern, die über Tausende von Meilen den größten Staffellauf, den die Welt je gesehen, von dem Altar des Zeustempels in Olympia durch ganz Hellas, Bulgarien, Jugoslawien, Ungarn, Österreich, die Tschechoslowakei und Deutschland … zurücklegten, um so ein wirkliches und geistiges Feuerband zwischen dem griechischen Heiligtum, das vor nahezu vier Jahrtausenden von nordischen Einwanderern begründet wurde, und unserem deutschen Vaterlande zu knüpfen“ (Krüger, Dokument Nr. 19. S. 142f). Übriges kam auch das Olympische Feuer bei den faschistischen Winterspielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen zum ersten Mal zum Einsatz: „Erstmals bei Winterspielen brannte 1936 das Olympische Feuer“ (Ostler u. a., S. 113).
Der faschistische Fackellauf überlebte den Krieg
Seit Oslo 1952 gibt es den Fackellauf auch bei Olympischen Winterspielen. Seitdem wuchsen Entfernung, Pomp und Aufwand mit den Spielen. Seit Sydney 2002 gab es weltweite Stationen. Vor den Olympischen Spielen 2004 in Athen wurde der längste Fackellauf aller Zeiten inszeniert: vom 25. März über 142 Tage und 78 000 Kilometer über alle fünf Kontinente bis zur Eröffnung am 13. August 2004 in Athen: Coca-Cola und Samsung investierten in diese Veranstaltung 18 Millionen Euro.
Der Fackellauf nach Peking dauerte vom 4.5. bis 8.8.2008. Der Abschnitt in Tibet wurde vom Autokonzern Audi gesponsert. Die Chinesen bestanden darauf, die Fackel auf den heiligen Berg der Tibeter, den Mount Everest, zu tragen, wo sie am 8. Mai anlangte. Die Proteste in Tibet veranlassten das IOC, den Fackellauf wieder auf das Gastgeberland zu beschränken.
Der Fackellauf nach Vancouver dauerte vom 30.10.2009 bis 12.2.2010 und kostete 25 Millionen kanadische Dollar; 12 000 Läufer trugen die Fackel. Bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London werden 8000 Fackelträger durch mehr als 1000 Dörfer und Städte tragen. „Dabei sollen 95 Prozent der britischen Bevölkerung zu mindestens einem Zeitpunkt höchstens 16 Kilometer von der Flamme entfernt sein“ (SZ 8.11.2011).
Ab 2012 gibt es noch einen weiteren Fackellauf: Auch die neuen Olympischen Jugendspiele 2010 in Singapur werden von einer weltweit reisenden Fackel begleitet.
Sotschi hat den längsten
Der längste Fackellauf in der Geschichte der Olympischen Winterspiele wird von Sotschi 2014 veranstaltet. Er wird 65.000 Kilometer lang sein und beginnt in Moskau. Dann wird er von der westlichen Exklave Kaliningrad bis zu den gefrorenen Gegenden von Chukotka, Wladiwostok und Sibirien und zurück reichen. In 123 Tagen werden 83 Städte bis zur Eröffnung am 7.2.2014 in Sotschi besucht. Mehr als 114.000 Fackelträger und 30.000 Freiwillige werden das olympische Feuer begleiten – in Vancover waren es “nur” 12.000 Fackelträger über eine Distanz von 45.000 Kilometer (ria.ru 7.10.2012).
Was die Putin-Diktatur eben so aufzubieten in der Lage ist.
Nachtrag 1: Schwaches olympisches Feuer!
65.000 Kilometer lang soll der russische Fackelzug werden, bis die Fackel am 7.2.2014 in Sotschi eintreffen wird. Gleich fünfmal ging die Flamme schon am Anfang aus (Aumüller, Johannes, Schwaches Feuer, in SZ 9.10.2013). „Eine PR-Aktion des amerikanischen Feuerzeugherstellers Zippo sorgt in Russland für Ärger. Nachdem Fackelträger Schawarsch Karapetjan das Feuer in Moskau ausgegangen war, hatte es ein Sicherheitsbeamter per Feuerzeug wieder entzündet. Der Schnappschuss ging um die Welt, der Hersteller prahlte vie Faxcebook und Twitter: ‚Zippo rettet Olympia'“ (Häme nach Panne, in SZ 10.10.2013). Russische Offizielle sind sauer, da nur Sponsoren mit Olympia werben dürfen.
Nicht zum ersten Mal erlosch das olympische Feuer VOR den Spielen: Vor Peking 2008 ging es aus, als Tibet-Aktivisten es mit Feuerlöschern beendeten. In Vancouver 2010 erlosch es bei minus 37 Grad Celsius und heftigem Wind. Und in London 2012 verlöschte es im Regen (Aumüller 9.10.2013).
