Kindermann, Wilfried, Freiburg, Köln (*1940)
Vita eines Sportarztes: „Prof. Dr. Wilfried Kindermann war 1962 Leichtathletik-Europameister mit der 4×400-Meter Staffel. 1979 wurde er zum Leiter des Instituts für Sport– und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes ernannt. 2009 ging er in Ruhestand. 10 Jahre lang fungierte er als Mannschaftsarzt des DFB, war „Chief Medical Officer“ beim FIFA Confederations Cup 2005, bei der FIFA–Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Von 1989 und 1996 betreute er die deutschen Leichtathleten als leitender Verbandsarzt des DLV, von 2000 bis 2008 fungierte er als Chef-Olympiaarzt. Bis Mai 2006 hatte er den Vorsitz des Wissenschaftlich-Medizinischen Beirats des Deutschen Sportbundes (DSB) inne. Weitere Funktionen: Mitglied der Medizinischen Kommission des Europäischen Fußballverbandes (UEFA), Präsidiumsbeauftragter für Medizin im DLV und Stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Sportmedizin des DFB, Vorsitzender der medizinischen Expertenkommission des DOSB, Mitglied der Anti-Doping-Kommission des Deutschen Fußballbundes (DFB) sowie des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) und des Kuratoriums der Nationalen Antidoping-Agentur (Nada)“ (www.cycling4fans.de S. 1).
Kindermann kooperierte bei einigen Aktivitäten von Keul, so beim Testosteron-Forschungsauftrag mit dem harmlosen Titel „Regeneration im Hochleistungssport“, siehe unter 1.1. „In den siebziger Jahren war Kindermann als Co-Autor des umstrittenen Freiburger Sportmediziners Joseph Keul an Studien beteiligt, die eine angebliche Unschädlichkeit von Anabolika nachzuweisen versuchten und deren Freigabe befürworteten. Sportler wussten nach diesen Studien, wann Anabolika abzusetzen sind, damit man sie zu Wettkämpfen nicht mehr im Urin nachweisen kann(Fischer 5.7.2007). Anabolika standen bis 1976 nicht auf der Dopingliste, erste Tests gab es aber schon früher. Ende der achtziger Jahre forschte Kindermann zum Thema Testosteron“ (Fischer 5.7.2007).
Kindermann war direkt in die Testosteronforschung von Keul und Deus eingebunden: „Kindermann war 1976 Mitautor der (schon erwähnten; WZ) Untersuchung von Keul und Deus, die an 10 Normalpersonen und 15 Gewichthebern den ‚Einfluss von Nandrolondecanoat vor und nach zweimonatiger Behandlung sowie 4 Wochen danach’ erforschte. ‚Ferner wurden die Untersuchungsbefunde von 57 Sportlern, die anabole Hormone eingenommen hatten, auf Schädigungen bzw. Funktionsstörungen hin überprüft.’ Die Autoren stellten zwar bei 34 Personen Schädigungen fest, da diese aber nach Absetzen des anabolen Steroids zurückgehen würden, wurde eine Unbedenklichkeitserklärung ausgestellt: ‚Diese Befunde (…) lassen den anabolen Steroiden keine allgemeinschädigende Wirkung zuordnen (…).’ Daher gebe es aus medizinischen Gründen keine gesicherten Einwände gegen die Einnahme bei Männern, bei Frauen und Kindern sähe dies aber anders aus. ‚Ein Verbot von anabolen Hormonen mit dem Hinweis auf die Schädigung, die nicht bewiesen ist, lässt die ärztliche Beratung bzw. den Arzt selbst fragwürdig erscheinen und ist daher nicht empfehlenswert.” ((1), S. 210f; zitiert nach: www.cycling4fans.de S. 2).
Als hochrangiger Sportarzt wusste Kindermann immer genau, was (gerade noch) durchgeht: „Als leitender Arzt im Deutschen Leichtathletikverband spritzte Kindermann 1995 bei den Weltmeisterschaften in Göteborg dem Langstreckenläufer Stéphane Franke zur Blutverdünnung HES – ein Mittel, dessen leistungssteigernde Wirkung umstritten ist, das sich aber unstrittig zur Verschleierung von Epo-Einnahme und Blutdoping eignet. Regeln hat Kindermann auch hier nicht verletzt: HES kam erst 2000 auf die Dopingliste“ (Fischer 5.7.2007).
1977 antwortete Kindermann zusammen mit Keul auf die Doping-Vorwürfe von Prof. Werner Franke, siehe unter Keul. Als Kindermann 2007 in das Kuratorium der Wada berufen wurde, empörte sich der Heidelberger Sportwissenschaftler Prof. Gerhard Treutlein: „Was hat der da zu suchen?“ (Ebenda).
Kindermann hatte auch engen Kontakt zum Body-Builder-Sportarzt Torsten Albers (siehe unten): „Was auch mit der Nähe des Pumping Professors zu einem Schwergewicht der deutschen Sportmedizin zu tun hat: Wilfried Kindermann. Sie forschten und publizierten gemeinsam zur Frage, inwieweit Schädigungen durch den Missbrauch anaboler Steroide reversibel sind. Schon die Doktorarbeit des Mannes, der für eine Stellungnahme nicht erreichbar war, befasste sich am Universitäts-Institut, das Kindermann viele Jahre leitete, mit Langzeitfolgen des Steroid-Konsums… Für Kindermann ist die Verbindung auch deshalb peinlich, weil der frühere Arzt der DFB-Elf und Chefmediziner diverser Olympia-Teams noch immer im Aufsichtsrat der Nationalen Antidoping-Agentur (Nada) sitzt – und der ihm ebenfalls vertraute Doktorvater des ins Visier der Ermittler geratenen Arztes in deren medizinischer Kommission“ (Hartmann, Hettfleisch 28.6.2012; Hervorhebung WZ).
Fazit: „Kindermann (…) konnte nie aktives Mitwirken beim Doping bewiesen werden, doch er steht seit Jahren in der Kritik” (Fischer 5.7.2007).
Quellen:
Doping: Wilfried Kindermann, in www.cycling4fans.de
Fischer, Mirjam, Kontrolleure mit einschlägiger Erfahrung, in spiegelonline 5.7.2007
Hartmann, Grit, Hettfleisch, Wolfgang, Pumping Professor, in berliner-zeitung.de 28.6.2012
Kindermann, Wilfried, Die Verantwortung der Sportmedizin im Leistungssport, in Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 12 (2011), S. 390f.
Kindermann: „Neururer muss die Vorwürfe beweisen“, in focus.de 15.6.2007