Nachtrag 2: Russischer Irrsinns-Fackellauf!
„Die Russen lassen ihre Fackel derzeit über 65.000 Kilometer durchs ganze Land tragen, im Oktober wurde sie per Eisbrecher zum Nordpol geschifft, bald wird sie auf dem Grund des Baikalsees leuchten“ (Spiller, Christian, Olympischer Fackellauf: Wer hat den Längsten? in zeitonline 7.11.2013). – „Um 15.34 war es soweit: Sergej Rjasanski und Oleg Kotow krabbelten in 400 Kilometer Höhe aus der Raumstation ISS. in der Hand die Olympische Fackel, mit der am 7. Februar 2014 das Feuer bei den Winterspielen in Sotschi entfacht werden soll… Geplant sind noch Stationen auf dem Grund des Baikalsees in Sibirien sowie auf dem Gipfel des Elbrus im Kaukasus-Gebirge. Seit dem Start des Fackellaufs am 7. Oktober in Moskau ist das Olympische Feuer schon mehrmals erloschen“ (Russische Kosmonauten tragen Olympia-Fackel ins All, in spiegelonline 9.11.2013). Wo das olympische Feuer mal brannte, hat es einen Bob-Veteranen in Brand gesetzt: „Offenbar war der 41jährige beim Bad in der Menschenmenge einen Augenblick unachtsam gewesen, und die Fackel hatte seine Kleidung berührt. Umstehende konnten das Feuer löschen… Makartschuk wurde neu eingekleidet und setzte den Lauf fort“ (Das olympische Feuer setzt Bob-Veteranen in Flammen, in focus.de 29.11.2013). – „Der Abgeordnete Michael Starschinow stellte in der Duma die Anfrage, warum 16.000 Fackeln zum Gesamtpreis von umgerechnet 4,4 Millionen Euro produziert worden seien. Und warum die Fackeln schon ein Dutzend Mal ausgegangen seien“ (Ebenda).
„Auf dem Weg ins Dunkel des tiefsten Süßwassersees der Welt betatschte natürlich auch noch ein Verantwortlicher der Olympischen Winterspiele von Sotschi das Licht. Funktionäre gibt’s ja überall“ (In Lichtgeschwindigkeit, in SZ 25.11.2013). – „Statt für Faschismus steht der Fackellauf heute nur noch für olympischen Größenwahn“ (Herrmann, Boris, Das letzte Flämmchen, in SZ 12.11.2013).
Ziemlich viel Tamtam für den olympischen Fackellauf, eine Erfindung der Nazis!
Nachtrag 3: Putin-Partei beendet Fackellauf in Sotschi
Ringer Alexander Karelin, Gymnastin Alina Kabajewa (gilt als Putin-Geliebte), Eishockey-Torwort Wladislaw Tretjak und Eiskunstläuferin Irina Rodnina waren die letzten Fackelträger: und alle vier Duma-Abgeordnete für Putins Regierungspartei Einiges Russland (Aumüller, Johannes, Hofmann, René, Der verbotene Krieg, in SZ 10.2.2014).
Nachtrag 4: Nanjing 2014
Bei den 2. Olympischen Jugendspielen in Nanjing 2014 gibt es eine Neuerung: „Ganz modern ist auch der Fackellauf der Spiele. Die Fackel wird nämlich virtuell durchs Internet weitergereicht“ (Rawohl, Astrid, Hollmann, Frank, „Olympiareife Sportstätten und Schattenseiten“, in deutschlandfunk.de 10.8.2014).
Nachtrag 5: Fazit zum Fackellauf Sotschi 2014 von Maik Großekathöfer im Spiegel
„Auch der Fackellauf ist eine einzige Angeberei: Er beginnt auf dem Roten Platz in Moskau, an Putins Geburtstag. 14.000 Menschen tragen das olympische Feuer 65.000 Kilometer weit durchs Land, Taucher bringen die Fackel auf den Grund des Baikalsees, Kosmonauten transportierten sie ins All“ (Großekathöfer, Maik, Die Flocke, die sich weigerte, in Der Spiegel, Chronik 4.,12.2014).
Nachtrag 6: European Games – Fackellauf mit Diktatorenfamilie
“Eine olympische Staffel der besonders zweifelhaften Art hat sich da zusammengefunden. Einen Part des Fackellaufes übernimmt Ilham Alijew, der Vater des Clans und autoritäre Präsident Aserbaidschans. Einen anderen sein Sohn Heydar. Einen dritten Mehriban, die Ehefrau, und einen weiteren Leyla, die Tochter. Jeder aus der Herrscherfamilie darf mal ran, und somit illustriert diese Fackelstafette durch die Straßen Bakus trefflich, was die Sportwelt von Freitag an erwartet, wenn in der Hauptstadt des öl- und gasreichen Landes die ersten Europaspiele starten: ein großes Fest als Propagandabühne für einen Autokraten und seine Familie – und der internationale Sport hofiert mal wieder nach Kräften mit” (Aumüller, Johannes, Ein Fest für den Autokraten, in SZ 10.6.2015).
Nachtrag 7: Olympischer Fackellauf Rio 2016 (I)
Am 21.4.2016 wurde das Olympische Feuer im antiken Olylpia in Griechenland entzündet; IOC-Präsident Thomas Bach ließ es sich nicht nehmen, dabei zu sein. „Vom Tempel der Hera aus nimmt die Fackel ihren Weg quer durch Griechenland, sie soll dabei unter anderem in ein Flüchtlingslager gebracht werden und von einem Geflüchteten getragen werden. Dann geht es in die Schweiz nach Lausanne, dem Sitz des Internationalen Olympischen Komitees. Am 3. Mai beginnt mit der Ankunft in der Hauptstadt Brasilia die rund 20.000 Kilometer lange Stafette durch 329 Städte des Gastgeberlandes Brasilien, an der 12.000 Fackelträger beteiligt sein werden. In Rio soll die Flamme einen Platz im Stadtzentrum erhalten. Wie die Zeitung ‚Folha de Sao Paulo‘ berichtete, könnte die Flamme in der Hafengegend ihren Platz finden, wo auch ein großer Olympiaboulevard geplant ist“ (Olympisches Feuer entzündet, in spiegelonline 21.4.2016).
Nachtrag 8: Olympischer Fackellauf Rio 2016 (II)
Beim olympischen Fackellauf ist es im Küstenort Angra dos Reis zu Protesten gekommen. Auf einem Video in einem sozialen Netzwerk ist zu sehen, wie die Flamme wohl kurzzeitig erloschen war und dies gefeiert wurde. Der Träger der Fackel und weitere Teilnehmer des Fackellaufs wurden in einem Bus in Sicherheit gebracht. (…) Das olympische Feuer soll am 5. August im Maracanã-Stadion entzündet werden. (…) Die Fackel für die ersten Sommerspiele in Südamerika passiert mehr als 320 Städte in allen 26 Bundesstaaten Brasiliens. Bis Rio wird es 12 000 Träger auf der 20000 Kilometer langen Strecke gegeben haben“ (DPA, Fackel aus, in SZ 29.7.2016).
Nachtrag 3: Olympischer Fackellauf Rio 2016 (III)
„In Duque de Caixas, rund 20 Kilometer von der Olympia-Stadt Rio de Janeiro entfernt, gerieten die Sicherheitskräfte mit Demonstranten aneinander, die mit Steinen geworfen hatten. Ein zehn Jahre altes Mädchen sei durch ein Gummigeschoss verletzt und in ein Krankenhaus gebracht worden, berichtete das Portal ‚O Globo‘. Laut Polizei waren unter den Demonstranten Studenten und Professoren, die gegen die schlechte Bildungssituation protestierten – wegen ausstehender Gehälter war an einigen Universitäten zuletzt kaum noch ein regulärer Betrieb möglich. Heute soll die Fackel zum Endspurt im Zentrum Rios eintreffen und nach Copacabana getragen werden, am Freitag macht sie an der Christus-Statue und am Zuckerhut Station. Bisher kam es nur zu vereinzelten Protesten gegen die rund 10,5 Milliarden Euro teuren Olympischen Spiele. In Angra dos Reis, 170 Kilometer westlich von Rio de Janeiro, erlosch die Flamme dabei kurzzeitig“ (Fackellauf begleitet von Ausschreitungen, in spiegelonline 4.8.2016).
Quellen:
Feuer über Loch Ness, in SZ 8.11.2011
Fischer Weltalmanach
Höhne, Heinz, „Da kann man nur noch Nazi werden“, in Spiegel 28.7.1986
Kistner, Thomas, Armreifen stören nicht, in SZ 2.5.2008
Krüger, Arnd, Theodor Lewald – Sportführer ins Dritte Reich, Berlin 1975
Laude, Achim/Bausch, Wolfgang, Der Sport-Führer, Göttingen 2000
Ostler, Josef, Schwarz, Peter, Schwarzmüller, Alois, Wörndle, Franz, Die Kehrseite der Medaille – IV. Olympische Winterspiele Garmisch-Partenkirchen 1936, Garmisch-Partenkirchen 2016
Schon wieder ein Olympia-Feuer, in SZ 26.7.2010
Sochi 2014 Reveals Longest-Ever Torch Relay, in ria.ru 7.10.2012
Veszelits, Thomas, Die Neckermanns, Frankfurt/Main 2005
Wikipedia